Bis dass der Tod euch scheidet

von: Justin C. Skylark

dead soft verlag, 2018

ISBN: 9783960892298 , 336 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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Bis dass der Tod euch scheidet


 

 

Kapitel 2


 

Dylans Flug führte ihn von London zum Osloer Airport Gardermoen. Dort mietete er sich ein Auto, um den weiteren Weg Richtung Zentrum zu nehmen. Er wollte allerdings nicht in die Stadtmitte, sondern in den Stadtteil Nydalen.

Gut fünfzig Kilometer musste er zurücklegen, bis er in der Nähe eine Unterkunft fand und in dem Radisson Hotel Nydalen einchecken konnte.

Von dort ging es weiter, denn er war noch nicht an seinem Ziel angekommen. Zudem besaß er nur dürftige Hinweise auf den derzeitigen Aufenthaltsort von Fahlstrøm.

Im Hotel hatte man ihn lediglich angelächelt, als er sich nach einem Thor Fahlstrøm erkundigte. Offensichtlich kannte man den Mann dort nicht, was für die Qualität des Vier-Sterne-Hotels sprach. Oder man vermied den Dialog über diesen obskuren Menschen, den Dylan, je mehr er sich mit der Angelegenheit befasste, unbedingt kennenlernen wollte.

Mit dem Auto erkundete er die umliegende Region. In einer belebten Einkaufspassage hielt er an, um ein Stück zu Fuß zu gehen.

Obwohl er schlicht angezogen war: mit enger schwarzer Hose und einer dicken Zip-Jacke, sahen ihn einige Menschen merkwürdig an. Lag es an seinen dunkel geschminkten Augen?

Als er es wagte, den Ersten anzusprechen, erhielt er keine Antwort.

Er konnte kein Norwegisch, doch das war nicht das Problem, denn die meisten sprachen hier perfektes Englisch.

„Excuse me“, startete er einen neuen Versuch, dabei berührte er einen ebenfalls schwarz gekleideten Mann am Arm. „Ich suche einen Thor Fahlstrøm. Wissen Sie zufällig, wo der wohnt?“

Der junge Mann blitzte ihn mit scharfem Blick an. „Ich weiß es nicht genau und um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen.“

Eine weitere Antwort folgte nicht. Dylan seufzte. So würde er nie weiterkommen, doch den genauen Wohnort von diesem Black Metaller, wusste er beim besten Willen nicht.

Er ließ seine Blicke schweifen, und jene landeten schließlich auf einer Postfiliale. Die Angestellten konnten ihm doch sicher weiterhelfen!

Zielstrebig kehrte er dort ein und setzte ein freundliches Lächeln auf.

„Sorry, aber ich bin auf der Suche nach einem Mann namens Fahlstrøm. Die genaue Adresse habe ich leider nicht. Können Sie mir weiterhelfen?“

Auch der Postbeamte sah ihn befremdend an. Nicht unbedingt unfreundlich, aber in einem gewissen Maße erstaunt und zweifelnd.

Thor Fahlstrøm?“, erkundigte er sich.

Dylan atmete auf. „Ja, genau. Sie haben doch sicher ein Adressregister oder Ähnliches, ich …“

Weiter kam er nicht. Der Postbeamte begab sich an den Computer und tippte dort den Namen ein. Inzwischen war ein Kollege von ihm dazugekommen. Leise tuschelten sie. Dylan verstand kein Wort, dennoch bemerkte er, dass sie über ihn redeten und dabei den Kopf schüttelten.

„Nordberg, Sognsveien“, sagte der Postbeamte schließlich. Dylan hatte derweilen ein Notizzettel und Stift hervorgekramt, um alles schriftlich festzuhalten, aber weitere Informationen kamen nicht hinzu.

„Und wo finde ich das?“, erkundigte er sich, doch der Beamte ließ ihn einfach stehen.

„Es tut mir leid, wir haben zu tun.“

 

Seufzend trat Dylan zurück auf den Bürgersteig. Noch immer wusste er nicht, wohin. Aber immerhin war er einen Schritt weiter. Fahlstrøm war hier ein Begriff, das war ihm längst klar geworden. Doch dass ihm niemand die genaue Anschrift geben konnte oder wollte, ließ vermuten, dass er nicht direkt in Oslo wohnte, sondern außerhalb.

Dylan begab sich in einen Coffeeshop. Dort wärmte er sich auf. Obwohl es Anfang April war, herrschten in Norwegen winterliche Wetterverhältnisse.

Geistesabwesend schlürfte er seinen Kaffee, als er draußen auf der Straße ein Mädchen erblickte. Sie war dunkel gekleidet, hatte rot gefärbte Haare, ein blasses Gesicht und tiefschwarz geschminkte Augen. Ein Szene-Girl, ohne Zweifel; die kam wie aus heiterem Himmel und betrat zu Dylans Freude ebenfalls den Laden.

Als sie ihre Bestellung aufgegeben und sich gesetzt hatte, wagte Dylan einen erneuten Anlauf.

„Entschuldige“, fing er an und versuchte ein warmherziges Lächeln. Das kam bei den Fans immer an, obwohl er vermutete, dass das Mädchen ihn nicht sofort erkannte.

Kannte man ihn hier überhaupt? Hatten sie viele Platten in Norwegen verkauft? Er musste Tony unbedingt danach fragen.

„Ich suche Nordberg, die Straße Sognsveien …“

Das Mädchen nickte. „Ja, kenne ich. Ist ein paar Minuten von hier entfernt.“

Dylan schien erleichtert. Spontan setzte er sich mit an den Tisch.

„Wahnsinn!“, erwiderte er. „Kannst du mir den Weg beschreiben?“

„Klar, wo genau musst du denn hin? Sognsveien ist eine lange Straße, die verläuft sich quasi im Nichts.“

„Oh …“ Dylans Euphorie war sogleich erloschen. „Na ja“, druckste er herum. „Um ehrlich zu sein … Ich suche einen Mann, Thor Fahlstrøm.“

Als er das ausgesprochen hatte, setzte das Mädchen ihren Becher Kaffee geräuschvoll ab.

„Echt jetzt?“ Ihre Stimme klang fassungslos.

Es entlockte Dylan sofort ein verunsichertes Lächeln.

„Ist das so ungewöhnlich?“

Das Mädchen deutete ein Nicken an. „Schon. Mit dem will doch sonst niemand was zu tun haben.“

Aha! Jetzt wurde es interessant. Dylan beugte sich etwas vor. Es musste sie ja nicht unbedingt jeder belauschen.

„Wieso? Was ist denn mit dem?“, fragte er neugierig.

Sie zuckte mit den Schultern. „So genau kann ich es nicht sagen, aber er scheint gefährlich zu sein. Die Leute mögen ihn nicht, sie hätten gern, dass er hier nicht mehr wohnen würde.“ Sie sah Dylan fast vorwurfsvoll an. „Weißt du denn nicht, was man über ihn sagt?“

„Ja, doch, schon.“

Hatte er tatsächlich alles gelesen? Das meiste hatte er doch für pure Spinnerei gehalten. Und keine Ammenmärchen der Welt sollten ihn von seinem Vorhaben abbringen.

„Ich will ihn trotzdem besuchen. Rein geschäftlich, verstehst du?“

War es wirklich geschäftlich? Oder doch eher privat?

Das Mädchen holte tief Luft, nahm den Zettel von Dylan in die Hand und skizzierte den Weg.

„Du musst den Stadtteil Nordre Aker ganz durchfahren, bis du im Bezirk Nordberg ankommst. Am besten fährst du Maridalsveien, dann links auf die Carl Kjelsens Vei, und weiter rechts auf die Sognsveien, bis dich die Straße in Richtung des Sees Sognsvaten führt.“

Sie zeichnete Dylan alles auf, und der war sichtlich dankbar dafür.

„Und dann?“

„Immer weiter.“

„Ja, und ...“ Dylan runzelte die Stirn. „Wo wohnt Thor Fahlstrøm?“

Zähneknirschend sah sie ihn an. „So genau weiß ich es nich … Aber irgendwo in der Nähe der Seen Sognsvaten und Svartkulp. Sein Haus soll am Waldrand stehen, du wirst es sicher nicht verfehlen.“

Dylan lachte spöttisch. „Und wenn ich mich verfahre?“

Da grinste das Mädchen frech. „Es gibt nur die eine Straße dort, das wirst du schon finden.“

Dylan nickte. Ängstlich und dumm wollte er sich auf keinen Fall präsentieren, schon gar nicht vor einem ihm fremden Mädchen. Er sah sie schief an.

„Warst du schon einmal dort?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Und woher weißt du das alles so genau?“

„Man spricht eben viel darüber“, sagte sie nur, und bevor sie sich erhob und ging, sah sie Dylan mitleiderregend an. „Ich wünsche dir wirklich viel Glück.“

 

Kurz darauf machte sich Dylan auf den Weg. Es war nachmittags, die Tage noch kurz. In der Nacht würden die Temperaturen bis unter den Nullpunkt sinken. Und auch am Tage war es nur um wenige Grad wärmer.

Er wollte das Treffen schnell hinter sich bringen und spätestens zur Dämmerung zurück im Hotel sein, um Tony von seinem Erfolg zu berichten.

Doch erst einmal finden - diesen Thor Fahlstrøm.

Die Skizze des Mädchens war jedoch hilfreich. Dylan folgte der Schnellstraße, bis er wie beschrieben links abfuhr, dem Weg weiter folgte und schließlich rechts in die Sognsveien abbog. Er hielt sich peinlich genau an die Verkehrsregeln, das hatte ihm das Mädchen noch eindringlich empfohlen. Verkehrssünder wurden in Norwegen nicht gerade zimperlich behandelt. Und eine Geldstrafe oder gar einen Gefängnisaufenthalt, wollte er auf keinen Fall riskieren.

Inzwischen befand er sich auf einem ruhigeren Straßenabschnitt. Die Tannen ringsherum wurden dichter, die Straße schmaler.

Letztendlich schlug er einen Weg ein, der ihn in den Wald leitete. Doch er war auf der richtigen Fährte. Hinweisschilder, die die beiden Seen ankündigten, versicherten ihm dies.

Inzwischen war ihm warm geworden. Er hatte die Heizung hochgestellt, ließ allerdings das Fenster herunter, um frische Luft zu schnappen.

Ein kühler Wind kroch ins Auto. Es roch nach Wildnis, Bäumen und Waldboden.

Dylan sah sich interessiert um. Wann hatte er das letzte Mal so eine wunderbare Landschaft gesehen? Er konnte sich nicht erinnern. Die letzten Monate hatte er in Großstädten oder bestenfalls an Touristenstränden verbracht.

Eine richtige Einöde herrschte hier. Zwischen den hohen Tannen erkannte er Schneeflächen, welche sogar weitläufiger wurden, je mehr er in den Wald hineinfuhr. Der Weg wurde steiniger und abschüssiger.

Kein Auto kam ihm entgegen, kein Wanderer. Niemand schien zu dieser Jahreszeit an die Seen...