Ein Playboy für Hannah?

von: Alison Roberts

CORA Verlag, 2019

ISBN: 9783733727871 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 2,49 EUR

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Mehr zum Inhalt

Ein Playboy für Hannah?


 

2. KAPITEL

„Wir haben wieder einen Sinus-Rhythmus.“ Erleichterung klang aus Ryans Worten. Die gleiche Erleichterung, die er verspürt hatte, als Hannah ihm zu Hilfe gekommen war. Er hatte gewusst, dass er sich auf sie verlassen konnte. Allerdings nur, wenn es um berufliche Dinge ging.

„Carotis-Puls kaum tastbar“, erklärte er kurz darauf grimmig.

„Systolischer Druck ist bei 59“, bestätigte Wayne.

„Der Druck fällt weiter“, warnte Hannah. „Er ist nur noch bei 55.“

Die Patientin stand kurz vor einem Herzstillstand. Ryan griff nach einem Skalpell, und Hannah reichte ihm unaufgefordert erst die Zange und dann die Kanüle für die Thorax-Drainage. In weniger als einer Minute floss Blut in den Auffangbehälter. Zu viel Blut.

„Ist einer von den Herz-Thorax-Chirurgen frei?“, fragte Ryan gepresst.

„Nein.“ Jennifer schüttelte bedauernd den Kopf. „Sie sind alle noch für ungefähr eine Viertelstunde im OP. Es gab Komplikationen bei einer Bypass-Operation.“

„Haben wir Thorakotomie-Instrumente hier?“ Er konnte förmlich hören, wie die Umstehenden vor Entsetzen nach Luft schnappten. „Sie hat eine starke Blutung im Brustraum. Wenn wir nichts unternehmen, wird es zu einem Herzstillstand kommen. Eine Thorakotomie ist natürlich eine drastische Maßnahme, aber es ist unsere einzige Chance.“ Ryan wusste, dass die Erfolgsaussichten äußerst gering waren, doch zumindest würden sie nicht nur dabei zusehen, wie die Frau vor ihren Augen verblutete.

Hannah nickte. Sie hatte den gleichen Gedanken gehabt und stimmte Ryan voll und ganz zu.

Wayne machte sich auf die Suche nach den selten benutzten Instrumenten, und Jennifer übernahm die Beatmung der Patientin, während Ryan und Hannah sich eilig für die Operation vorbereiteten.

„Hast du diesen Eingriff schon einmal gemacht?“, fragte Hannah, während sie neben Ryan stand und sich die Hände mit Flüssigseife einrieb.

„Ja. Und du?“

„Ich habe noch nicht einmal dabei zugesehen.“

„Aber du hast sicher darüber gelesen, oder?“

„Ja. Die Überlebensrate liegt bei unter 35 Prozent …“

„Wir haben Kammerflimmern“, rief Jennifer warnend. „Nein, doch nicht. Asystolie!“

Sie mussten sich beeilen. Eine Null-Linie auf dem EKG-Gerät bedeutete, dass das Herz auch durch Elektroschocks nicht wiederbelebt werden konnte. Herzdruckmassagen waren bei Patienten mit Thorax-Verletzungen ebenfalls nicht möglich. Es blieb ihnen nur noch die Möglichkeit, den Brustkorb zu öffnen.

Es war gut, dass Hannah diesen Eingriff zum ersten Mal miterlebte. Ryan erklärte ihr jeden seiner Schritte und löste so die Spannung, die im Behandlungsraum herrschte.

„Wir öffnen den Thorax im fünften Zwischenrippenraum – an der gleichen Stelle, die wir auch schon für die Drainage genommen haben.“ Mit sicherer Hand benutzte Ryan erst ein Skalpell und dann die große Schere.

Er zeigte Hannah, wie er den Brustraum öffnete. Hannah reichte ihm die Rippenspreizer. Für jemanden, der diese Operation noch nie gesehen hatte, war sie eine erstaunlich kompetente und gelassene Assistentin.

Ryan begann, flüssiges und geronnenes Blut aus dem Brustkorb zu saugen, damit das Herz der Patientin wieder anfangen konnte zu schlagen.

Doch es tat sich nichts.

„Woher kommt all das Blut?“

„Ich habe die Quelle noch nicht gefunden.“ Ryan umfasste das Herz mit beiden Händen. „Ich beginne nun mit der Herzmassage. Könntest du die Aorta gegen die Wirbelsäule pressen, Hannah? Wir müssen die koronare und zerebrale Durchblutung so gut wie möglich unterstützen.“

Hannah wusste, dass sie für diesen Eingriff nicht ausreichend qualifiziert war. Entsprechend groß war ihre Erleichterung, als endlich die Kollegen von der Herz-Thorax-Chirurgie eintrafen. Wie erwartet waren sie sehr beeindruckt von Ryans Arbeit. Hannah selbst hätte es nicht gewagt, mehr als die Thorax-Drainage zu machen.

Der Gedanke, dass Ryan vielleicht doch der bessere Kandidat für den Oberarztposten war, gefiel ihr gar nicht.

Da nun Kollegen vor Ort waren, die wesentlich mehr Erfahrung hatten, trat Hannah zurück und sah beim weiteren Verlauf der Operation nur noch zu. Es war schrecklich mitzuerleben, wie es trotz vereinter Bemühungen nicht gelang, das Herz der Patientin wieder zum Schlagen zu bringen.

Hannah war froh, als Maureen sie anpiepte und sie bat, auf die Intensivstation zu kommen, um mit dem Kinderchirurgen die Ergebnisse von Brandons CT-Befund zu besprechen. Unbemerkt verließ sie das Behandlungszimmer.

Sie konnte es sich nicht leisten, stundenlang herumzustehen und Ryans Fähigkeiten zu bewundern. Und noch weniger wollte sie dabei sein, wenn sich gleich herausstellte, dass seine Bemühungen vergeblich gewesen waren. Mitgefühl würde eine Beziehung zwischen ihnen schaffen, die ihr viel zu persönlich war. Danach wäre es nur noch schwieriger, die notwendige Distanz zu ihm zu wahren.

Jede Verringerung dieser Distanz würde sie verletzbar machen.

Und Hannah Jackson wollte nicht verletzbar sein.

Sie war schon immer die Starke gewesen. Seit ihr Vater kurz vor ihrem zehnten Geburtstag plötzlich gestorben war, hatte Hannah ihre Familie zusammengehalten. Sie musste immer stark sein. Für ihre Mutter. Für Susie. Und für sich selbst.

Die Lektion war hart gewesen, aber auch sehr nützlich. Sie hatte gelernt, dass Stärke Schutz bedeutete. Nur so konnte man durchs Leben gehen, ohne allzu sehr verletzt zu werden.

Es war sehr schwierig, stark zu sein, wenn einem vor Müdigkeit fast die Augen zufielen.

Als Hannah fast eine Stunde später den Pausenraum betrat, spürte sie sofort Ryans Niedergeschlagenheit. Er wandte ihr zwar den Rücken zu, während er sich einen Kaffee machte, doch seine Körpersprache sagte alles. Herabhängende Schultern. Gesenkter Kopf. Die Art, wie er gedankenverloren in der Tasse rührte.

Bei jedem anderen Kollegen hätte Hannah keine Sekunde gezögert, ihre Anteilnahme auszudrücken. Mit einer tröstenden Berührung oder vielleicht sogar einer Umarmung. Doch das hier war Ryan. Sie musste um jeden Preis die Distanz wahren.

„Es hat nicht geklappt, oder?“

„Nein.“ Ryan richtete sich auf. „War ja auch nicht zu erwarten. Aber ich wollte nichts unversucht lassen. Willst du Kaffee?“

„Ja, aber ich kann ihn mir selber machen.“

Doch Ryan löffelte bereits Kaffeepulver in eine zweite Tasse.

„Nimmst du Zucker?“

„Nein.“

„Milch?“

„Auch nicht.“

Er reichte ihr die Tasse. „Wie geht’s dem Kleinen?“

„Nicht besonders. Er ist auf der pädiatrischen Intensivstation, aber der CT-Befund war furchtbar. Er hat starke Hirnblutungen. Falls er überlebt, wird er schwerstbehindert sein.“

„Vielleicht ist es dann besser für ihn, wenn er es nicht schafft. Hast du den Vater gesehen?“

„Ja.“ Ein weiterer Kommentar war nicht nötig. Der Blick, den Ryan Hannah zuwarf, ließ keinen Zweifel daran, dass er ihre Meinung über den Mann teilte. Obwohl er für den Tod seiner Frau und wahrscheinlich auch den seines Sohnes verantwortlich war, hatte er bei dem Gespräch mit Hannah keinen sonderlich betrübten Eindruck gemacht. „Das Schlimmste ist, dass er ungestraft davonkommen wird.“

„Ja.“ Ryan setzte sich in einen der Sessel in der Zimmerecke.

Es entstand eine unangenehme Gesprächspause.

Schließlich räusperte Ryan sich. „Hey, kennst du schon den Witz mit der Blondine, die keine Blondinenwitze mag?“

Hannah seufzte. Sie setzte sich an den Tisch und vermied es, Ryan anzusehen. Es war vielleicht nicht gut, sich anzuschweigen, aber das hier ging doch wohl deutlich zu weit, oder etwa nicht? Sie nippte wortlos an ihrem Kaffee, doch Ryan nahm wie immer keine Rücksicht auf ihr demonstratives Desinteresse.

„Sie ging in eine Show, wo ein Bauchredner seine Handpuppe Blondinenwitze erzählen ließ. So nach dem Motto: Wie bringt man eine Blondine auf andere Gedanken?“ Er verstellte seine Stimme und versuchte zu sprechen, ohne die Lippen zu bewegen. „Man muss ihr ins Ohr pusten!“

„Ja, ja. Sehr witzig“, antwortete Hannah genervt.

„Genau so reagierte auch die Blondine im Publikum. Sie war stinksauer und sprang wütend auf. ‚Mir reicht es jetzt!‘, rief sie. ‚Wie können Sie es wagen, solche Vorurteile über Blondinen zu verbreiten! Was hat die Haarfarbe eines Menschen mit seiner Intelligenz zu tun? Menschen wie Sie verhindern, dass Frauen wie ich Erfolg haben! Sie sorgen dafür, dass die Diskriminierung gegen Blondinen und Frauen im Allgemeinen fortgesetzt wird. Und das ist nicht lustig!‘“

„Hm.“ Gegen ihren Willen hörte Hannah aufmerksam zu. Ryan wusste also sehr wohl, weshalb sie seine Scherze beleidigend fand. Sehr interessant.

Mit unbeweglicher Miene fuhr Ryan fort: „Der Bauchredner schämte sich furchtbar. Er lief rot an und begann, Entschuldigungen zu stammeln, doch die Blondine wurde noch wütender und schrie ihn an: ‚Halten Sie sich da gefälligst heraus, Mister! Ich spreche mit dem kleinen Idioten dort auf Ihrem Schoß.‘“

Hannah schnaufte. Mühsam unterdrückte sie ein verräterisches Lachen. Sie musste sich zusammenreißen! Ryan durfte es nicht schaffen, sie zum Lachen zu bringen. Vor allem nicht nach so aufreibenden, traurigen und auch noch erfolglosen Ereignissen.

Sie wusste genau, warum er versuchte, sie auf diese Art aufzuheitern. Es war der einfachste und...