Lassiter 2248 - Der Tod ist blond

von: Jack Slade

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783732517268 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Lassiter 2248 - Der Tod ist blond


 

Ches schluckte und versuchte, sich zusammenzureißen. Reich werden wollte er, nicht im Knast verrecken oder gar am Galgen baumeln. Er bückte sich zum Schlüsselloch, linste hindurch. Eine Öllampe brannte auf dem Tisch neben dem Bett. Jede Einzelheit konnte Ches erkennen.

Sie lag unter dem Geldsack, Ches sah seinen fetten Hintern zucken, sah sein breites Gesicht zwischen ihren Brüsten abtauchen. Das war mehr, als Ches vertragen konnte. Er spannte den Hahn seines Revolvers und stieß die Tür auf.

»Scheißkerl!«, zischte er. »Runter von meinem Mädchen!«

»Bitte nicht, Ches.« Sie riss die Arme hoch. »Bitte …« Der Kerl aus St. Louis rührte sich nicht, sagte nichts. Er schien überhaupt nicht zu begreifen, dass es um sein Leben ging, hob nicht mal seinen Kopf.

Und dann sah Ches ihre blutige Faust und das Messer darin. »Es war Notwehr«, flüsterte sie. »Du hast doch selbst gesehen, dass er mich vergewaltigen wollte.« Sie war kalkbleich, ihre Stimme zitterte. »Oder?«

Ches begriff. »Klar.« Er steckte den Revolver weg, drückte die Tür hinter sich zu und schloss ab. Vorsichtshalber. »Klar doch, hab ich.« Er war völlig fertig. Alles hatte er erwartet, aber doch niemals so was! »Himmel, bist du abgefeimt.« Er setzte sich an den Bettrand, schüttelte den Kopf und feixte. »Ich fass es einfach nicht.«

Er half ihr, unter dem Kerl hervor zu kriechen. Aus dessen klaffender Kehle rann das Blut. Sie zitterte noch immer.

Er führte sie zur Waschschüssel, wusch ihr das Blut ab. »Folgendes«, sagte er. »Ich gehe jetzt hinunter und hole meinen Kumpel Jesse und dessen Vetter hoch. Die schauen sich die Bescherung an. Danach wird Jesse zum Sheriff gehen und ihm erzählen, wie der Scheißkerl versucht hat, dich gegen deinen Willen zu besteigen. Und wie tapfer du deine Ehre verteidigt hast.«

Mit zitternden Händen tastete das Mädchen nach ihrer Wäsche. »Und dann?«

»Dann wird der Sheriff kommen, und ich und Jesses Vetter Will werden die Geschichte bestätigen.«

»Und ich, was sage ich?«, flüsterte sie. Die Angst kroch ihr aus jeder Pore.

Ches grinste und versetzte ihr einen Nasenstüber. »Gar nichts, Baby.« Er durchsuchte die Kleider des Geldsacks, steckte ein paar Banknoten und eine goldene Taschenuhr ein. »Du tust einfach das, was du bisher auch getan hast – du heulst und zitterst. Oder glaubst du, ein junges, unschuldiges Mädchen, das gerade von einem Vergewaltiger überfallen wurde, bringt noch ein einziges Wort heraus?«

»Nein, nein …« Sie suchte ihr Kleid. »Warum tust du das für mich?«

»Weil ich dich will.« Er nahm ihr das Kleid aus der Hand. »Bleib im Mieder, sieht überzeugender aus.« Er holte eine Decke aus dem Schrank und breitete sie der Blonden über die Schultern. »Warte mal.«

Ches ging zum Bett, tauchte die Hand ins Blut des Kerls aus St. Louis und schmierte ein paar blutige Spuren an ihr Mieder. »Das sieht noch überzeugender aus.« Schließlich drückte er sie auf den Stuhl neben dem Tisch. »Bleib ganz still hier sitzen. Bin gleich zurück.«

Sie machten es genau so, wie Ches es dem Mädchen erklärt hatte. Der Sheriff von Haven schluckte jedes Wort. Der alte Sternträger war um jeden Galgenvogel froh, den er nicht jagen musste. Und das schöne blonde Mädchen tat ihm richtig leid. Mit dem Totengräber ließ er sogar den Reverend kommen, damit der dem blonden Kind ein paar tröstliche Worte zusprach.

Den Geldsack aus St. Louis begruben sie am Tag darauf auf dem Friedhof von Haven.

Das war der Anfang.

Im Herbst nahm Ches das Mädchen mit nach Wichita. Am Spieltisch nahm er einen Rancher aus, der erst seit kurzem in der Gegend war. Ches’ neue Flamme lockte den Mann auf ihr Zimmer. Kurz darauf rief sie um Hilfe. Jessie, Will und Ches stürmten das Zimmer und schlugen den Rancher nieder.

Der Mann schwor Stein und Bein, das Mädchen noch nicht einmal angerührt zu haben. Doch die Blonde schwor das Gegenteil; sie hatte sich inzwischen weitgehend ausgezogen. Ches und seine Kumpanen behaupteten, an der Tür gelauscht zu haben.

»Mit Vergewaltigern sind wir ganz schnell fertig hier unten am Arkansas«, sagte Jesse.

Und Ches sagte: »Ich hole jetzt den Townmarshal. Sobald der dich eingelocht hat, reiten wir zu deiner Frau. Die wird sich vielleicht freuen!«

Der Rancher verlor vollkommen die Nerven und schlug um sich. Das hätte er nicht tun sollen, denn die drei nahmen ihn sich ordentlich vor. Jessies Messer an der Kehle, unterschrieb er schließlich einen Schuldschein, den Ches vorbereitet hatte und mit dem er Ches seine Ranch übereignete. Eine Woche später zog ein Fischer die Leiche des Mannes aus dem Arkansas.

So ging es weiter.

***

Der Anwalt hieß Mountbatten und empfing ihn in einem Hinterzimmer des teuersten Schuppens von Dodge City, des White Horse Hotels. Lassiter hatte nichts dagegen.

Dieses Hinterzimmer war mit gepolsterten Möbeln ausgestattet. Stühle, Sessel, Chaiselongue – alles vom Feinsten. Der runde Tisch war aus Nussholz und glänzte wie ein Spiegel. Ölgemälde hingen an den Wänden – Landschaften mit Büffeln und Indianern und solches Zeug. Elektrisches Licht brannte am Deckenleuchter. Alles nicht zu verachten, weiß Gott.

Doch nichts gegen die junge Frau, die neben Mountbatten auf der Chaiselongue saß.

Lassiter saugte ihre Gestalt schon in sich auf, bevor er den Anwalt auch nur bemerkte – ein Hals wie ein Schwan, kastanienrotes Haar zu einem Dutt geflochten, die Haut wie Kirschblüten, so rein, und anmutig wie eine junge Stute – Lassiter sah sie und war hin und weg.

Der Anwalt stand auf. Er trug einen schwarzen Frack und einen Siegelring mit einem schwarzen Stein. »Mountbatten.« Er reichte Lassiter die Hand. »Abraham Mountbatten. Das ist Miss Liberty.«

»Lassiter.« Der Mann von der Brigade Sieben tippte sich an die Hutkrempe. »Einfach nur Lassiter.« Er ließ sich im Sessel nieder, den Mountbatten ihm anbot. In welcher Beziehung er zu jener schönen Miss Liberty stand, verriet der Anwalt leider nicht.

»Ein Agent der Wells Fargo und zwei US-Marshals sind ermordet worden.« Mountbatten kam sofort zur Sache. »Einige andere Morde gingen voraus.« Er schob Lassiter ein großes, graublaues Kuvert über den Nussbaumtisch. »Steht alles hier drin.«

»Wo?« Lassiter wunderte sich, dass sein Mittelsmann in Gegenwart der jungen Lady so offen sprach. Gehörte sie zur Brigade Sieben? Arbeitete sie für Mountbatten als Sekretärin oder so? »Und wie heißen die Opfer?« Nicht dass er etwas gegen die Anwesenheit der Schönen einzuwenden hatte. Er genoss ihren Anblick und ihre Nähe sogar.

Sie trug ein schwarzes Kleid, dessen Dekolletee eine Art Netz bedeckte. Durchsichtig genug, um die Ansätze ihrer Brüste zu erspähen. Himmel, was für ein Anblick!

Der Anwalt beugte sich zu ihr herüber und küsste sie auf die Schläfe. »Lass uns einen Augenblick allein, Baby, ja?« Sie lächelte, nickte und stand auf. »Gönn dir einen Drink draußen im Hotelsaloon, ja?«

Mit wiegenden Hüften ging sie an Lassiter vorbei, ließ ihn keinen Moment aus den Augen dabei. Er verkniff es sich, ihr nachzusehen, was Abraham Mountbatten völlig hemmungslos tat. Die Tür fiel zu, und der Anwalt seufzte tief. »Was für ein prachtvolles Geschöpf! Finden Sie nicht auch, Lassiter?«

»Sicher doch, Sir.« Lassiter nahm das volle Glas, das Mountbatten ihm herüberschob und nippte an seinem Whisky. »Wie also lauteten noch einmal die Namen der Ermordeten.«

»Habs grad nicht im Kopf, steht alles hier drin.« Mountbatten deutete auf das Kuvert und kippte seinen Whisky herunter. »Auch sonst alles, was Sie brauchen – Dossiers der wichtigsten Leute, Gerichtsurteile, Berichte des Sheriffs von Haven, Stadtplan von Haven, und so weiter.«

»Haven?« Lassiter zog die Brauen hoch.

»Die Stadt, in deren Umgebung die Morde geschahen. Nie gehört?« Lassiter schüttelte den Kopf. »Hundertzwanzig Meilen östlich von Dodge am Arkansas, knapp dreißig Meilen nordwestlich von Wichita. Etliche Sternträger unter den Toten, wie gesagt. Geht es um Waffenschmuggel? Geht es um Land? Wir wissen nichts Genaues.«

»Waffenschmuggel?«, hakte Lassiter nach. Der Mann redete ihm zu viel und zu schnell.

»Na ja, die Grenze zum Indianer Territorium liegt kaum sechzig Meilen weiter südlich. Rückzugsort von Galgenvögeln aller Art einschließlich rebellischer Rothäute. Und nach dem Indianer Territorium sind wir schon fast in Mexiko, wenn Sie wissen, was ich meine. Aber nur eine Theorie, wie gesagt.«

»Und ich soll jetzt herausfinden, wer da in diesem Kaff, in diesem Haven sein Unwesen treibt, ja?« Lassiter öffnete das Kuvert, zog die Unterlagen heraus. Ein Bündel Banknoten fiel auf den Tisch. »Oder wie genau lautet mein Auftrag?«

»Verlieren Sie bloß Ihre Spesen nicht, Lassiter.« Mountbatten deutete auf das Geldbündel, das Lassiter scheinbar achtlos auf dem Tisch liegen ließ. »Sie werden sie sonst noch vermissen.«

»Sicher doch. Wie lautet also mein Auftrag?«

Der Anwalt ließ sich gegen das hohe Ende der Chaiselongue fallen, blies die Backen auf und schabte sich sein volles, graues Haar. Er hatte ein schmales, kantiges Gesicht und war groß und gut gebaut. Wie Mitte vierzig sah er aus, war aber vermutlich älter.

»Ermordete Sternträger, wie gesagt. Und nach neusten Informationen der Brigade Sieben ist schon wieder ein US-Marshal undercover in der Gegend unterwegs. Er wird nicht lange undercover bleiben, das schwör ich Ihnen, Lassiter. Wer...