Digitaler Wandel in Familienunternehmen - Das Handbuch

von: Arnold Weissman, Stephan Wegerer

Campus Verlag, 2018

ISBN: 9783593437996 , 264 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

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Digitaler Wandel in Familienunternehmen - Das Handbuch


 

Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht können Sie das Wort Digitalisierung schon nicht mehr hören, aber der Kauf dieses Buches zeigt, dass Sie bemerkt haben, dass Sie etwas tun müssen, dass auch für Sie kein Weg daran vorbeiführt: Unternehmen, die sich nicht mit der Digitalisierung, ihren Anforderungen und Möglichkeiten befassen, werden abgehängt. In vielen Unternehmen ist die Digitalisierung in der IT angesiedelt, doch das ist zu kurz gesprungen. Die Digitalisierung muss Chefsache sein. Lassen Sie Ihre Strategie nicht von der IT entwickeln, sondern mit der IT. Sie müssen als Unternehmer oder Führungskraft nicht über jedes Detail der Digitalisierung Bescheid wissen, aber Sie müssen sich um das große Ganze kümmern. Es geht um die Frage, wie Ihr Geschäftsmodell in drei, fünf oder zehn Jahren aussehen soll. Dabei müssen Sie die gesamte Wertschöpfungskette im Auge behalten. Der digitale Wandel beschreibt den fundamentalen Wandel von Unternehmen hin zu einer vollständig vernetzten, digitalen Organisation. Die heutigen Hidden Champions haben ihre Unternehmen nicht digital aufgebaut, die Start-ups jedoch haben digitale Geschäftsmodelle und eine völlig andere Denkweise. Mit ihren Geschäftsmodellen nehmen sie den heutigen Marktführern Umsatz ab und verhindern deren weiteres Wachstum. Diese Wachstumslücke gilt es zu schließen und dafür brauchen Sie eine Strategie. Nur so können Sie langfristig das Überleben Ihres Unternehmens sichern. Mit diesem Buch wollen wir Sie dabei unterstützen, eine solche Strategie zu entwickeln. Mit ziemlicher Sicherheit werden Sie nicht von heute auf morgen zum digitalen Marktführer, aber je früher Sie daran zu arbeiten beginnen, desto besser, denn die Zeit drängt: 2006 gab es noch kein iPhone, heute ersetzt uns das Smartphone das Telefon, den Kalender, das Adressbuch, die Kamera, den Walkman, das Aufnahmegerät und das Navi, teilweise sogar schon die Kreditkarte. Ins Internet und chatten können wir damit sowieso. Bücher und E-Mails lesen, Fotos verschicken, Flüge buchen - alles kein Problem. Bedenken Sie, wie vielen anderen Branchen durch das Smartphone Umsätze verloren gehen. Welche digitalen Wettbewerber können Ihnen gefährlich werden? Wissen Sie es? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie die Digitalisierung für Ihr Geschäftsmodell nutzen können? Verfügen Sie über die notwendigen Kompetenzen? Wir bieten Ihnen eine aus der Praxis heraus entwickelte Strategie für den digitalen Wandel an und führen Sie Schritt für Schritt durch den notwendigen Strategieprozess, der auf dem 'System Weissman' basiert. Als Familienunternehmen haben Sie eine gute Ausgangsposition beim Kampf um die Führung in digitalen Märkten, denn Familienunternehmen sind nicht nur schneller und beweglicher als große Konzerne, sondern haben einen weiteren Vorteil: Oft kennen Sie Ihre Kunden. Und die Kundenbeziehung ist für den Erfolg der digitalen Transformation entscheidend. Denn künftig wird es nicht mehr um das Produkt oder die Dienstleistung gehen, sondern um den Nutzen-Wert, den es für den Kunden hat. Doch Sie müssen auf dem Weg auch Ballast abwerfen, sich von lieb gewordenen Gewohnheiten und Hierarchien trennen. Vor allem müssen Sie sich bewusst machen, dass Erfolg in der Vergangenheit und in der Gegenwart keine Garantie für den Erfolg in der Zukunft ist. Den eigenen Erfolg und das eigene Geschäftsmodell in Frage zu stellen, ist der erste Schritt auf dem Weg in den digitalen Wandel. Wir freuen uns, dass wir Sie begleiten dürfen. Arnold WeissmanStephan Wegerer Kapitel 1 Verrückte Welt In diesem Kapitel erfahren Sie, warum die Digitalisierung die Welt verändert, das Leben jedes Einzelnen und der Unternehmen, bisherige Arbeitsabläufe und -methoden und ganze Geschäftsmodelle. Es geht darum zu verstehen, dass die Digitalisierung die Welt und die Wirtschaft profund und umfassend revolutioniert und Untätigkeit für Ihr Unternehmen zum Wettbewerbsnachteil wird. Alle Themen, die wir in diesem Kapitel anreißen, werden in den folgenden Kapiteln systematisch vertieft. Digitalisierung ist einer der großen Megatrends unserer Zeit. Darunter versteht man eigentlich die Aufbereitung von analogen in digitale Informationen, also letztlich in Einsen und Nullen. Meist wird der Begriff allerdings für die digitale Revolution und die Gesamtheit aller Veränderungen, die sie mit sich bringt, verwendet. Dazu zählt die Kommunikation über E-Mail, soziale Netzwerke und Smartphones ebenso wie die Vernetzung von Maschinen in der Produktion, die Nutzung der Cloud, Streaming und vieles mehr. Zum Nachdenken - Viele Unternehmen erwarten laut einer McKinsey-Studie durch Industrie 4.0 eine Produktivitätssteigerung von über 20 Prozent. - MIT-Studie: Digital reife Unternehmen stehen besser da als andere. Sie erzielen um 26 Prozent höhere Gewinne. - 1991 erzielte Kodak einen Umsatz von 19,4 Milliarden. Ab 2003 eroberte die Digitalfotografie in großem Stil den Markt und brach Kodak letztlich das Genick. Kein Mensch musste mehr auf die Entwicklung von Fotos und Filmen warten, sondern konnte seine Fotos gleich anschauen und mit anderen teilen. Dadurch entstand ein digitales Ökosystem, in dem die Leistungen, die Kodak anbot, keinen Nutzen mehr für die Kunden hatten. - Der Internet-Handel wächst zehnmal stärker als der klassische Handel. Laut der Studie 'Handelsszenario 2020' des Kölner IFH-Instituts werden die Umsätze im stationären Einzelhandel von 448 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 405 Milliarden Euro im Jahr 2020 schrumpfen. - 2006 lag der Umsatz von Amazon bei 10,7 Milliarden Dollar, 2016 waren es schon 136 Milliarden Dollar. - Apple ist mehr wert als die acht wertvollsten deutschen Konzerne zusammen. Digitalisierung verändert die Welt 'Wir leben in der Kreidezeit' In Deutschland ist die Digitalisierung zwar in aller Munde, aber wir scheinen die Größe und die Macht der Veränderung, die die Digitalisierung mit sich bringt, noch nicht begriffen zu haben - weder Politik noch Wirtschaft und Gesellschaft. Per Ledermann, Vorstandsvorsitzender der Edding International GmbH - Sie werden zumindest die Edding-Marker kennen -, sagt: 'Wir leben in Deutschland in der Kreidezeit.' Damit bezog er sich auf die Tatsache, dass unsere Kinder noch heute von der Tafel abschreiben, lesen und rechnen lernen wie ihre Großeltern. Unglaublich. In Großbritannien, das wir als die großen Innovatoren gerne mit einem leichten Naserümpfen betrachten, sind die Schulen mit digitalen Lösungen ausgestattet, fast jedem Jugendlichen steht ein Rechner zur Verfügung. Wo werden wir künftig die dringend benötigte digitale Kompetenz herbekommen? Können Sie sich denn noch ein Leben ohne Internet, E-Mail und Smartphone vorstellen? Ganz selbstverständlich hat die Digitalisierung von unserem privaten und beruflichen Leben Besitz ergriffen und es nachhaltig verändert. Und zwar in einem rasanten Tempo. Das Internet, wie wir es kennen, nahm 1989 seinen Anfang. Das ist gerade einmal 28 Jahre her. Fünf Jahre später wurde Amazon gegründet, 1998 Google. Facebook gibt es seit 2004, Twitter seit 2006. Das erste iPhone wurde 2007 vorgestellt und bei Zalando können wir seit 2008 'schreien vor Glück'. Mit dem digitalen Fortschritt haben sich Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden verändert. Komplettlösungen, Nutzen, intuitive Bedienbarkeit, Schnelligkeit und Verfügbarkeit 24/7 sind die Stichworte. Amazon hat den stationären Buchhandel aus den Angeln gehoben, Zalando die Schuhverkäufer herausgefordert. Aktuell bedrohen die Fintechs mit ihren Angeboten die Geschäftsmodelle der etablierten Banken. Google hat die Geschäfte der Stadtplanhersteller zunichte gemacht. Durch die Navis in Pkw und Smartphone braucht niemand mehr eine Landkarte. Taschenrechner? Hat jedes Smartphone. Das macht auch die Urlaubsfotos. Und die sind gar nicht schlecht. Große digitale Fotoapparate schleppen nur noch Profis oder ambitionierte Amateure mit sich herum. CD-Player, ja sogar MP3-Player, die erst 1998 auf den Markt kamen, sind ebenfalls obsolet - Musik hören können wir per Download oder Streaming mit unserem Smartphone, dem Tablet und am PC. Der wird vielleicht auch bald überflüssig - schon jetzt können moderne Fernseher ziemlich viel. Zumindest brauchen wir keine DVDs mehr, denn Filme können wir problemlos downloaden, ausleihen oder direkt anschauen dank internetfähigen Fernsehern, Tablets und Smartphones. Durch diese Entwicklung tritt der Nutzen für den Kunden immer stärker in den Vordergrund. Der Nutzen-Preis-Vorteil (NPV) ist das Kriterium, das darüber entscheidet, ob die Verbraucher bereit sind, für ein Angebot gleich welcher Art zu bezahlen. Das verlangt von den Unternehmen Veränderung im Denken und Handeln, ist aber eine riesige Chance für neue Formen der Wertschöpfung. Der Datenstrom wächst kontinuierlich Weltweit generierte Daten: 2010: 1.227 Exabyte 2015: 8.591 Exabyte 2020: 40.026 Exabyte 1 Exabyte = 1 Milliarde Gigabyte = 1 Million Terabyte (Quelle: Statista) Durch diese Entwicklung werden wir alle immer mobiler und wir haben uns längst daran gewöhnt, alles immer und überall zur Verfügung zu haben. Cloud-basierte Dienste machen uns das leicht. Und natürlich möchten wir das alles nicht nur privat, sondern auch beruflich zur Verfügung haben. Der Vertriebsmann möchte sein Tablet oder Laptop dabei haben, sodass er beim Kunden alle Informationen abrufen kann. Der Servicetechniker bestellt Ersatzteile direkt vor Ort über sein Tablet, wenn er nicht schon vorher durch intelligente Systeme erfahren hat, was er brauchen wird. Der Austausch von Daten zwischen Maschinen sowie zwischen Maschinen und Menschen wächst ständig und macht uns das Leben leichter. Wen würden Sie wählen? Ein triviales Beispiel: Viele Unternehmen haben Wasserspender. Welchen Lieferanten würden Sie wählen: Denjenigen, den Sie anrufen müssen, damit er die Tanks auffüllt oder denjenigen, dem Sensoren melden, wann die Tanks aufgefüllt werden müssen und der ohne Aufforderung kommt? Jeder digitale Wettbewerber kratzt an den Umsätzen der etablierten Unternehmen und schmälert deren Umsätze und Gewinne. Es entsteht eine Lücke, die gefüllt werden muss, soll das Unternehmen überleben. Die Digitalisierung und die daraus entstehenden Technologien wie Industrie 4.0 betreffen (fast) alle Unternehmen. Wird man selbst aktiv oder wartet man mit geschlossenen Augen, bis der Sturm hoffentlich vorüberzieht? Im B2C-Bereich haben die deutschen Unternehmen das Feld schon weitgehend den Amerikanern überlassen. Jetzt geht es darum, im B2B-Bereich Krallen zu zeigen und die Führung zu übernehmen. Gerade die innovativen und technologisch hoch entwickelten Familienunternehmen dürfen sich hier nicht verschließen. Für sie ist die Digitalisierung eine Chance, die es ihnen ermöglicht, in gesättigten Märkten weiter zu wachsen. Allerdings nur, wenn sie die Aufgabe schnell und von der richtigen Seite angehen: vom Kunden aus. Sie haben die Wahl, ob Sie hoffen, dass der Sturm an Ihnen vorüberzieht, oder ob Sie ihn nutzen um zu fliegen! 'Im Rahmen einer Studie der Mittelstandsinitiative hat TNS Infratest 4?000 Führungskräfte befragt. Das erstaunliche Ergebnis: Die Mehrheit hat das Potenzial der Digitalisierung zwar erkannt, beschreibt sich selbst aber als abwartend. Zwei von drei Befragten räumen sogar ein, die Digitalisierung zu vernachlässigen. Immerhin 60 Prozent glauben, dass der Wandel mehr Arbeitsplätze in Deutschland hervorbringen wird. Ist dieses Ergebnis nicht ein Paradoxon? Kostenreduktion und Effizienzsteigerung haben höhere Priorität als Investitionen in Wachstum und Innovation. Ein Irrglaube.' Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters GFT in Stuttgart Die digitale Welt ist nicht so geordnet und geregelt, wie wir es gewohnt sind. Doch das bedeutet auch mehr Freiheit, mehr Raum für Ungewöhnliches, mehr Raum zum Ausprobieren. Man muss nur mutig genug sein. Die Digitalisierung bringt Risiken mit sich, aber andererseits: ohne Risiko keine Chance. 'Wer jedes Risiko ausschalten will, der zerstört auch alle Chancen.' Hans-Olaf Henkel, deutscher Manager Der neue Wettbewerber: Digitalisierung Die Digitalisierung bringt neue Kunden hervor, aber natürlich auch neue Wettbewerber. Und die sind frech, agil, global und vor allem digital. Häufig gibt es nicht einmal einen neuen Wettbewerber, sondern eben einen bekannten Wettbewerber, der die Chancen, die ihm die Digitalisierung bietet, schneller erkennt als Sie oder der risikobereiter ist. Die Digitalisierung lässt sich nicht aussperren. Der Mittelstand bildet sich viel auf seine Schnelligkeit und Flexibilität ein. Mittelständische und Familienunternehmen sehen sich gerne als wendige Schnellboote, die den großen Tankern zeigen, wo es lang geht. Durch die Digitalisierung könnten sie jedoch selbst zu Tankern werden, die von den kleinen Flitzern der digitalen Start-ups attackiert werden. Denn nur wenige Mittelständler sind geneigt, in Experimente zu investieren, deren Ausgang ungewiss ist. Manche Experten sind sogar der Meinung, es gehe gar nicht ums Geld, sondern es fehle der Wille zur Veränderung, vor allem in Unternehmen, denen es (noch) gut gehe. Natürlich kann man erst einmal abwarten, was die anderen tun. Doch eigentlich ist das keine Option, dafür dreht sich das Rad viel zu schnell. Jeden Tag werden bisher sichere und erfolgreiche Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung und digitale Neueinsteiger hinweggefegt: Uber schüttelt das Taxigewerbe durcheinander, Amazon hat zuerst dem stationären Buchhandel Konkurrenz gemacht, jetzt sitzt es bereits dem Rest des Einzelhandels und den Verlagen im Nacken. Jeden Tag sprießen neue Ideen, wie man in der digitalen Welt Geschäfte machen kann. Wer dabei sein möchte, sollte agieren statt zu reagieren. Jetzt wird der Kuchen verteilt, nicht in fünf oder zehn Jahren. 'Abwarten ist hinsichtlich der Digitalisierung aus meiner Sicht keine Option. Jeder Mittelständler, egal ob klein oder groß, sollte überprüfen, ob sein Geschäftsmodell durch neue Wettbewerber infrage gestellt wird. Wir alle kennen das Beispiel des Google-Autos. Plötzlich gibt es eine Daten-Maschine, die auch Verkehrswege zurücklegt. Für jeden Mittelständler sollte die Überprüfung des Geschäftsmodells oben auf der Agenda stehen.' Dr. Peter Bartels, Vorstandsmitglied bei PwC My Muesli: Von Online bis Offline Im April 2007 ging 'mymuesli' online. Über die Website konnten sich die Kunden ihr individuelles Bio-Müsli mixen, das ihnen dann zugeschickt wurde. Das ist auch heute noch so, allerdings ist das Start-up schnell expandiert. Es gibt inzwischen einige Fertigmischungen, Geschenksets, Orangen, Kaffee, Tee und sogar Geschirr. 2008 startete das Unternehmen die internationale Expansion. 2009 folgte der erste eigene Laden. Mittlerweile ist My Muesli auch in den Regalen von Edeka und Rewe angekommen. Das junge Unternehmen ist ein typischer Vertreter der neuen Wettbewerber, die etablierte Firmen das Fürchten lehren. Sie sind frech, schnell und basieren meistens auf einem digitalen Geschäftsmodell, das sie mitunter in die Offline-Welt ausweiten. Der traditionelle Handel geriet als erstes unter die Räder. Doch je schneller die Digitalisierung voranschreitet, desto mehr Branchen sind betroffen. Und die digitalen Eroberer kommen aus aller Herren Länder. Im Netz verschwimmen die Ländergrenzen. Autos: Update statt Rückruf 'Apple betrachtet das Auto wie ein Telefon', sagt Trendbeobachter Mathias Haas aus Stuttgart. 'Verdient wird nicht über den Verkauf des Autos, sondern über die Nutzung.' Der Trendbeobachter hat auch sogleich ein Beispiel aus den USA parat. Dort sind Dunkin' Donuts und Chevrolet eine Kooperation eingegangen, bei der über das Equipment des Fahrzeugs die nächstgelegenen Angebote des Gebäckherstellers angezeigt werden. Die Digitalisierung verändere den Stellenwert, setze andere Prioritäten. Wenn die Sensorik eine höhere Priorität erhalte als das Fahrwerk, entstehe ein neues Machtgefälle, ist Haas überzeugt. 'Wenn ein ITler ein Auto baut, denkt er komplett anders. Tesla macht keine Rückrufaktionen, sondern fährt ein Update. Autohersteller, die ein neues Modell auf den Markt bringen, rechnen mit fünf bis sieben Jahren. Apple würde einfach eine neue Version einführen. Vielleicht könnte das Auto dann nach einem nächtlichen Update rückwärts in die Garage einparken. Ein von ITlern entworfenes Auto würde sich weiterentwickeln, während ein herkömmliches Fahrzeug nach wenigen Jahren völlig überholt ist', sagt Haas und fügt hinzu: 'Die Frage ist doch: Wenn Apple ein Auto bauen möchte, wieso kauft es dann nicht VW? Die Antwort: Die eigene Gründung scheint einfacher zu sein.' Haas ist überzeugt, dass die Region Stuttgart ohne weiteres zu einem deutschen Detroit werden könnte, wenn die alten Player in der Auto- und Autozulieferindustrie diese Entwicklung nicht mitdenken und den Schwenk nicht mitmachen. Machen wir doch mal den Test, wenn Sie selbst ein 'selbstfahrendes Auto' entwickeln würden, wie würde dieses dann aussehen? Wäre es eher ein digital unterstütztes Auto, welches einem 'Kampfjet' nahe kommen würde, oder eher ein 'rollendes Wohnzimmer' in welchem Komfort, Entspannung und Spaß im Vordergrund stehen würden? 'Cayla ist eine sprechende Puppe, die über Bluetooth mit einem Tablet verbunden wird und Fragen beantworten kann. Kinder, die damit aufwachsen, werden als Erwachsene Ähnliches von ihrem Auto erwarten.' Mathias Haas, Trendbeobachter aus Stuttgart FinTechs: Tsunami für die Banken? 'FinTechs sind eine Chance für den Finanz- und Technologiestandort Deutschland. Politik und Regulatoren sind aufgefordert, die Bedingungen für Gründung und Wachstum dieser Unternehmen weiter zu verbessern.' Das sagte nicht etwa der Gründer eines FinTechs, sondern Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Hat da jemand seine neue Konkurrenz umarmt? Nicht ganz. Der Bankenverband sieht die FinTechs nämlich nicht nur als Konkurrenz, sondern auch als Kooperationspartner, besonders die FinTechs, deren Geschäftsmodell in der technischen Unterstützung von Bankdienstleistungen liegt. Das Wort FinTech setzt sich aus den Worten Finanzen und Technologie zusammen. Finanztechnologie steht für neuartige Lösungen von Anwendungssystemen, die eine Neu- oder Weiterentwicklung im Finanzdienstleistungsbereich darstellen. Weltweit machen mehr als 3?500 solche Start-ups den Geldhäusern Konkurrenz. 2016 betrugen die globalen Investitionen in FinTechs 24,7 Milliarden US-Dollar. Die FinTechs profitieren von Entwicklungen im Bereich Big Data und Cloud-Computing, sowie der rasanten Verbreitung von Smartphones, Laptops und Tablets in Verbindung mit nahezu ständigem Zugriff auf das Internet. So ist es auch jungen und kleinen Unternehmen möglich, etablierte Unternehmen zu attackieren oder eine Nische im Markt zu besetzen. Kunden der FinTechs können zum Beispiel online über Anlagestrategien diskutieren, sich gegenseitig Geld leihen (Social Lending) oder Projekte finanzieren (Crowdfunding). Sie können Geld an E-Mail-Adressen oder Handy-Nummern verschicken - der Betrag wird dann dem Konto des Empfängers gut geschrieben, sofern er über ein Konto bei diesem Anbieter verfügt. Das Beratungsunternehmen Accenture schätzt, dass die neuen Wettbewerber den Banken bis 2020 weltweit mehr als 30 Prozent ihrer Erträge abjagen werden. Auch die Versicherungsbranche wird von den Newcomern nicht verschont bleiben. Kleine Start-ups wie Simplesurance übernehmen das, was den Großen der Branche zu klein ist: Sie versichern das neue iPhone ebenso wie die Designerbrille oder das teure Mountainbike. Firmengründer Robin Hein weiß, dass viele Verbraucher bereit sind, für den zusätzlichen Schutz des neuen iPhones 60 Euro im Jahr zu bezahlen. Das iPhone oder die Designerbrille ist mit Emotionalität verbunden, die Hausratversicherung in der Regel nicht. Auf diese Emotionalität und den schnellen Abschluss setzen die Start-ups. Versichert wird dann bei den Etablierten der Versicherungsbranche, doch das ist dem Konsumenten egal. Einige Start-ups wie Life aus Kelkheim wagen sich sogar an kompliziertere Produkte wie Lebensversicherungen. Durch die digitalen Vertriebsstrukturen sparen die neuen Wettbewerber enorme Kosten ein, die sie teilweise an ihre Kunden zurückgeben. Und dadurch, dass sie nicht selbst als Versicherer agieren, unterliegen sie auch nicht der Aufsicht. Die 2015 gegründete Clark Germany GmbH hat insbesondere Studenten und junge Berufseinsteiger im Visier. Die App ermöglicht es den Kunden von zu Hause aus alle Versicherungsunterlagen einzusehen und zu analysieren. Dabei findet Clark jeweils das günstigste Produkt mit der gleichen Leistung und stellt diese übersichtlich dar. Die Verwaltung der Versicherungen verläuft völlig automatisiert per App. Gleichzeitig findet eine transparente und neutrale Beratung statt, die Experten stehen außerdem im Schadensfall direkt per Mail, Chat oder Telefon zur Verfügung. Der direkte Kontakt mit Maklern wird überflüssig, stattdessen kommt ein Robo Adviser, also ein Beratungsalgorithmus zum Einsatz. Dieser analysiert die Versicherungssituation eines Kunden und weist automatisch auf Verbesserungspotentiale hin. Ein Robo Adviser ist auch beim Münchner Start-up Scalable Capital im Einsatz und ermöglicht eine automatisierte Geldanlage in Investmentfonds. Dabei erhalten die Anleger u.?a. Zugang zu einem breiten Aktienportfolio ohne von den unterschiedlichsten Befangenheiten von Maklern beeinflusst zu werden. Seit Mitte 2017 beteiligt sich US-Finanzriese Blackrock mit 30 Millionen Euro an den Münchnern.