Ich bin nicht für halbe Portionen - Essen und Trinken mit Theodor Fontane

von: Theodor Fontane, Luise Berg-Ehlers, Gotthard Erler

Aufbau Verlag, 2018

ISBN: 9783841216205 , 139 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 3,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Ich bin nicht für halbe Portionen - Essen und Trinken mit Theodor Fontane


 

Ein gutes Frühstück dauert bis zum Abend
Echte und unechte Dejeuners


Mitunter, wenn ich beim Frühstück sitze,

Kommen mir alle die alten Witze …

1885

Ich begann mit Austern und Chablis


Der Marsch aus dem »Tannhäuser« klang noch, als ich in mein »Hôtel royal« wieder zurücktrat. Es war Dejeunerzeit. Ich begann wie billig mit Austern und Chablis. Diesen Luxus, wenn es an dieser Stelle überhaupt einer war, empfand ich wie eine Pflicht. Ich hatte mich in Epernay und Reims (wer tränke einsam Champagner?) mit einem »bock« begnügt, aber nun auch – nach Analogie jenes vormärzlichen Landsmanns, der, zweimal an dem Eckladen vorübergehend, das dritte Mal um so sicherer überzeugt war, sich für seine Enthaltsamkeit belohnen zu müssen – glaubte auch ich mir ein Anrecht auf das natürliche Gewächs des Meeres, die Auster, erworben zu haben. Sie kam in jener nicht genug zu bewundernden Gestalt, die zwischen der großen holsteinschen und den kleinen Whitstables die richtige Mitte hält, und ich darf sagen, seit jenem schönen Maitage 1864, wo ich mit Dr. H. (den ich hiermit schönstens grüße) in »Wilkens Keller« die ohnehin frischen Düppelreminiszenzen mit Château d’Yquem noch frischer machte, hatt’ ich so nicht wieder gefrühstückt. Denn ein echtes Frühstück, man täusche sich darüber nicht, ist rar wie alles Schöne und Große. Es muß im Vordergrunde Stimmung und im Hintergrunde Erinnerungen haben. Hier in Dieppe hatt ich beides, und so erschien mir denn wieder einmal einer jener

rätselhaft gebornen

Und, kaum begrüßt, verlornen

Augenblicke (wie Lenau das Glück definiert), ein Glückesaugenblick, sag ich, dessen ich um so dankbarer gedenke, als er es mit seiner Zeitbegrenzung nicht allzu peinlich nahm. Im Gegenteil. Es hing Gewicht sich an Gewicht, und die dritte Stunde war vorüber, als ich mich geländerfest auf mein Zimmer hinauffühlte.

Aus den Tagen der Okkupation

Englisches Frühstück


Lassen Sie mich in möglichster Kürze schildern, wie ein Tag verläuft. Nach abgehaltener Morgenandacht versammelt sich alles beim Frühstück: Kaffee und Tee, Hammelbraten und Eier, Speckschnitte und geröstetes Weißbrot machen die Runde am Tisch, und unter Essen und Trinken, Sprechen und Lachen vergeht eine volle Frühstücksstunde.

Ein Sommer in London

Eine Blechkanne mit mäßig starker Lurke


Durch Herrn du Rieux – an den ich durch Herrn Lange (dies ist eine Notiz für Mutter Kummer u. Frau Lieutenant Maul) empfohlen war – ward ich veranlaßt, hier, in unmittelbarer Nähe der Noblesse, meine Wohnung zu nehmen. Ich bezahle wöchentlich 12 Shilling für Wohnung, 5 Shilling für Heizung (es ist hundekalt) und 16 Shilling für Kaffe (Morgens) und Thee (Abends). Macht 33 Shilling (gerade 11 Rthr) pro Woche, pro Monat also 44 Thaler. Dies ist einmal überhaupt (für einen norddeutschen Geldbeutel) kolossal, und ist in specie unverschämt für das, was geboten wird. Wenn sich die Engländer für ihre Frühstücke (d. h. Kaffe mit Imbiß) 1 Shilling bezahlen lassen, so ist das unter Umständen durchaus nicht zuviel, sondern gegentheils noch billig. Man erhält alsdann auf silbernem Kaffebrett 2 silberne Kannen, mit Kaffe und Thee gefüllt, dazu Butter, Milch, 2 Arten Weißbrot, Zucker (soviel man will) und Eier. Wer in solch Frühstück einzuhauen versteht (und es lernt sich) der sorgt gewissenhaft dafür, daß sein Wirth nicht zum reichen Manne wird. Aber von solchem Frühstück ist hier gar nicht die Rede: man kriegt eine Blechkanne mit trüber, mäßig-starker Lurke gefüllt, – fabelhaftes Zeug das den Namen ›Milch‹ usurpirt, Zucker und Weißbrot, und würde den ganzen Kram mit einem halben Shilling (5 Sgr) über den Kopf bezahlen.

An die Mutter, London, 28./29. April 1852

Frühstück mit Blindgänger


In solcher Stimmung erreichten wir die Villa des Herrn Maistle. Ein angenehmer Duft, der unverkennbar aus dem Souterrain kam, zog über den Flur. Mit der ganzen Begehrlichkeit eines ungefrühstückten Menschen traten wir in das Eßzimmer, ohne Ahnung davon, in wie eigentümlicher Weise uns der Genuß dieser Stunde getrübt werden sollte.

Eh wir uns noch setzen konnten, trat nämlich der Hausmeier an uns heran, um, wie er sich ausdrückte, in einer delikaten Angelegenheit unseren Rat zu erbitten. Wir folgten unverzüglich. Es ging einen Gartensteg entlang, dann einen zweiten, bis wir an einem Teil der Einfassungsmauer standen, der gerade hier einen prächtigen, am Spalier gezogenen Aprikosenbaum zeigte. Zu Füßen ebendieses Aprikosenbaums lag eine umgestülpte Kiste, auf die der Hausmeier hinwies. Die Situation schien weiter nichts Bedrohliches zu haben. Nach meiner Meinung konnte sich unter dieser Kiste nur zweierlei befinden, entweder ein Igel oder eine Schildkröte. Ich entsann mich deutlich, in Zeiten, die nicht mehr sind, diesen vielbenachteiligten Kreaturen (weil nur auf die Defensive eingerichtet) eine ähnlich kummervolle Wohnung angewiesen zu haben. Es kam aber anders. Was da drunter lag, war so offensiv wie möglich; – der Hausmeier nahm die Kiste weg, und eine vierundzwanzigpfündige unkrepierte Granate sprach zu unseren Blikken. Gleichzeitig erging die Frage an uns, was er damit machen solle. Wie aus einem Munde riefen wir: »Zunächst zudecken, liegenlassen; das andere wird sich finden.« Wir schritten nun wieder auf das Haus zu und proponierten unterwegs, unmittelbar nach unserem Aufbruch (dies nach wurde sehr betont) ein unglaublich tiefes Loch zu graben und in diesem Loch die Granate zu bestatten. Dies schien auch angenommen zu werden. So setzten wir uns denn zu Tisch. Das Rührei kam, auch der Taraxacum-Salat, aber wir kauten etwas hoch, – die Seele aller Fröhlichkeit, die Unbefangenheit, war hin. Draußen am Aprikosenbaum, keine fünfzig Schritt von uns entfernt, lag die unkrepierte Riesengranate. Riesenschlange wäre nicht unbehaglicher gewesen.

Endlich waren wir mit unserem Dejeuner zu Ende. Wir traten in den Garten, um uns unserem freundlichen Vizewirt zu empfehlen. Alles war gut abgelaufen; da, kaum zu glauben, stand der Unglückselige wieder vor dem umgestülpten Kasten und mit ihm zwei Unteroffiziere von der Gardeartillerie. Also Leute von Fach. Aber das eben war das schlimmste. Wenn gesagt worden ist: die Kirche ist am meisten durch ihre Diener gefährdet worden, so kann man dasselbe auch von der Granate sagen. Die Gefahr sind und waren immer die Sachverständigen. Ihre Sachverständigkeit erstirbt in ihrer Sicherheit. Diese Tatsache war uns glücklicherweise gegenwärtig. Wir machten es also mit unserem Abschiede kurz, nahmen dann Deckung und rückten fünf Minuten später in Villemomble ein, ohne bis dahin den Knall gehört zu haben, auf den wir warteten.

Aus den Tagen der Okkupation

Wissen Sie noch, wie ich Ihnen damals das Ei brachte?


Nach dieser Seite hin hat Baron von Seld, der bekannte Temperenzapostel, die Märker am treffendsten geschildert.

Dieser (Baron Seld) war einmal einen Winter lang auf einem sogenannten märkischen »Schloß« zu Besuch, und weil ihm (er hatte viel Zeit) zu Ohren kam, die Krügersfrau wolle, nächste Ostern, ihren Jungen auf die Stadtschule schicken, so bot er sich an, den Jungen dazu vorzubereiten. Er gab ihm täglich zwei Stunden, von zehn bis zwölf. Das ging so monatelang. Eines Tages trat die Krugwirtin um elf ins Zimmer und brachte Herrn von Seld ein Ei zum Frühstück. Es war so klein, daß er nicht wußte, ob es ein Hühner- oder Taubenei sei; er dankte indes und aß es. Sieben Jahre später, der Junge war schon lange wieder von der Schule herunter, begegnete Baron Seld, und zwar in Berlin in der Leipziger Straße, der Krugwirtin, die nun mit jener naiven Ungeniertheit, die ebenfalls zu den charakteristisch märkischen Zügen gehört, auf ihn zutrat und ihm ihre Patsche reichte. Fing auch sofort an zu sprechen. Wovon sie aber sprach, das war weder der Junge noch der Unterricht, den Baron Seld dem Jungen aus gutem Herzen gegeben, sondern war das Ei. »Wissen Sie wohl noch, Herr Baron, wie ich Ihnen damals das Ei brachte?«

Die Märker und die Berliner

Vom Patriotismus gefrühstückter Leute


Unter allen Umständen aber sollten wir dessen eingedenk sein, daß es für gefrühstückte Leute leicht ist, über Hunger zu plaudern, und daß diejenigen, deren Patriotismus eben von einer guten Mahlzeit kommt, nicht allzu hart urtheilen sollten über diejenigen, deren Vaterlandsgefühl durch bittere Tage der Entbehrung gegangen ist.

Reisebriefe vom Kriegsschauplatz Böhmen 1866

Milch oder Kaffee – Leopold Treibel in Treptow


Gegen halb acht war er draußen, und einen halbwachsenen Jungen mit nur einem Arm und dem entsprechenden losen Ärmel (den er beständig in der Luft schwenkte) heranwinkend, stieg er jetzt ab und sagte, während er dem Einarmigen die Zügel gab: »Führ es unter die Linde, Fritz. Die Morgensonne sticht hier so.« Der Junge tat auch, wie ihm geheißen, und Leopold seinerseits ging nun an einem von Liguster überwachsenen Staketenzaun auf den Eingang des Treptower Etablissements zu. Gott sei Dank, hier war alles wie gewünscht, sämtliche Tische leer, die Stühle umgekippt und auch von Kellnern niemand da als sein Freund Mützell, ein auf sich haltender Mann von Mitte der Vierzig, der schon in den Vormittagsstunden einen beinahe fleckenlosen Frack trug und die Trinkgelderfrage mit einer erstaunlichen, übrigens von Leopold (der immer sehr splendid...