Wilderwald (1). Die Rückkehr der dunklen Magie

Wilderwald (1). Die Rückkehr der dunklen Magie

von: Cressida Cowell

Arena Verlag, 2018

ISBN: 9783401807539 , 312 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 11,99 EUR

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Wilderwald (1). Die Rückkehr der dunklen Magie


 

Ungefähr zur selben Zeit brachen zwei junge Krieger heimlich vom Eisernen Fort der Krieger auf. Sie ritten auf einem kräftigen, aber ziemlich verängstigten Kriegerpony.

Den Kriegern war es normalerweise nicht gestattet, das Eiserne Fort nach Einbruch der Dunkelheit zu verlassen, denn die Krieger hatten gewaltige Angst vor der Magie, die draußen im Wald lauerte.

Das Eiserne Fort war die größte Hügelfestung, die du dir vorstellen kannst. Über der gewaltigen, ringförmigen Festungsmauer ragten dreizehn Wachtürme in den Himmel; vor der Mauer zogen sich sieben breite Gräben um den gesamten Hügel. Wie groß musste die Furcht der Krieger vor allem sein, das mit Magie zu tun hatte, um so ein gewaltiges Fort zu bauen, mit Mauern so weiß wie Knochen und kleinen schlitzförmigen Fenstern, die wie eine bösartig blinzelnde Katze auf den Wald hinausstarrten?

Trotzdem war es den beiden Kriegern auf ihrem Kriegerpony gelungen, sich heimlich aus dem Fort zu stehlen, ohne von den nervösen und äußerst aufmerksamen Wärtern bemerkt zu werden, die auf den Zinnen patrouillierten und unablässig mit aufmerksamen Blicken den Wald zu durchdringen suchten. Und vielleicht gab es sogar einen guten Grund, warum sie so angestrengt auf die endlose grüne Wildnis hinausstarrten, die das Fort nicht nur umgab, sondern es zu überwuchern und zu verschlingen drohte.

Denn etwas BÖSES lauerte hoch oben in den Baumwipfeln und beobachtete das Pony.

Allerdings hätte zu diesem Zeitpunkt noch niemand sagen können, wer oder was dieses Etwas war.

Im Grimmwald lebten viele böse Wesen. Das Etwas hätte also durchaus ein Katzenmonster sein können. Oder ein Werwolf. Oder sogar ein Roger. (Ein Roger ist so etwas wie ein Oger, nur viel, viel grausamer.)

Bestimmt werden wir später erfahren, was für ein Wesen dieses Etwas war.

Dass das Pony die Aufmerksamkeit dieses Etwas erregte, war nicht besonders erstaunlich. Denn das Pony trabte mit viel zu viel Lärm und Hufgetrappel durch das Unterholz und auf seinem Rücken wurden eine zierliche kleine Kriegerprinzessin und ihr Hilfsleibwächter namens Griffel kräftig durchgeschüttelt.

Beide trugen knallrote Umhänge über ihren eisernen Rüstungen, und weil Knallrot in einem tiefgrünen Wald keine besonders clevere Tarnfarbe ist, stachen sie aus der Umgebung heraus wie leuchtende Sterne am schwarzen Nachthimmel.

Sie hätten nicht auffälliger sein können, außer vielleicht, wenn sie eine große Zielscheibe auf den Köpfen getragen hätten – oder ein Schild mit der Aufschrift »FANGT MICH, IHR HUNGRIGEN MONSTER DES GRIMMWALDES!«

Die Prinzessin hatte eigentlich einen sehr langen und königlichen Namen, wurde aber von allen nur Willa genannt.

Kriegerprinzessinnen sollten natürlich immer schön, groß und absolut furchterregend sein, so wie Willas Mutter, die Königin Sychorax.

Aber Willa war weder furchterregend noch besonders hübsch.

Ihr kleines Gesicht war so blass, als hätte ein Wasserschwall jegliche Farbe weggewischt. Ihre Ellbogen ragten etwas knochig heraus und ihr Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte gerade ein Blitz eingeschlagen.

Über dem linken Auge trug sie eine schwarze Augenklappe. Im Moment schien sie etwas zu suchen, denn sie blickte sich aufmerksam um.

»Wir sollten eigentlich gar nicht ganz allein hier draußen sein, nicht mal am Tag und erst recht nicht in der Nacht!«, flüsterte ihr Hilfsleibwächter Griffel, wobei er sich ständig ängstlich umschaute.

Griffel war nicht Willas normaler Leibwächter. Er war noch nicht einmal ein richtiger Leibwächter, denn er hatte gerade erst die Ausbildung hinter sich gebracht und wurde daher nur aushilfsweise eingesetzt. Aber der eigentliche Leibwächter der Prinzessin hatte sich eine böse Erkältung zugezogen und sich krankmelden müssen.

Bei den jungen Kriegern waren die wenigen Stellen für Leibwächter bei der Königlichen Leibwache heiß begehrt, und obwohl Griffel erst dreizehn Jahre alt war, war er ein eifriger Schüler gewesen und hatte das Examen an der Leibwächterakademie als Bester seines Jahrgangs abgeschlossen.

Aber das hier war Griffels erster richtiger Einsatz als Leibwächter und schon jetzt dämmerte ihm, dass der Job viel härter war, als er sich vorgestellt hatte.

Denn die Prinzessin tat absolut nie das, was man ihr sagte.

Und obwohl er während seiner Ausbildung wirklich hart gebüffelt hatte, muss gesagt werden, dass Griffel nicht sehr gern kämpfte. Schon bei dem Gedanken, dass er jemals in eine Situation geraten könnte, in der richtige Gewalt angewandt wurde, drehte sich ihm fast der Magen um.

»Da draußen könnten Werwölfe oder Katzenmonster oder Riesen lauern …«, fuhr Griffel mit bebender Stimme fort, »von Bären und Jaguaren und den Zauberern und den Rogerschnüfflern ganz zu schweigen … Und sogar die Zwerge können verdammt gemein sein, wenn sie in Horden auf die Jagd gehen …«

»Ach, hör schon auf mit deinem Gejammer, Griffel!«, fauchte ihn die Prinzessin an. »Wir kehren ja sofort wieder um, sobald ich mein Haustier wiedergefunden habe. Und überhaupt: Du bist schuld daran, dass wir hier draußen sind! Du hast ihm Angst eingejagt, weil du ihm gedroht hast, ihn bei meiner Mutter zu verpetzen, und deshalb ist er durchgedreht und weggelaufen.«

»Ich wollte nur verhindern, dass Ihr noch mehr Schwierigkeiten bekommt!«, verteidigte sich Griffel. »Haustiere sind nun mal nicht erlaubt! Das verstößt gegen die Kriegergesetze!«

Nun war Griffel eben ein Junge, der felsenfest an Regeln und Gesetze glaubte. Er hatte vor, sich vom Hilfsleibwächter zu einem der Hüter des königlichen Haushalts hochzuarbeiten, aber DAS würde ihm natürlich nicht gelingen, wenn er ständig gegen Regeln oder Gesetze verstieß.

»Und diese Art von Haustier dürft Ihr erst recht nicht besitzen …«

»Er muss furchtbar Angst haben«, sorgte sich Willa. »Wir können ihn unmöglich hier draußen im Grimmwald herumirren lassen, so mutterseelenallein und verängstigt … wahrscheinlich würde er von Reißzahnmardern oder irgendwelchen anderen schrecklichen Ungeheuern gejagt …«

Wieder blickte sie sich um.

»AHA!«, rief sie plötzlich triumphierend und erleichtert aus. »DA IST ER JA!«

Sie zog am Zügel, um das Pony anzuhalten, und bückte sich nach etwas, das durch das Unterholz huschte. »Den Kriegsgöttern sei Dank!« Sie streichelte das Was-immer-es-sein-mochte und gurrte ihm beruhigende Worte zu, wie zum Beispiel »Keine Angst, alles in Ordnung, jetzt bist du bei mir und in Sicherheit …«. Was man eben so sagt, wenn man einen verängstigten Hund, eine Katze, ein Zwergkaninchen oder sonst irgendein pelziges Schoßtier beruhigen möchte, das allein und verlassen und außer sich vor Angst durch den Grimmwald irrte, nachdem die Herbstsonne längst untergegangen war.

Doch Willas Schoßtier war kein Hund. Auch keine Katze. Und erst recht kein Kaninchen. Es war nicht mal ein Tier.

»Euer Schoßtier ist ein LÖFFEL!«, wandte Griffel ein.

Womit der Hilfsleibwächter nicht unrecht hatte.

Denn das Schoßtier der Prinzessin war in der Tat ein großer eiserner Löffel.

»Das stimmt wohl«, antwortete Willa, als ob es ihr jetzt erst aufgefallen wäre. Sie trocknete den Löffel mit dem Ärmel ab.

»Und der Löffel ist LEBENDIG, Prinzessin! Er ist lebendig!«, rief Griffel und schüttelte sich ein wenig vor Entsetzen, als er den Löffel anschaute. »Was bedeutet, dass er ein vollkommen verbotener magisch verhexter Gegenstand ist! Habt Ihr denn nicht die vielen Schilder überall im Kriegerfort gesehen? Magie strengstens verboten! Keine verzauberten Gegenstände! Keine Tiere innerhalb der Burg! Jeder Zauber muss sofort gemeldet werden, damit die Magie aufgehoben werden kann!«

»Ich bin nicht sicher, ob er so richtig magisch ist«, sagte Willa hoffnungsvoll. »Er ist nur einfach ein bisschen … beweglich …«

»Natürlich ist er magisch!«, blaffte Griffel sie an. »Gewöhnliche Löffel hüpfen nicht herum, nur weil sie gestreichelt werden wollen, sondern bleiben einfach still und leise liegen oder füttern dich mit Suppe! Und jetzt schaut Euch den hier mal an! Jetzt verbeugt er sich sogar vor mir!«

»Ja, stimmt«, sagte Willa stolz. »Ist er nicht total süß und clever?«

Griffel verschlug es beinahe die Sprache. »Das … das ist nicht clever! Ihr verstoßt damit gegen so viele Regeln, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann! Woher habt Ihr überhaupt diesen Löffel?«

»Er ist einfach eines Tages in meinem Zimmer aufgetaucht wie eine Maus oder so. Deshalb hab ich ihm ein bisschen Milch gegeben und seither bleibt er immer in meiner Nähe … Irgendwie ist das ganz nett, denn vorher war ich immer ein bisschen einsam. Bist du nie einsam, Griffel?«

»Doch, schon, ab und zu«, gab Griffel zu. »Die anderen Hilfsleibwächter reden nicht mehr mit mir, weil ich bei der Prüfung so gut abgeschnitten habe und dann zu Eurem persönlichen Hilfsleibwächter ernannt wurde. Jetzt halten sie mich für arrogant … Aber wartet mal! Darum geht es doch gar nicht! Sondern darum, dass Ihr es Eurer Mutter sofort erzählen müsst, wenn ein verzauberter Gegenstand im Kriegerfort auftaucht. Damit Königin Sychorax den Zauber entfernen kann! Man darf so einen Gegenstand auf gar keinen Fall als Schoßtier halten!«

Als der Löffel den Namen der Königin hörte, schwankte er hin und her, als hätte er den größten Schrecken seines Löffellebens erlebt. Dann sprang er mit einem Satz in Willas Wams und kroch unter ihre Rüstung, bis nur noch der runde, breite Löffelkopf mit dem kleinen Gesicht ängstlich herausschaute, das in einem seltsamen...