Menschen mit arbeitsbedingten Verletzungen und Erkrankungen - Leitlinien der Ergotherapie, Band 7

von: Vicki Kaskutas, Jeffrey Snodgrass, AOTA

Hogrefe AG, 2018

ISBN: 9783456957869 , 192 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 35,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Menschen mit arbeitsbedingten Verletzungen und Erkrankungen - Leitlinien der Ergotherapie, Band 7


 

3 Der ergotherapeutische Prozess bei Menschen mit arbeitsbedingten Verletzungen und Erkrankungen

Ergotherapeuten (und Ergotherapie-Assistenten, siehe Anhang C) arbeiten in verschiedenen Settings mit Menschen, die durch arbeitsbedingte Verletzungen und Erkrankungen anhaltend beeinträchtigt sind. Am häufigsten finden ergotherapeutische Interventionen ambulant in einem Krankenhaus oder in einer Praxis statt. Zudem begegnet Ergotherapeuten dieses Klientel in Rehabilitationskliniken oder in arbeitsmedizinischen Einrichtungen, die Testverfahren zur arbeitsbedingten funktionellen Leistungsfähigkeit (Functional Capacity Evaluations: FCEs), Arbeitsund Belastungstraining (Work Hardening, Work Conditioning) und Ergonomieberatung anbieten.

In einigen Fällen beginnt die ergotherapeutische Intervention bereits während des stationären Aufenthaltes auf der Intensivstation. Darüber hinaus kann die Ergotherapie für Klienten, denen es nicht möglich ist, zur ambulanten Praxis zu gelangen, auch als Hausbesuch durchgeführt werden. Weitere Dienstleistungen können am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Klienten, die an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, profitieren von diesen ergotherapeutischen Angeboten (on-the-job occupational therapy services), in deren Rahmen die sichersten Arbeitsmethoden identifiziert, Arbeitsumgebung und -abläufe modifiziert und das Symptommanagement überwacht werden können.

Der Überweisungs- und Evaluationsprozess variiert je nach Setting der Intervention, allerdings liegt der Fokus der Ergotherapie in allen Bereichen auf der Beteiligung des Klienten in für ihn bedeutungsvolle Alltagsaktivitäten. Für Klienten mit einer berufsbedingten Verletzung oder Erkrankung steht die Arbeitsfähigkeit im Vordergrund. Die Ergotherapeutin berücksichtigt sowohl intrinsische Faktoren des Klienten (Performanzfertigkeiten, Körperfunktionen, Körperstrukturen) als auch extrinsische Faktoren (Arbeitsumfeld, Anforderungen des Arbeitsplatzes), da diese ausschlaggebend für die Arbeitsfähigkeit sind. Der Interventionsschwerpunkt liegt bei den funktionellen Fähigkeiten des Klienten, damit dieser den Anforderungen der Arbeit gewachsen ist, Anpassungen implementieren kann sowie Gewohnheiten und Routinen entwickelt, welche ihm bei der Durchführung von beruflichen Aufgaben unterstützen. Der ergotherapeutische Prozess verläuft in den verschiedenen Bereichen immer gleich. Er beginnt mit der Überweisung und einer Evaluation, danach folgt die Intervention und endet mit der Nachsorgeplanung und der weiteren Intervention.

3.1 Beginn der ergotherapeutischen Intervention

Die Unterbrechung der Arbeitsfähigkeit kann viele Auswirkungen auf Klienten haben. Viele Klienten beginnen, sich selbst als „Klienten“ zu sehen, deren Aufgabe es ist, sich auszuruhen, Medikamente zu nehmen und beispielsweise Dehnübungen durchzuführen.

Daher ist es wichtig, Klienten mit einer arbeitsbedingten Verletzung oder Erkrankung zu unterstützen, in ihren Rollen zu verbleiben. Dies beinhaltet auch die Rolle des Arbeitnehmers. Sobald es medizinisch sinnvoll erscheint, sollten Klienten mit der ergotherapeutischen Intervention beginnen. Der therapeutische Schwerpunkt liegt zunächst im Bereich der Selbstversorgung, wird sich aber im Verlauf der Intervention schnell auf die Durchführung von häuslichen, sozialen und arbeitsrelevanten Aktivitäten verlagern.

Arbeitstherapeutische Assessments können, sobald es der medizinische Zustand zulässt, durchgeführt werden. Falls die Klienten für einen längeren Zeitraum die Rolle des Klienten eingenommen haben, kann es für sie schwierig sein, wieder die Rolle des Arbeitnehmers einzunehmen. Für den Erfolg der Arbeitsrehabilitation ist es jedoch wichtig, dass Klienten diesen phasenhaften Rollenwechsel durchlaufen. Durch die frühzeitige Erhebung der Arbeitsfähigkeit können arbeitsbezogene Ressourcen ermittelt werden, die eine Wiederaufnahme der Arbeit (restriktiv oder unter speziellen Voraussetzungen) unterstützen. Je früher Klienten mit der arbeitsorientierten Ergotherapie beginnen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Rolle als Arbeitnehmer beibehalten wird. In einigen Fällen reichen kleine Anpassungen des Arbeitsplatzes aus. In anderen Fällen muss erst eine berufsbezogene Ergotherapie durchgeführt werden, um die Anforderungen des Arbeitsplatzes sicher zu erfüllen. Klienten, die in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sind, bekommen üblicherweise eine Überweisung für eine ergotherapeutische Evaluation und Intervention. Für spezielle Interventionsverfahren, wie z. B. eine Bewertung der funktionellen Leistungsfähigkeit, Work Hardening oder Work Conditioning, kann ebenfalls eine Überweisung erfolgen. Die Überweisung sollte folgende Punkte beinhalten: Grund der Überweisung, medizinische Diagnose, aktuelle Intervention, medizinische Freigaben und Beeinträchtigungen und die aktuelle Medikation. In den meisten Ländern initiiert der Arbeitgeber, der Kostenträger oder der Klient die Überweisung zur Ergotherapie. Allerdings wird in vielen Staaten eine Überweisung für die Ergotherapie von zugelassenen Ärzten oder anderem medizinischen Fachpersonal gefordert. Mehrere Staaten fordern zwar die Überweisung eines Arztes für eine Intervention, jedoch nicht für die ergotherapeutische Evaluation oder für eine präventive oder ergonomische Beratung.

In Ländern, in denen eine Überweisung des Arztes nicht erforderlich ist, wird diese jedoch von den Ergotherapeuten gefordert, um die Anforderungen der Kostenträger zu erfüllen. Einige Interventionsverfahren benötigen eine vorherige Autorisierung durch den Kostenträger. Auch Entschädigungsansprüche und Versicherungsanforderungen können eine Überweisung für Dienstleistungen verlangen. Wenn eine ergotherapeutische Intervention am Arbeitsplatz erbracht wird, müssen die von dem staatlichen ergotherapeutischen Praxisgesetz vorgeschriebenen Überweisungsanforderungen eingehalten werden. Im Folgenden sind verschiedene Personengruppen aufgelistet, die eine Überweisung zur Ergotherapie ausstellen können: