Tötet Shannon! - Cassiopeiapress Western

von: Thomas West

BookRix, 2019

ISBN: 9783736806375 , 114 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,99 EUR

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Tötet Shannon! - Cassiopeiapress Western


 

Teil 1


Die Rauchschwaden hingen wie schwerelose Wattefetzen unter den Lampen. An den Tischen und um die Theke drängten sich Cowboys, Geschäftsleute, Eisenbahner, Kartenhaie und erfreulich viele Frauen.

Trevor Shannon trat durch die Schwungtür und nahm seinen Stetson ab. Wasser tropfte von der Hutkrempe auf die Holzdielen des Saloonbodens. Mit dem Hut klopfte er sich die Nässe von seinem dunkelbraunen Hirschledermantel.

Er spürte den erschrockenen Blick des Wirtes, bevor er ihn sah. Einige Männer am Tresen drehten sich um und musterten Trevor neugierig. Er kannte sie nicht. Auch nicht den Großen in dem schwarzen Lodenmantel. Doch das zerfurchte sonnenverbrannte Gesicht und die schmalen grauen Augen des Mannes fielen Trevor sofort auf.


Mit dem für ihn so typischen federnden Gang schritt Trevor durch die Tische zur Theke. Er legte den Hut auf einen freien Barhocker, lehnte seinen .44er Winchester Sattelkarabiner daneben und stellte sich zu dem Mann in dem schwarzen Lodenmantel. "'n Abend, Mister."

Der Mann nickte. Seine Augen schienen Trevors Stirn zu durchbohren und sein dunkles glattrasiertes Gesicht blieb reglos, als wäre es aus gebranntem Ton. Eine quastige Narbe zog sich von seiner rechten Schläfe bis fast zum Unterkiefer herab. Dunkelgraue Locken quollen unter seinem schwarzen Hut heraus. Aus den Augenwinkeln nahm Trevor die beiden elfenbeinbeschlagenen Revolver an seinen Hüften wahr. .44er Colts – das sechsschüssige Grenzland-Modell.

"Ich bräucht mal'n Kaffee, Tonio", rief Trevor dem Wirt zu. "Und 'nen doppelten Whisky dazu."

Der Wirt, ein kleiner dürrer Kahlkopf mit einem gewaltigen Schnurrbart, schluckte und tastete sich hinter seiner Theke entlang, bis er Trevor gegenüberstand. "Ein Tipp unter alten Freunden, Trevor – schwing dich in den Sattel und reite in die nächste Stadt. Whestlers Bruder ist seit einem Jahr Town-Marshal bei uns in Ellsworth."

"Es regnet, Tonio, und dunkel ist es auch schon. Die Whestlers können mich am Arsch lecken", sagte Trevor. "Also – einen Kaffee, einen Doppelten, dann haust du mir ein Steak in die Pfanne. War den ganzen Tag unterwegs." Er grinste den Großen neben sich an. "Ich müsste einen Bogen um viele Städte machen, wenn ich auf die Nerven all der Pappnasen Rücksicht nehmen wollte, die in Kansas herumlaufen."

Im Barspiegel zwischen den Flaschen entdeckte er sein Gesicht. Ein schmales weiches Jungengesicht, aus dem zwei hellblaue Augen leuchteten. Ein Gesicht, in dem meistens ein spöttisches Grinsen hing.

Die Hebamme, vor etwas mehr als zweiunddreißig Jahren, hatte kaum das Blut seiner Mutter von ihm abgewischt, da habe er schon gegrinst, erzählte Trevors Vater immer. Trevor strich sich eine Strähne seines tiefschwarzen schulterlangen Haares aus der Stirn.

"Ärger mit dem Town-Marshal?" Die Stimme des Großen klang rau und kehlig.

"Da war er noch kein Marshal", sagte Trevor. "Da war er noch ein Arschloch unter vielen."

"Und du hast ihm beim Pokern die Hosen ausgezogen."

"Seinem Bruder." Trevor griff in seinen Hirschledermantel und zog zwei Zigarillos heraus. "Und auch nicht beim Pokern. Hab ihm eine Frau ausgespannt." Er bot dem anderen einen der Zigarillos an. Der griff zu und kramte Schwefelhölzer aus seiner schwarzen Lederweste. "Tja – das hat man nicht so gern. Und dann habt ihr euch faustmäßig unterhalten."

Trevor beugte sich über die Flamme. Rauchwolken stiegen auf. "Nein. Jimmy Whestler wollte mich erschießen, und das hab ich nicht so gern. Jedenfalls war ich schneller und seitdem fehlen ihm zwei Finger seiner rechten Hand. Kann vorkommen, oder?"

Der Große verzog keine Miene, er nickte nur. Der Wirt stellte Kaffee und Whisky vor Trevor auf den Tresen. "Zwei Kumpels von Jimmy Whestler haben dich erkannt", flüsterte er. "Sie sind gerade aus dem Saloon gegangen. Jede Wette, die kommen mit Jimmy und dem Marshal zurück." Seine Augen zuckten unruhig hin und her. "Ich warne dich, Trevor – trink aus und hau ab."

"Du fürchtest um deinen schönen Barspiegel, was, Tonio?" Trevor lachte, langte über die Theke und schlug dem Kleineren auf die Schulter. "Keine Sorge, Alter. Nenn mir einen friedlicheren Menschen zwischen Kansas City und Pueblo, als ich es bin, und ich spendier dir eine Flasche Whisky." Der Wirt machte eine ängstliche Miene und zog ab.

"Was treibst du so?" Der Große in dem schwarzen Lodenmantel spähte hinunter auf Trevors Sattelkarabiner.

"Begleitschutz bei der Wells Fargo", sagte Trevor. "Zur Zeit ruht mein wachsames Auge auf der Postkutsche, die zwischen Kansas City und Denver pendelt." Er betrachtete den anderen. Der Mann war sicher zehn oder fünfzehn Jahre älter als er selbst. Er trug eine teure Lederweste und ein Jackett unter dem Mantel. Das weiße Hemd darunter schien gestärkt und gebügelt zu sein. Ordentlich verheiratet, schätzte Trevor. "Und was treibst du?"

Der Große kniff seine schmalen Augen noch enger zusammen. Er sog an seinem Zigarillo und zuckte mit den breiten Schultern. "Dies und das." Dann griff er in seine Manteltasche und holte einen Satz Karten heraus. "Ein Spielchen?"

Trevor nickte. Der kahlköpfige Wirt stellte einen Teller vor ihm ab. Das Steak schwamm in einer blutigen Brühe, die Zwiebeln waren etwas zu dunkel angebraten, die Bratkartoffeln dampften.

Während Trevor sich über das Essen hermachte, spielten sie 17 und 4. Trevor verlor ein Spiel nach dem andern, und je mehr er verlor, desto lauter lachte er.

Er hatte sein Steak noch nicht mal zur Hälfte verputzt, als er im Barspiegel vier Männer den Saloon betreten sah. Sie blickten sich nicht erst suchend um – ihre Augen hefteten sich sofort an Trevors Rücken. Der zog seinen Mantel aus, rollte ihn zusammen und legte ihn unter seinen Hut auf den Barhocker. Dabei wandte er den Männern an der Tür die linke Seite zu. Niemand sah die flinke Bewegung, mit der er den Hahn seines .45er Peacemaker im Holster an seiner rechten Hüfte spannte. Niemand außer dem Großen im schwarzen Mantel.

Trevor fuhr fort, die Bratkartoffeln in sich hineinzuschaufeln. Doch keinen Augenblick ließ er jetzt mehr den Barspiegel aus den Augen.

Einer der Männer, ein langer blonder in einem hellen Anzug und einer roten Weste, trug einen Stern an der Brust. Den Stern eines Town-Marshals. Tom Whestler. Er blieb am Eingang stehen. Die anderen drei pirschten sich an den Tischen vorbei zur Theke. Alle drei trugen dunkle grobe Baumwollhemden. Die Säume brauner Lederchaps wedelten bei jedem Schritt um ihre Beine. Es waren Cowboys, und den mittleren kannte Trevor – Jimmy Whestler. Blond wie sein Bruder, aber jünger und bulliger von Gestalt. An seiner Rechten fehlten der kleine Finger und der Ringfinger.

"So eine Überraschung!" Breitbeinig blieb er etwa zehn Schritte hinter Trevor stehen. "Trevor Shannon ist nach Ellsworth zurückgekehrt und will seine Rechnung bezahlen!" Die Hände der beiden Männer rechts und links von ihm schwebten schon über den Kolben ihrer Revolver.

"Sei nicht so nachtragend, Jimmy." Trevor drehte sich nicht um. "Du wolltest mich umlegen, und ich war dagegen. Und schneller war ich auch. So kanns halt gehen, oder?" Seelenruhig säbelte er ein Stück von seinem Steak ab.

"Ich hab zwei Jahre gebraucht, bis ich wieder schießen konnte. Jetzt kann ichs besser als je zuvor." Jimmy sprach leise. Gefährlich leise.

"Na siehst du", sagte Trevor. Der Große neben ihm packte die Karten zusammen und rückte ein paar Schritte von Trevor ab. Auch die Männer rechts von ihm rutschten von ihren Barhockern und räumten das Feld. Im Barspiegel sah Trevor, wie sich ein Tisch nach dem anderen leerte. Der Town-Marshal stand mit verschränkten Armen an der Wand neben der Schwungtür und beobachtete die Szene.

"Dreh dich gefälligst um, wenn ich mit dir rede!", schrie Jimmy plötzlich. Sein Gesicht lief rot an.

"Hättest du nicht ein bisschen später kommen können?" Trevor schob sich ein Stück Steak zwischen die Zähne. "Irgendwie verdirbst du mir den Appetit..."

Jimmy Whestler stürmte los, packte Trevor an den Schultern und riss ihn von der Bar weg. Der fuhr herum und knallte ihm den Teller mit den restlichen Bratkartoffeln und dem halben Steak ins Gesicht. Jimmy schrie laut, denn das Zeug war noch heiß. Er taumelte gegen einen Tisch und prallte zwischen Gläsern und Flaschen auf der Tischplatte auf. Fast gleichzeitig zog er seinen Revolver.

Trevor sah, dass auch seine Begleiter zu den Waffen griffen. Er hechtete zwischen Barhocker und Tresen, riss seinen Peacemaker aus dem Holster und drückte dreimal ab. Genau dreimal.

Jimmy und die beiden anderen schossen fast gleichzeitig. Aber nur fast. Kugeln heulten durch den Saloon, Glas und Holz splitterte, Frauen kreischten und Männer riefen durcheinander. Dann war alles still.

Jimmy Whestler hockte auf dem Tisch und presste die Linke gegen seine rechte Schulter. Blut sickerte durch seine Finger. Er starrte Trevor an, wie man eine nächtliche Erscheinung anstarrt – mit weitaufgerissenen Augen und aus fahlem Gesicht. Die anderen beiden lagen reglos zwischen den Tischen.

Tom Whestler, der Town-Marshal, und Trevors Spielpartner beugten sich über sie.

"Tot", schnarrte der Große in dem Lodenmantel. Ernst richteten sich seine Augen auf Trevor. Der...