Warnung aus dem Weißen Haus - Ein hochrangiger Trump-Mitarbeiter packt aus

von: Anonymus

Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2019

ISBN: 9783732594191 , 336 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Warnung aus dem Weißen Haus - Ein hochrangiger Trump-Mitarbeiter packt aus


 

KAPITEL 1


Der Zusammenbruch des Stabilen Staates


»Keine Regierung und keine Person wird lange respektiert werden, ohne auch wahrlich respektabel zu sein. Und sie ist nicht wahrlich respektabel, wenn sie nicht auch ein gewisses Maß an Ordnung und Stabilität besitzt.«

James Madison

Der Tag begann wie jeder andere in der Trump-Regierung: mit einer selbstverschuldeten Krise. Es war Mittwoch, der 19. Dezember 2018, und das Weiße Haus hatte ein Kommunikationsproblem. Das Außenministerium hatte beschlossen, am Tag zuvor ein Entwicklungsprogramm für Lateinamerika zu enthüllen, von dem die Experten glaubten, dass es die Gewalt in der Region reduzieren und für Stabilität sorgen würde. Es gab jedoch ein Problem. Der Präsident stand kurz davor, es zu streichen. Angeblich hielt er es für zu teuer und hatte gedroht, es per Tweet zu beenden. Die Macher des Programms gerieten in Panik, denn sie hatten Angst vor einer diplomatischen Krise.

Wie so oft stellte sich die Hauptshow als Nebenschauplatz heraus. Der Präsident war noch nicht aus seiner Wohnung ins Oval Office gekommen. Wir alle wussten, warum. Es war Twitter-Zeit, und um 9:29 Uhr feuerte er eine Nachricht aus der Präsidentenwohnung ab: »Wir haben ISIS in Syrien besiegt, meinen einzigen Grund, während der Trump-Präsidentschaft dort zu sein.« Binnen Minuten ging die Nachricht durch die Medien, der Präsident habe beschlossen, die Truppen abzuziehen. Später twitterte er: »Nach den historischen Siegen gegen ISIS ist es an der Zeit, unsere großartigen jungen Leute heimzubringen!«

Die Ankündigung hallte durch ganz Washington. Es war genau das Gegenteil von dem, was man ihm empfohlen hatte. Vom Pentagon bis zu den Geheimdiensten hatten die meisten Berater vor einem willkürlichen Abzug der gut 2.000 US-Soldaten in Syrien gewarnt. ISIS stelle noch immer eine große Bedrohung dar, war dem Präsidenten gesagt worden, und Amerikas Rückzug würde es den Terroristen erlauben, weitere und mehr tödliche Attacken zu planen. Ein zu früher Abzug der US-Truppen würde das Gebiet außerdem einem Diktator ausliefern, der nicht davor zurückschreckte, chemische Waffen gegen sein eigenes Volk einzusetzen, sowie dem antiamerikanischen Regime im Iran, das immer mehr Einfluss in der Region gewinne, von Russland ganz zu schweigen. Und mehr noch: Vermutlich wäre die Folge ein Gemetzel an den kurdischen Streitkräften, die uns im Kampf gegen die Terroristen geholfen hatten. In jedem Fall würde ein Abzug den Sicherheitsinteressen der USA schaden.

Der Präsident ließ sich davon nicht beeindrucken. Anstatt seine Sicherheitsberater zusammenzurufen, um die Optionen durchzugehen, stieß er sie mit einem Tweet vor den Kopf.

»Deswegen werden Menschen sterben, verdammt noch mal«, bemerkte ein Top-Berater wütend. Alle versuchten wir panisch herauszufinden, was passiert war, und was Trump vorhatte. Die Verbündeten der USA waren erschrocken und alarmiert. Das Verteidigungsministerium war über die Entscheidung vollkommen im Dunkeln belassen worden. Die Regierungsbeamten wussten noch nicht einmal, wie sie auf Nachfragen der Presse reagieren sollten, denn das war eine Entscheidung gewesen, bei der sie nicht die geringste Rolle gespielt hatten. Die Spitzenmilitärs waren außer sich vor Wut ob der fehlenden Vorplanung, zumal die plötzliche Ankündigung die Bodentruppen unnötig in Gefahr brachte. Gegner der Vereinigten Staaten könnten die Gelegenheit nutzen und die vermeintlich fliehenden Amerikaner angreifen. Sofort leitete das Militär Sicherheitsmaßnahmen ein.

Wir hatten alle schon erlebt, dass Präsidenten schlechte Entscheidungen in Bezug auf die Verteidigung der USA getroffen hatten. Das hier war jedoch etwas anderes. Niemand konnte sich daran erinnern, dass solch eine Entscheidung je so beiläufig getroffen worden war. In einem normalen Weißen Haus werden Entscheidungen von solcher Tragweite erst einmal ausführlich diskutiert. Sie sind Thema sensibler Meetings – manchmal zu vielen davon –, nur um sicherzugehen, dass alles bis ins kleinste Detail geplant ist. Grundlegende Dinge werden geklärt und alle Fragen beantwortet. Wie werden unsere Feinde das deuten? Was können wir tun, um ihr Denken zu beeinflussen? Wie werden unsere Partner reagieren? Und am wichtigsten: Wie können wir die Amerikaner am besten schützen, einschließlich der Frauen und Männer in Uniform? In diesem Fall war jedoch keine dieser Fragen im Vorfeld beantwortet worden.

Und die Entscheidung war nicht nur leichtsinnig. Regierungsbeamte hatten unter Eid ausgesagt, dass ISIS nicht vollständig besiegt sei. Auch hatten sie öffentlich versprochen, dass die Vereinigten Staaten den Kampf in Syrien nicht aufgeben würden. Und jetzt erklärte der Präsident ISIS fälschlicherweise für besiegt, und das nur, weil er plötzlich zu dem Schluss gekommen war, dass das so sein musste. Er hatte dem Feind verkündet, dass Amerika auf dem Weg zum Ausgang war. »Dafür werden sie uns auf dem Capitol Hill kreuzigen«, jammerte ein Kabinettsmitglied.

Und der Kongress reagierte schnell, Trumps eigene Partei miteingeschlossen. »In den zwölf Jahren, die ich hier bin, habe ich so eine Entscheidung noch nicht gesehen«, erklärte der verblüffte Bob Corker, zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Außenausschusses, gegenüber Reportern. »Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass ein Präsident einfach aufwacht und so eine Entscheidung trifft, und das nahezu ohne Kommunikation oder Vorbereitung.« Selbst Senator Lindsey Graham, der sich stets um Trumps Wohlwollen bemüht, konnte der Entscheidung nichts Gutes abgewinnen. Lindsey erklärte Reportern, die Entscheidung habe »die Welt erschüttert«.

Es war auch aus einem anderen Grund ein Wendepunkt. Diese Entscheidung kennzeichnete das Scheitern von Schlüsselfiguren im Weißen Haus, die geglaubt hatten, Ordnung in das Chaos dieser Regierung bringen zu können. Vor allem einer kam zu dem Schluss, dass es nun endgültig genug war.

Am Tag nach den Syrien-Tweets verkündete Verteidigungsminister Jim Mattis seinen Rücktritt. In einem Brief an den Präsidenten schrieb er: »Ich habe genaue Ansichten, was den Respekt gegenüber Verbündeten betrifft sowie einen klaren Blick auf böswillige Mitspieler in der internationalen Politik und strategische Mitbewerber. Diese Ansichten gründen auf vierzig Jahren Arbeit in diesem Feld … Sie haben ein Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten mehr mit Ihren übereinstimmen, sowohl in diesem Punkt als auch in anderen. Ich glaube, es ist an der Zeit für mich zurückzutreten.« Mattis legte das Datum für seinen Rücktritt auf den 28. Februar fest. Jim Mattis ist ein Patriot und Kriegsveteran, der von beiden Parteien unterstützt wurde, als Trump ihn als Verteidigungsminister nominiert hatte. Stoisch hatte er besorgten Senatoren erklärt, niemals würde er einfach nur dasitzen, hätte er das Gefühl der Präsident würde Dinge von ihm verlangen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne oder die sinnlos Leben gefährden würden. Und wie immer blieb Jim sich treu. Sein Rücktritt erschütterte das Weiße Haus bis ins Oval Office hinein.

Die Presse nannte es einen Rücktritt aus Protest. Präsident Trump war außer sich vor Wut. Ganz klassisch führte eine schlechte Entscheidung zur nächsten. Nach nur wenigen Tagen entschied der Präsident in einem Wutanfall, Jim Mattis Rücktritt vorzuziehen. Er wollte Jim so schnell wie möglich weghaben. Das stürzte das Verteidigungsministerium erneut in unnötiges Chaos, während Berater aufgeregt nach einem Nachfolger suchten. Normalerweise zieht sich ein Führungswechsel an der Spitze des mächtigsten Militärs der Welt über Monate hin, um Stabilität zu sichern. Trump verkürzte diese Zeit auf ein paar Tage. Er twitterte, dass die Nummer 2 des Pentagons den Spitzenjob am 1. Januar antreten würde, zwei Monate eher als geplant. Eine Woche später prahlte der Präsident im inzwischen bekannten Orwellschen »Doppeldenk« damit, dass er den hochdekorierten General der U.S. Marines in Wahrheit gefeuert habe. Der Verlust hallte durch die Regierung und die ganze Welt. Einer der wenigen vernünftigen Männer auf dem Staatsschiff war über Bord gegangen.

Von Anfang an beobachteten gleichgesinnte Amtsträger den sprunghaften Führungsstil des Präsidenten mit großer Sorge. Gemeinsam versuchten wir, die chaotische Umgebung durch einen disziplinierten Prozess zu ersetzen – in anderen Worten durch ein System, das sicherstellen sollte, dass die Entscheidungen des Präsidenten wohldurchdacht waren, und schlussendlich, dass der Präsident Erfolg haben würde. Das schloss Berater mit ein, die bereit waren, dem Präsidenten zu widersprechen, sollte sein Kurs eine falsche Richtung einschlagen.

Wir hielten die Situation für beherrschbar. Wir haben uns furchtbar geirrt. Während 2017 der Aufstieg einer eher locker zusammenhängenden Gruppe von Pragmatikern in Trumps Regierung zu erkennen war – ein Stabiler Staat –, so markierte 2018 den Beginn seines Untergangs.

Chaosstaat


Die ersten Tage einer Regierung sind immer schwer. Man kann die Zügel einer vier Billionen Dollar schweren Organisation mit Millionen von Angestellten nicht einfach nahtlos übernehmen. Die scheidende Regierung weist ihre Behörden für gewöhnlich an, sich auf die neue Führung vorzubereiten. Im Vorfeld einer Amtseinführung gibt es eine Vielzahl von Briefings. Neue leitende Angestellte werden über vertrauliche Programme informiert, und Memos werden ausgearbeitet, um die Neulinge auf den...