Wyatt Earp 178 - Western - Rodeo in Wichita

von: William Mark

Martin Kelter Verlag, 2018

ISBN: 9783740934026 , 64 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 1,99 EUR

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Wyatt Earp 178 - Western - Rodeo in Wichita


 

An dem Morgen des Tages, an dem es geschah, herrschte in der graubraunen Kistenholzstadt Dodge City eine gespannte Atmosphäre.

Die Stadt wartete auf die Reagan-Herde.

Immer wenn der große texanische Rancher Arthur Reagan seine Herde nach Dodge City schickte, bedeutete das für die Stadt einen tollen Wirbel. Das lag nicht zuletzt daran, daß die siebeneinhalbtausend Rinder, die der Großrancher meistens auf den Trail brachte, von einer Crew von Treibern begleitet wurden, die sich einen Spaß daraus zu machen pflegte, die ganze Stadt auf den Kopf zu stellen. Meistens kam die Reagan-Herde im Herbst. In diesem Jahr aber kam sie schon im Frühjahr. Schon vor drei Tagen hatten Reiter berichtet, daß mehr als zehntausend Rinder auf dem Wege zum Arkansas wären! Das war ein Rekord, der niemals vorher (und auch niemals danach) erreicht worden ist.

Arthur Reagan hatte die größte Herde auf den Trail geschickt, die jemals in diesem Gebiet unterwegs war.

Eine solche Herde bedeutete für die Stadt, die als ihr Endziel bestimmt war, nicht nur Aufregungen, sondern auch enorme Einnahmen. Vor allem waren es die Salooner, denen es an diesem Vormittag schon in den Händen juckte. Sie spürten bereits die blanken Dollars, die sie den Boys aus den Taschen ziehen würden. Viele Wochen lang waren die vierunddreißig Treiber, angeführt von ihrem Trailboß James Austin, unterwegs. Und diesmal hatte der Rancher zum ersten Mal seinen neunzehnjährigen Sohn Terry mitgeschickt. Aber Terry Reagan war nur einer der Treiber; nichts weiter. So wollte es der Rancher – und so wollte es das ungeschriebene Gesetz der Savanne. Ein Herdentrail wurde immer nur von einem einzigen Mann geführt, und das konnte nur ein erfahrener alter Cowboy sein, wie in diesem Falle eben James Austin.

Was die Unruhe in der Stadt verstärkte, war die Tatsache, daß ausgerechnet am vergangenen Abend fast fünfzig Büffeljäger in die Stadt gekommen waren, die sich erfahrungsgemäß nicht eben gut mit Trailcowboys vertrugen. Unten in den South-Quartieren hielten sich zwei Dutzend Pelztierjäger auf, die den Frühsommer abwarteten, um sich dann wieder auf den Weg in die Berge zu machen. Auch diese Leute vertrugen sich meist schlecht mit den Kuhtreibern aus dem Süden. Hinzu kamen noch die Treib-Cowboys mehrerer kleinerer Herden, die sich auch noch in der Stadt aufhielten. Und wie immer zu diesen Zeitpunkten hatten sich wandernde Spieler eingefunden, die auf die Spielleidenschaft der Neugierigen und auch der Cowboys spekulierten.

Auch Trader aus allen Himmelsrichtungen waren an den Arkansas gekommen, um jetzt hier ihr großes Geschäft zu machen. Aus der näheren und weiteren Umgebung hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden, die sich alle Nutzen von dem marktähnlichen Trubel in der Stadt versprachen.

Dodge City wimmelte vor Menschen.

Im großen Dodgehouse-Hotel herrschte ein ungewohnt lebhaftes Treiben. Dodges größtes und elegantestes Hotel hatte immerhin 24 Zimmer zu bieten. Nicht, daß man im Dodgehouse mit den Cowboys gerechnet hätte, die hatten ihre Quartiere draußen bei den Corrals, und selbst die Trailbosse wohnten höchstens in Boardinghäusern, nicht aber in einem Hotel. Da wurde mit anderen Gästen gerechnet; mit Leuten, die den schwarzen Habit der Gambler trugen, mit Tradern und ähnlichen Besuchern.

Es war kurz nach neun Uhr, als aus dem Zimmer Nummer siebzehn ein mittelgroßer, schlanker Mensch in dunkelgrauem Anzug kam und die Tür hinter sich zuzog. Er hatte ein breitflächiges, eckiges Gesicht, und die zu weit von der Nase wegstehenden Augen hatten etwas von der Farbe blaßgrüner Trauben. Die linke Gesichtshälfte war mit Blatternarben bedeckt; die rechte seltsamerweise nicht. Das Kinn war breit und in der Mitte gespalten. Der Oberkiefer war zu klein und kaum fingerbreit. Wenn er den Mund öffnete, konnte man sehen, daß ihm der linke obere Schneidezahn fehlte.

Unter der Krempe des breiten grauen Stetsonhutes blickte brandrotes kurzgeschnittenes Haar hervor.

Zu dem grauen Stoffanzug trug der Mann eine dunkelbraune Weste, ein graues Kattunhemd und eine grüne Schleife. Unter der Jacke hatte er einen Waffengurt, der tief über dem linken Oberschenkel einen Revolver im Halfter hielt.

Dieser Mann war der ehemalige Bahnarbeiter Kid Timberlake aus Cincinnati im Staate Indiana. Der Dreiundzwanzigjährige war einer der zwei Dutzend fremder Spieler, die der große Trubel in die Stadt gezogen hatte.

Timberlake, der ein paar Schritte über den großen Läufer gemacht hatte, blieb plötzlich vor einer offenen Zimmertür stehen und beobachtete eine Frau, die eben damit beschäftigt war, irgend etwas in ein Schrankfach zu schieben.

Es war Ann Ireen Kelly, die bildschöne Rancherin aus Arizona, die sich seit einigen Monaten hier in der Stadt aufhielt, und die von ihrem Onkel, dem Mayor von Dodge City, das Hotel hier bekommen hatte. Wie immer und überall auf dieser Welt hatte sich damit Geld nur wieder zu Geld verirrt, denn die schöne Miß Kelly war schon eine steinreiche Frau gewesen, bevor sie hier in die Stadt gekommen war. Man erzählte sich in Dodge City, daß es keineswegs der Onkel gewesen war, der sie hierher nach Dodge City gezogen hatte, oder gar das Hotel, sondern niemand anders als Dodge Citys berühmter Marshal Wyatt Earp. Die schöne Ann Kelly war in den großen Gesetzesmann verliebt.

Ann, die seit dem frühen Morgen auf den Beinen war, hatte gerade hier oben in ihrem Bureau auf dem Korridor im ersten Stock des Hotels eine Kassette in ihren Sekretär geschoben und war bei dieser Beschäftigung von dem Fremden beobachtet worden.

Timberlakes blaßgrüne Augen hatten auf einmal einen seltsamen Glanz bekommen. Schon an den vergangenen beiden Abenden hatte er die schöne Frau unten an der Bar und in der Hotelhalle beobachtet, hatte sie im Spielsalon belauert, der ebenfalls zum Hotel gehörte, und jetzt endlich schien ihm die Gelegenheit günstig.

Der weiche Perserteppich schluckte das Geräusch seiner Schritte.

Er stand zwei Yards hinter der Frau.

Da wandte sich Ann Kelly um. Sie hatte auf einmal gespürt, daß jemand im Raum sein mußte. Weit aufgerissen waren ihre Augen, als sie den Blick des Fremden sah.

»Mister Timberlake –?«

Der Indiana-Mann starrte sie aus glasigen Augen an.

Die Frau schluckte und wollte zurückweichen, stieß aber gegen die heruntergeklappte Tischlade des Sekretärs.

Timberlake trat noch einen Schritt näher und hob die Hände.

»Was wollen Sie?« stammelte die Frau, die sonst absolut nicht ängstlich war, unter seinem Blick. Eisige Kälte kroch ihr über den Rücken.

»Kann ich mitmachen bei diesem Spiel?« kam es da klirrend von der Zimmertür.

Timberlake wirbelte herum.

Auf der Türschwelle stand ein hochgewachsener Mann, der sehr viel größer war als Timberlake. Er hatte ein blaß-braunes, vornehm geschnittenes Gesicht, das von einem seltsam eisblauen Augenpaar beherrscht wurde. Wer einmal in dieses Gesicht und in dieses Augenpaar gesehen hatte, würde es so bald nicht wieder vergessen.

Es war das Gesicht eines der berühmtesten Männer des Westens: das Gesicht Doc Hollidays.

Doktor John Henry Holliday, so nämlich lautete sein richtiger Name, der fünfunddreißigjährige Georgier, der vor anderthalb Jahrzehnten drüben an der Küste in der großen Stadt Boston eine so hoffnungsvolle und glänzende Karriere begonnen und so bald wieder hatte beenden müssen, da ihn eine tückische Krankheit aus der Bahn geschleudert hatte, war eine der gespenstigsten Gestalten dieser Zeit. Der hochintelligente, spöttisch-überlegene, eiskalte Mann mit dem forschenden Blick und der stoischen Ruhe war nicht nur ein großer Spieler, sondern ganz zweifellos der schnellste Revolverschütze, den der weite Westen überhaupt kannte. Damals zog er von Stadt zu Stadt und erspielte sich ein wahres Vermögen an den grünen Pokertischen der Westernstädte. Hier in Dodge City war er sonderbarerweise hängen geblieben. Der Marshal Earp war sein Freund geworden. Es war eine seltsam stumme Freundschaft, die niemals irgendwelche Worte gefunden hatte. Man hatte es dem berühmten Gesetzesmann Earp schwarz angekreidet, daß er sich ausgerechnet mit dem gefürchteten Doc Holliday befreundet hatte. Und niemand vermochte so recht zu begreifen, was Wyatt Earp veranlassen konnte, die Gesellschaft des doch so gallenbitteren Mannes zu suchen. Aber wie es das Gesunde, Strahlende, Lebensbejahende, Stolze und Sieghafte des Marshals war, das Doc Holliday anzog, so war es für Wyatt Earp der überlegene Verstand des Arztes, seine geschliffene Redeweise, seine Eleganz, sein gutes Aussehen und vielleicht auch nicht zuletzt sein geradezu phänomenales Schießtalent.

Es war eine bittere Tragik, die den ehemaligen Arzt in den Westen geführt hatte. Seit anderthalb Jahrzehnten erhoffte er sich hier den Tod durch eine gnädige Kugel. Aber bis zu diesem Tage war diese Kugel niemals gekommen; Doc Holliday war bisher immer der Schnellere gewesen.

Erst am Vortage war er zusammen mit dem Marshal von einem langen Ritt hinunter nach Texas zurück in die Stadt am Arkansas gekommen. Er liebte es eigentlich nicht, allzufrüh aufzustehen, aber auch er hatte sich an diesem Vormittag früher erhoben. Ob es nun das Interesse an dem Schauspiel war, das eine so gewaltige Herde bot, wenn sie einzog, mag dahingestellt sein. Vielleicht glaubte er auch, daß er bei dem Trubel, der jetzt entstehen würde, sowieso nicht weiterschlafen könnte.

Elegant, wie einem der Bostoner Modejournale entstiegen, stand er jetzt auf der Türschwelle. In seinen Augen blitzte ein kühler, abweisender Blick.

Timberlake starrte ihn verstört an. Er wußte gar nicht, mit wem er es da zu tun hatte, aber der Blick des anderen...