Lassiter 2239 - Trommeln am Seton Pass

von: Jack Slade

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783732512959 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Lassiter 2239 - Trommeln am Seton Pass


 

Lassiters Mission in Hot Springs war zu Ende.

Der Mann von der Brigade Sieben konnte es kaum erwarten, aus den Black Hills herauszukommen. Auf schnellstem Wege wollte er nach Texas, um Molly Grant wiederzusehen. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach der Weiblichkeit der betörend hübschen Barsängerin.

Er packte seine Sachen, bezahlte die Hotelrechnung und wollte das Connor House gerade verlassen, da stürzte Logan ins Foyer. Der Rechtsanwalt Paul Logan war der Kontaktmann der Brigade Sieben für das Territorium Montana-West-Dakota. Logan wirkte gehetzt, als würde er von einem Rudel Wölfe verfolgt.

Als er Lassiter sah, entspannte sich seine Miene. »Ich dachte mir, bevor Sie Hot Springs verlassen, sollten Sie noch mal kurz einen Abstecher zu einem alten Freund machen.«

Lassiter schulterte seinen Reisesack. »Der Freund muss ohne mich auskommen. Ich bin auf dem Weg zur schönsten Frau der Welt.«

»Fürwahr, ein schwerwiegendes Argument.« Logan rang nach Luft. »Aber vielleicht überlegen Sie sich es noch einmal.«

»Aber warum?«

»Ihr Freund braucht Sie.«

»Mein Freund braucht mich?« Lassiter überlegte. Er konnte sich gar nicht erinnern, dass er in Hot Springs einen Freund hatte. Selbst seine Beziehung zu Logan war eher distanziert als freundschaftlich. Lassiter krauste die Stirn. »Von wem sprechen Sie, Paul?«

Mit einem sauberen Tuch wischte sich der Anwalt den Schweiß von der Stirn. Er war ein massiger Mann von gut zweihundert Pfund Lebendgewicht. Unter seinem Bowlerhut quoll langes, grau durchwirktes Haar hervor. Logan keuchte schwer. Offenbar hatte er die Strecke von seiner Kanzlei zum Connor House im Dauerlauf zurückgelegt. »Sein Name ist Mahpee«, brachte er hervor. »So viel ich weiß, hat er Ihnen neulich den Hintern gerettet.«

»Mahpee?«

»Der Indianer, der letzte Woche die durchgegangenen Ponys in die Quergasse lenkte.«

»Ah, jetzt entsinne ich mich.« Lassiter wechselte seinen Reisesack auf die andere Schulter. »Ein patenter Kerl, dieser Sioux.«

»So ist es.« Logan nickte. »Sie kamen gerade aus dem Drugstore, als die Gäule auf Sie zujagten. Mahpee hat die Gefahr blitzschnell erkannt. Nun, das wissen Sie ja selbst am besten. Jetzt braucht der Bursche selbst jemanden, der ihm aus der Patsche hilft.«

Lassiter beschlich ein ungutes Gefühl. »Worum zum Geier geht’s hier eigentlich?«

Logan kniffte das Tuch in der Mitte und steckte es in die Hosentasche. »Mahpee hat zu viel getrunken. In diesem Augenblick bedroht er gerade ein paar weiße Männer. Mit einer Winchester.«

»Wo?«

»In einem Saloon, nur einen Pfeilschuss von hier entfernt.«

Lassiter stutzte. »Wie ist das möglich? Der Mahpee, den ich kenne, verabscheut Alkohol. Ein gesetzestreuer Mann. Ein Mitbürger, wie er im Buche steht.«

»Das mag sein. Aber jetzt ist Mahpee nicht mehr der vorbildliche Mitbürger, jetzt ist voll wie eine Haubitze und sieht rot.«

Lassiter dachte an Molly Grant im weit entfernten Laredo. Er war im Zwiespalt. Wenn er jetzt in das Geschehen eingriff, würde er den Zug verpassen. »Soll sich der Marshal um die Sache kümmern«, sagte er. »So viel ich weiß, hat er zwei Deputies. Wozu bezahlt die Stadt drei Sternträger? Es ist ihr Job, Betrunkene zur Räson zu bringen.«

Logan hob die Brauen. »Heißt das, Sie lassen Ihren Freund im Stich?«

»Wieso Freund? Ich kenne diesen Sioux kaum.« Lassiter packte seinen Reisesack fester. »Und überhaupt: Ich glaube nicht, dass er gerade auf mich hören wird.«

»Oh doch, das wird er.« Logan nickte zu seinen Worten. »Ich weiß es, Lassiter. Sie sind der Einzige, der die Situation entschärfen kann.«

Lassiter schwieg. Die Vorstellung, dass der junge Sioux im Säuferwahn womöglich auf andere Menschen schoss, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Vielleicht hatte Logan Recht, und er, Lassiter, war tatsächlich der einzige Mensch weit und breit, der Mahpee und die Männer im Saloon retten konnte.

Mit einem unwilligen Schnaufen ließ Lassiter den Reisesack auf den Boden sinken.

In Logans Augen blitzte Hoffnung. »Sie sind dabei?«

»Was ist, wenn Mahpee die Waffe auf mich richtet? Könnte doch sein, oder?«

»Sie sind doch nicht von gestern«, meinte Logan. »Sprechen Sie mit ihm, Lassiter. Ich weiß, dass er viel von Ihnen hält. Er wird auf Sie hören.«

»Ihr Wort und Gottes Ohr.« Lassiter rückte seinen Hut tiefer in die Stirn.

»Ich kümmere mich um Ihr Gepäck«, sagte Logan.

Lassiter schob die Pendeltür auf und trat hinaus auf die Mainstreet. Von der Bahnstation hörte er die Pfeife einer Lokomotive. Der Zug war bereits eingelaufen. Die Puffer der Waggons prallten gegeneinander. Lassiter sehnte sich danach, in einem komfortablen Abteil zu sitzen und von Molly zu träumen, die so leidenschaftlich zu küssen vermochte.

Doch es ging um Menschenleben.

Da musste das Vergnügen warten.

***

Larry’s Saloon befand sich im Amüsierbezirk von Hot Springs, der im Volksmund Lucky Hills genannt wurde. Neben dem Saloon lag das Spielcasino, und auf der anderen Straßenseite erstreckte sich die große, rosa angestrichene Baracke, in dem die Sidewalkdohlen ihre Freier empfingen. Dazwischen lag eine unbefestigte Sandpiste mit Zügelholmen und Plankensteigen für die Fußgänger.

In der Nähe des Saloons hatten sich ein paar Leute versammelt, die schwatzend die Köpfe zusammensteckten. Zwei Deputies mit Blechmarken auf der Hemdbrust versuchten, die Neugierigen von den Schwingtüren fernzuhalten.

»Erschießen!«, rief ein Mann mit Augenklappe. »Pustet den Roten um und schmeißt ihn den Schweinen vor!«

Jemand klatschte in die Hände. Doch niemand beteiligte sich an dem Applaus. Rasch verklang das Händeklatschen.

In einiger Entfernung hatte ein geschäftstüchtiger Händler einen Verkaufsstand aus dem Boden gestampft und bot Hurensohn-Stew, Maisbrot und Bier aus dem Fass an. Zwei stark angetuschte Frauen blieben vor der Theke stehen und stellten ungeniert ihre Reize zur Schau. Die Größere hatte sich einen Weißkopf-Adler auf den Busen tätowieren lassen. Die Kleinere trug gerüschte Unterhosen und knallrote Strumpfbänder.

Als Logan und Lassiter ankamen, zog der Mann mit der Augenklappe gerade seinen Colt und feuerte einen Schuss in die Luft. Die Leute, die neben ihm standen, hielten sich die Ohren zu. Der Einäugige zog ein Gesicht, als hätte er etwas furchtbar Wichtiges getan. Beifallheischend blickte er sich um.

Nur mit Mühe konnte sich Lassiter beherrschen. Er kannte den Rüpel vom Stadtbild. Der Typ nannte sich Wallace Wilde und lebte davon, ahnungslose Greenhorns beim Pokern zu betrügen.

Tom Nelson, einer der Deputies, erschien.

Lassiter musterte den Mann misstrauisch. Nelson sah aus, als wäre er eine Woche auf Sauftour gewesen: rote Nase, dunkle Ringe unter den glasigen Augen, Stoppelbart, schmuddeliges Hemd und ungeputzte Stiefel. Er schwenkte einen großen Peacemaker-Revolver.

»Das ist der Mann, der Mahpee zur Aufgabe bewegen kann«, sagte Logan und zeigte auf Lassiter.

»Willkommen bei Larry’s.« Nelson tippte sich mit dem Coltlauf an die Stirn. »Die Rothaut hat nicht mehr alle Pfeile im Köcher. Völlig verrückt, der Bastard. Er glaubt, Uncle Sam wolle ihm sein Land stehlen, um es an Immobilienhaie weiterzuverhökern. Deshalb ist er mit ’ner Knarre in den Saloon gestürmt.«

»Was fordert er?«, hakte Lassiter nach.

»Keine Ahnung.«

»Wie? Sie haben noch nicht mit ihm gesprochen?«

»Der Kerl ist besoffen. Voll wie ein Nachttopf. Der kapiert doch eh nichts.« Nelson betrachtete seinen Revolver. »Es gibt nur eine Sprache, die diese rote Brut versteht.«

Es entstand eine Pause. Der Hass, mit dem der Hilfsmarshal die Worte ausgestoßen hatte, war unüberhörbar. Es gab keinen Zweifel: Am liebsten hätte der Mann den Indianer sofort in die Ewigen Jagdgründe expediert.

Lassiter sah Logan an. »Stimmt es, dass die Regierung Mahpee das Land wegnehmen will?«

»Ach was! Fantasien eines Saufboldes«, mischte sich Nelson ein.

»Wie kommt er denn darauf?«

Der Anwalt seufzte. »Vermutlich hat der Sioux gar nicht so Unrecht. Seinen Leuten gehört ein kleines Areal in den Bergen, oben beim Seton Pass. Das Dorf ist bestimmten Leuten ein Dorn im Auge. Es gibt Gerüchte, dass es dort wertvolle Erze gibt.«

Lassiter biss sich auf die Lippe. Wenn es am Seton Pass tatsächlich wertvolle Bodenschätze gab, hatte Mahpee nicht die geringste Chance. Früher oder später würde man das Indianerdorf überfallen und die Bewohner vertreiben. So war es bisher immer gewesen.

Ein Schussknall unterbrach Lassiters Gedanken. Im Saloon hatte jemand eine Waffe abgefeuert.

Der Deputy, der am Eingang Posten bezogen hatte, duckte sich und brachte seinen Revolver in Schussposition. Unter den Zuschauern wurde Unmut laut.

»Abknallen!«, grölte der Einäugige. »Gehen wir rein und reißen dem Indsman die Kaldaunen aus dem Leib!«

»Das wäre das Dümmste, was man tun könnte«, sagte Lassiter so laut, dass es auch die anderen Beteiligten verstanden. »Soviel ich weiß, ist Mahpee ein begnadeter Schütze. Es würde ein Blutbad geben, wenn man ihn mit Gewalt zur Aufgabe zwingen wollte.« Lassiter hob die Stimme. »Stimmen wir ab! Wer von uns hier und heute sterben will, der hebe die rechte Hand.«

Alle Hände blieben unten. Man schaute woandershin, aber keiner ging weg. Der Einäugige stapfte zum...