Hüftarthroskopie - Praxisbuch für die gelenkerhaltende Chirurgie

von: Christian Sobau, Gregor Möckel, Hans Gollwitzer

Georg Thieme Verlag KG, 2018

ISBN: 9783132422179 , 292 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 83,99 EUR

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Hüftarthroskopie - Praxisbuch für die gelenkerhaltende Chirurgie


 

1 Anatomie des Hüftgelenks


1.1 Zentrales Kompartiment


M. Bohnsack

1.1.1 Einleitung


Der Begriff „zentrales Kompartiment“ wurde bereits zu Beginn der Hüftarthroskopie aus der technischen Notwendigkeit heraus geprägt, einen Teil des Gelenks ausschließlich mit Traktion arthroskopieren zu können. Dagegen kann der zweite Bereich, das „periphere Kompartiment“, mit und ohne Traktion eingesehen werden. Neben der anatomischen Trennung besteht somit auch für den Ablauf der Operation eine organisatorische Trennung zwischen den beiden Arbeitsbereichen. Trotz der enormen Entwicklung der Methode Hüftarthroskopie hat sich bislang kein einheitlicher Standard darüber durchsetzen können, welches Kompartiment in der Reihenfolge als erstes arthroskopiert werden sollte. Während die Vertreter der Peripher-first-Methode den nachfolgend sicheren und unter Sicht angelegten Zugang zum zentralen Kompartiment als Argument zur Vermeidung iatrogener Knorpelschäden anführen, besteht aus Sicht der Central-first-Operateure ein Vorteil darin, vor der aufwendigen peripheren Impingement-Korrektur eine zuverlässige Information über den zentralen Knorpelstatus zu bekommen.

Getrennt werden die beiden Kompartimente durch das Labrum acetabulare und das Lig. transversum ( ▶ Abb. 1.1). Das zentrale Kompartiment stellt den biomechanisch belasteten Anteil des Hüftgelenks dar. Anatomisch gehören dazu die artikulierenden Knorpelflächen des Hüftkopfs und des Acetabulums, das der Hüftpfanne fest ansitzende und das zentrale Kompartiment versiegelnde Labrum acetabulare und das Lig. capitis femoris mit seinem Ursprung in der Fovea centralis. Auf diese Strukturen wird in Kap. ▶ 1.1.4 und Kap. ▶ 1.1.5 gesondert eingegangen.

Schematische Darstellung des zentralen und peripheren Kompartiments.

Abb. 1.1 

Die möglichst vollständige und übersichtliche arthroskopische Darstellung der Strukturen im zentralen Kompartiment ist die Basis einer erfolgreichen Behandlung möglicher pathologischer Veränderungen. Für die Beschreibung der Lokalisation etwaiger pathologischer Veränderungen im zentralen Kompartiment hat sich die „Ziffernblattmethode“ durchgesetzt (Blankenbaker et al. 2007; ▶ Abb. 1.2). Hierbei wird das Ziffernblatt gedanklich für die Gegenseite invertiert, wobei die 6-Uhr-Position immer dem Lig. transversum entspricht und die 3-Uhr-Position immer ventral liegt. Das bedeutet, dass grundsätzlich an einem rechten Hüftgelenk dokumentiert wird. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch die Dokumentation entsprechend Ilizaliturri et al. (2009) genannt, welche komplexer und daher weniger gebräuchlich ist. Da es auch unter Traktion im zentralen Kompartiment sehr eng ist, werden ein systematisches Vorgehen über Standardportale und eine reproduzierbare Befunddokumentation für das zentrale Kompartiment empfohlen.

Zur verständlichen Darstellung der Lokalisation von Pathologien im zentralen Kompartiment gilt die „Ziffernblatteinteilung“.

Abb. 1.2 Zu beachten ist die spiegelverkehrte Einteilung des Ziffernblatts an den Hüftgelenken.

Abb. 1.2a Hüftgelenk rechts.

Abb. 1.2b Hüftgelenk links.

1.1.2 Azetabuläre Gelenkfläche


Die konkave Gelenkfläche des Acetabulums hat die Form eines umgedrehten Hufeisens, die Facies lunata. Der untere Anteil besteht aus der azetabulären Notch mit der Fossa acetabuli und dem Lig. capitis femoris. Der hyaline Knorpel der Gelenkfläche zeigt seine größte durchschnittliche Dicke mit 1,83 mm in der Zone der höchsten Belastung superolateral (Athanasiou et al. 1994), während die übrige Dicke im Mittel lediglich 1,23 mm beträgt. Zwischen dem belasteten hyalinen Knorpel und dem knöchernen Acetabulum liegt eine kalzifizierte Knorpelschicht. Zwischen den Hörnern der azetabulären Gelenkfläche liegt die Fossa acetabuli mit dem Lig. capitis femoris und dem Lig. transversum am Unterrand. Die Fossa ist neben dem Band mit einem gut kapillarisierten Fettgewebe (Pulvinar) und Bindegewebe ausgefüllt und mit einem synovialen Überzug ausgekleidet. Am Oberrand der Fossa acetabuli liegt in unregelmäßiger Ausprägung eine gut von der hyalinen Gelenkfläche des Acetabulums abgrenzbare, etwa 1–2 cm2 messende Zone mit Faserknorpel, die „stellate crease“ ( ▶ Abb. 1.3). Hierbei handelt es sich offenbar um eine verbliebene Narbenbildung aufgrund eines unvollständigen Verschlusses der Wachstumsfugen (Y-Fuge). Bei besonders starker Ausprägung wird diese als Fossa supraacetabulare bezeichnet. Weitere vollständige oder inkomplette Unterbrechungen der azetabulären Knorpelfläche können sich als Normvariante Inzisuren gelenkseits der alten Wachstumsfugen darstellen. Diese finden sich häufiger im Vorderhorn als im Hinterhornbereich der Facies lunata.

Randständig superior der Fossa acetabuli anliegende und in die azetabuläre Gelenkfläche hereinragende und mit Faserknorpel ausgekleidete „stellate crease“ (Pfeile).

Abb. 1.3 Blick über das laterale Portal in einem linken Hüftgelenk.

Merke

Die Kenntnis der Normvarianten ist für eine adäquate Beurteilung physiologischer und pathologischer Befunde grundlegende Voraussetzung.

Bei geringen Belastungen findet sich zwischen dem Hüftkopf und dem Acetabulumknorpel lediglich eine anteriore und eine posteriore Kontaktfläche. Bei höheren Belastungen migriert der Kopf nach cranial mit einer zunehmenden Belastung der Kontaktfläche am Zenit der Hüftpfanne. Diese Migration benötigt bei jungen Erwachsenen etwa 50 % und bei älteren Erwachsenen 25 % des Körpergewichts (Greenwald u. O’Connor 1971). Biomechanische Arbeiten konnten eine Deformierung des Acetabulums unter Last zeigen mit einer Verschiebung der Kontaktflächen und Druckverteilung, je nach Hüftposition.

1.1.3 Femorale Gelenkfläche


Der gesamte Hüftkopf ist bis auf eine Aussparung an der Insertion des Lig. capitis femoris (Fovea capitis femoris) von hyalinem Gelenkknorpel überzogen. Oberhalb der Fovea capitis femoris ist der Knorpel belastungsbedingt mit etwa 4 mm am dicksten mit einer kontinuierlichen Abnahme der Knorpelstärke zum Gelenkrand. Verschleißbedingte fokale Knorpelschäden treten am Hüftkopf erst im fortgeschrittenen Arthrosestadium auf. Mit dem Tasthaken gut zu palpierende subchondrale Erweichungen und Einrisse des femoralen Knorpels finden sich bei einer Erkrankung des tragenden Knochens am Hüftkopf. Als Ursachen sind in seltenen Fällen eine Osteochondrosis dissecans und häufiger eine Hüftkopfnekrose bekannt. Wesentliche Normvarianten sind für den artikulierenden, gelenkbildenden Teil des Hüftkopfs im zentralen Kompartiment nicht beschrieben.

1.1.4 Labrum acetabulare


Das Labrum acetabulare ist ein kräftiger Faserknorpel, welcher sich durchgehend dem knöchernen Acetabulumrand anlegt, mit dichtem Bindegewebe an seiner äußeren Zirkumferenz. Es überspannt den gesamten Pfannenrand, einschließlich der azetabulären Notch, wo es in das transverse Ligament übergeht. Das tranverse Ligament verbindet das anteriore Horn des Labrum acetabulare mit dem posterioren Horn und schließt das zentrale Kompartiment anatomisch und funktionell nach inferior ab. Durch das Lig. transversum entsteht zusammen mit dem Labrum eine über den Äquator des Hüftkopfs greifende Ringstruktur mit einer offenbar signifikanten Bedeutung für die Spannungsverteilung an der Hüftpfanne, die Gelenklubrikation und die stabilisierende Vakuumfunktion (Konrath et al. 1998). Die Form des Labrum acetabulare ist im Querschnitt triangulär, mit der Basis fest am knöchernen Pfannenrand aufsitzend. Sowohl die Basis als auch die Dicke des Labrum acetabulare betragen zwischen 0,5 und 1 cm mit einer zunehmenden Breite bei dysplastischen Hüften. Die Gelenkkapsel liegt dem Außenrand des Labrums an und bildet dort eine Umschlagfalte, den supralabralen oder auch perilabralen Sulcus, mit einer Tiefe zwischen 6,6 mm anteroinferior und 7,9 mm posteroinferior (Seldes et al. 2001). Die arterielle Blutversorgung des Labrum acetabulare erfolgt über radiale Äste des periazetabulären Gefäßrings (Kalhor et al. 2010). Dieser Ring wird im vorderen Anteil von der superioren und im hinteren Anteil von der inferioren Glutealarterie gespeist. Die radialen Gefäßäste verlaufen auf der periostalen Oberfläche des Acetabulums, penetrieren die Kapsel insertionsnah und ziehen über den kapsulären Anteil des Labrums und terminieren an seinem freien Rand (Itokazu et al. 1997). Mit etwa zwei Dritteln findet sich der größte...