Gustav Klimt - Die Biografie

von: Mona Horncastle, Alfred Weidinger

Christian Brandstätter Verlag, 2018

ISBN: 9783710602528 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 24,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Gustav Klimt - Die Biografie


 

V. KUNST FÜR ALLE UND ÜBERALL


Präsident der Secession


Die Wiener Secession und Klimt – die eine ist ohne den anderen nicht denkbar. Natürlich ist eine Gruppe von Überzeugungstätern nötig, um die Kunst in Wien zu revolutionieren, doch Klimt ist ihr Anführer. Und die Wirkung auf sein Schaffen ist enorm.

Die Secession erwächst 1897 aus einer Gruppe von fünfzig Gründungsmitgliedern, darunter der Architekt Josef Hoffmann, der Kunstgewerbler Koloman Moser und der Unternehmer Fritz Waerndorfer, die 1903 die Wiener Werkstätte gründen werden. Außerdem dabei sind der Architekt Joseph Maria Olbrich, der das Stammhaus der Secession baut, Wien aber schon 1900 verlässt, um in Darmstadt zu arbeiten, sowie Otto Wagner, der große Pädagoge, der einen Baustil und eine Stadtplanung entwickelt, die die Bedürfnisse der Menschen über architektonische Referenzen stellt. An seiner Spezialschule, der k. k. Akademie der bildenden Künste, unterrichtet er, dass Architektur als Kunst und somit als Spiegelbild ihrer Zeit gedacht werden muss und den Bedürfnissen ihrer Bewohner zu folgen hat: „Der Ausgangspunkt jedes künstlerischen Schaffens muss aber das Bedürfnis, das Können, die Mittel und die Eigenschaften unserer Zeit sein. Die Kunst kennt nur einen Herrn – das Bedürfnis.“1

Gruppenfoto mit den Mitgliedern der Secession in der Beethoven-Ausstellung. 1902. Fotografie von Moritz Nähr. Privatbesitz. Hintere Reihe (v. l. n. r.): Anton Stark, Gustav Klimt, Adolf Böhm, Wilhelm List, Maximilian Kurzweil, Leopold Stolba und Rudolf Bacher. Vordere Reihe (v. l. n. r.): Koloman Moser, Maximilian Lenz, Ernst Stöhr, Emil Orlik und Carl Moll.

Als Maler sind Carl Moll, Josef Engelhart, Ernst Stöhr, Wilhelm List und Max Kurzweil zu nennen. Moll ist ein unermüdlicher Kämpfer für das Moderne, hat sehr gute Verbindungen in die Wiener Gesellschaft und besitzt viel Organisationstalent, was in Summe der Secession enorm zugutekommt. Die Maler verbindet kein einheitlicher Stil, sondern der Wunsch nach Ausstellungsplattformen. Bislang bietet nur die Genossenschaft bildender Künstler im Künstlerhaus die Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, allerdings unter Ausschluss aller internationalen Entwicklungen der Moderne und nur innerhalb eines steifen Korsetts, das die jungen Künstler überwiegend als zu eng empfinden. In jeder Ausstellung werden nahezu alle eingereichten Arbeiten der Mitglieder gezeigt. Dafür müssen die Wände vom Boden bis zur Decke genutzt werden, teilweise auch weit außerhalb der Flächen, die gut einsehbar sind. Die Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung einzelner Positionen ist also unausweichlich. Das ist ein wesentlicher Kritikpunkt am Konzept der Genossenschaft: in den Ausstellungen wahllos und überbordend alles zu zeigen, ohne eine qualitative Vorauswahl zu treffen. Den Secessionisten fehlt dort eine Vermittlungsstrategie, die es den Besuchern erleichtert, die präsentierte Kunst zu verstehen. Sie bemängeln den „Marktcharakter“, der den Verkauf über die Didaktik stellt. Das Ziel der Secession ist es, in fokussierten Ausstellungen der österreichischen Avantgarde ein Forum zu bieten und darüber hinaus, die ausländische Moderne nach Wien zu holen, um sich selbst von ihr inspirieren zu lassen und das Publikum für sie zu begeistern.

Ver Sacrum. 1900. Cover und eine Seite aus Heft 1. Die Secession publiziert mit Ver Sacrum eine der aufwändigsten und anspruchsvollsten Kunstzeitschriften ihrer Zeit. Ver Sacrum ist ihr Sprachrohr und bis heute eine wichtige Quelle über die Vorhaben und Ideale der Künstlervereinigung.

Der Nachholbedarf in der Donaumetropole ist groß. Die europäische Moderne ab dem französischen Impressionismus ist nahezu unbekannt. Die Genossenschaftler aber sind mehrheitlich konservativ und modernen Ideen gegenüber verschlossen – mit wenigen Ausnahmen, etwa Rudolf von Alt, der sich der Secession anschließt und als ihr Ehrenpräsident ein Segen ist. Er ist kein junger Revolutionär, ihm glaubt man sofort, dass er für nichts anderes als die Kunst kämpft. Das öffnet Türen – sogar beim Kaiser. Als eine Delegation bei Franz Joseph I. vorstellig wird, um ihn zur ersten Ausstellungseröffnung einzuladen, ist dieser überrascht, den 86-Jährigen in der Reihe der jungen Künstler zu sehen. Darauf angesprochen erwidert Alt: „Ich bin zwar wirklich schon alt, Majestät, aber ich fühle mich noch jung genug, um immer wieder von vorne anzufangen.“2

Die Secessionsbewegung in Wien unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von jenen in München und Berlin. Zum einen darin, dass die Wiener Künstler nicht gegen eine künstlerische Tradition aufbegehren, sondern vor allem mehr Ausstellungsmöglichkeiten und Offenheit gegenüber Kunstströmungen in Europa fordern. Darum treten sie auch nicht politisch auf und bemühen sich zumindest bei der Gründung um eine diplomatische Haltung gegenüber der Genossenschaft bildender Künstler Österreichs. Leider mit mäßigem Erfolg. Klimt als Präsident der Secession wendet sich in einem Brief an den leitenden Ausschuss, bittet um Verständnis und betont, dass die secessionistische Vereinigung österreichischer Künstler keine Schädigung der Genossenschaft beabsichtigt: Die Konzentrierung „gleichgesinnter österreichischer Künstler wird in erster Linie die Hebung der Kunsttätigkeit, des Kunstinteresses in unserer Stadt […] anstreben. Durchdrungen von der Überzeugung, dass die Belebung des Kunstlebens in Wien der Genossenschaft bildender Künstler Wiens nur zum Vorteil gereichen könne, dass die Tätigkeit der neuen Vereinigung die idealen Ziele der Genossenschaft wohl fördern, nie aber zu beeinträchtigen vermöge, erblicken die Mitglieder der Vereinigung bildender Künstler Österreichs in ihrem Unternehmen keine Schädigung der Genossenschaft, und verbleiben zum Beweise dessen, soweit sie Mitglieder der Gesellschaft sind, im Verbande derselben.“3 Doch die Genossenschaft fordert erbost den Austritt aller Secessionisten, die in Folge gegen ihre eigenen Absichten schließlich geschlossen ihre Mitgliedschaft niederlegen.

Hermann Bahr erläutert die Streitigkeiten mit drei Maximen im ersten Heft von Ver Sacrum, der höchst aufwändig gestalteten Kunstzeitschrift der Secession, mit der sie ihre Überzeugungen verbreiten und Kunsterziehung betreiben: „Wer in Wien etwas erreichen will, darf nicht fürchten, lächerlich zu werden. […] Man muss verstehen sich verhasst zu machen. Der Wiener hat nur vor Leuten Respekt, die ihm eigentlich zuwider sind. […] Man darf sich nicht beschwichtigen lassen. Der Wiener hat die Gewohnheit, wenn man etwas von ihm fordert, einem die Hälfte anzubieten. Gibt man sich mit ihr zufrieden, so nimmt er sie einem nach einiger Zeit wieder weg. Ist man aber trotzig und lässt nicht nach, so wird es ihm ungemütlich und er gesteht dann mehr zu, als man verlangt hat. Alles oder nichts muss die Parole sein.“4

Dass die Secession Klimt zu ihrem Präsidenten wählt, hat mehrere Gründe. Erstens macht sich der einflussreiche Carl Moll für ihn stark. Der ältere, gut situierte, erfolgreiche und beliebte Moll hat Klimt sehr früh vor allem beruflich unter seine Fittiche genommen. Daraus entsteht eine Freundschaft, sodass Klimt regelmäßig den Salon von Carl und Anna Moll besucht, wo er auf die Menschen der Wiener Gesellschaft trifft, deren Porträtist er wird: Bei Molls lernt er unter anderem Serena Lederer, Marie Henneberg, Rose von Rosthorn-Friedmann und Therese Bloch-Bauer, die Schwester der berühmten „Goldene Adele“, kennen.

Der zweite Grund für die Wahl Klimts 1897 zum Präsidenten der Secession ist seine Persönlichkeit. Klimt verkörpert genau die Art Anführer, die die Künstler brauchen: Er ist zwar eigenbrötlerisch und wortkarg, doch immer ernsthaft. Vor allem hat er sich als Künstler unabhängig von Staat und Akademie gemacht und gilt als standfest und authentisch. Dass er außerdem alle Ideale der Secession in sich vereint, das konnte man zwar ahnen, wie sehr, das zeigen die sieben Jahre im gemeinsamen Kampf für die Kunst und die Entwicklung, die Klimt als Künstler durchläuft.

Hans Tietze, Zeitzeuge und früher Klimt-Biograf, schreibt 1919: „[…] Klimts künstlerische Persönlichkeit schien abgeschlossen, als die Secession gegründet wurde. Was konnte die neue Bewegung, die tausend fremde Anregungen in die abgesperrte Wiener Atmosphäre einströmen ließ, ihm bringen, der allem Vereinswesen der Künstlerschaft meilenweit entfernt stand, der fest in Wien wurzelte und seine Kunst aus der Tradition seiner Stadt zur vollen Reife entwickelt hatte? Sie brachte ihm, wie wir wissen, alles; sie riß ihn aus der Bahn, die vorgezeichnet schien, zerstörte oder erweckte sein innerstes Wesen, und schuf den...