Mut steht uns gut! - Nachhaltig, menschlich, fair - mit Haltung zum Erfolg

von: Antje von Dewitz

Benevento, 2020

ISBN: 9783710950834 , 192 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Mut steht uns gut! - Nachhaltig, menschlich, fair - mit Haltung zum Erfolg


 

VON PIONIEREN MUT LERNEN


Mein Vater ist VD. Er hat das Unternehmen gegründet und ihm seinen Namen gegeben. VAUDE ist abgeleitet von den Initialen unseres Nachnamens »von Dewitz« – ganz einfach lautsprachlich hintereinander gesetzt als »Vau« und »De«. Die Initialen wurden zu seinem Spitznamen, und er benutzte sie auf offiziellen Schriftstücken, lange bevor er 1974 sein eigenes Unternehmen gründete, sich mit meiner Mutter im Hinterland des Bodensees niederließ und sein Kürzel kurzerhand zum Unternehmensnamen machte. Weder er noch meine Mutter stammen ursprünglich von hier. Es erstaunt also nicht, dass verblüffte Besucher und Besucherinnen, die den oft langen und, je nach Wahl der Verkehrsmittel, komplizierten Weg auf sich nehmen, um zu uns in den tiefen Süden Oberschwabens zu gelangen, häufig fragen: »Wie kommt es eigentlich, dass Ihr Firmensitz ausgerechnet hier liegt?«

Schön finden es eigentlich alle bei uns. Unser Betriebsgelände liegt idyllisch eingebettet zwischen sanften Hügeln, grünen Nadelwäldern und den kleinen Dörfern Unter- und Obereisenbach, zehn Kilometer vom Bodensee entfernt. Der Blick aus unseren Fenstern zeigt, je nach Etage und Blickrichtung, wahlweise die Dorfkirche, Kühe, Wiesen, Hopfenfelder oder in der Ferne sogar die Alpen. Die ländliche Lage abseits großer Verkehrsknotenpunkte oder Industriezentren lässt bereits erahnen, dass VAUDE nicht aufgrund der optimalen Infrastruktur hier gegründet wurde.

Meine unternehmungslustige Mutter, die aus Bremen kommt, hatte ihre Sommerferien seit ihrer Jugend damit verbracht, allein mit einer Freundin auf dem Fahrrad quer durch die Republik zu reisen. Vom Bodensee war sie auf Anhieb begeistert: »Das ist ja, als ob man ständig Urlaub hat.« Auch mein Vater, der seine Kindheit größtenteils in Celle verbracht hatte, lernte diese Gegend bei Verwandtschaftsbesuchen in der Nähe kennen und konnte den Wunsch meiner Mutter nachvollziehen, sich in dieser wunderschönen Gegend niederzulassen.

Die beiden haben früh geheiratet: Mein Vater studierte in Wilhelmshaven an der Nordsee Betriebswirtschaft, meine Mutter verdiente als Chemotechnikerin das Geld. Mein Vater besserte die Haushaltskasse auf, indem er alte Autos restaurierte und verkaufte. 1968 kam meine Schwester Martina noch im Norden auf die Welt. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums zog meine Familie dann in den Süden: Mein Vater entschied sich für eine Stelle bei einem Sportartikelhersteller in Balingen. Nicht nur die Sportbranche hatte es meinem Vater angetan, sondern auch die Aufgabe als Exportleiter, die seiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Reisen sehr entgegenkam. So zogen meine Eltern mit meiner Schwester 1969 von der Nordsee auf die Schwäbische Alb, drei Jahre später wurde ich dort geboren.

Wenig später ergab sich für meinen Vater der nächste Schritt: Ihm wurde die Stelle als Geschäftsführer einer neu gegründeten Skimarke am Bodensee angeboten. Ein Systemproduzent für Haushaltsgeräte mit ausgeprägter Kunststoffexpertise im oberschwäbischen Neukirch wollte Skier nach neuester Technologie in den Sportmarkt einführen. Damit das als marktfremdem Unternehmen gelang, hatte man zu sehr günstigen Konditionen ein weiteres Unternehmen aufgekauft: die Firma Rosskopf aus Immenstadt im Allgäu, die älteste Skifabrik Deutschlands. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass das Unternehmen vor dem Ruin stand. Statt also moderne Skier in den Markt einzuführen, bestand die erste Aufgabe meines Vaters darin, das Unternehmen Rosskopf abzuwickeln, für ihn das komplette Gegenteil dessen, was ihm eigentlich Freude macht, wie er mir später erzählte: »Es macht Spaß, etwas zu gründen und in Gang zu bringen, aber etwas zu beenden ist einfach nur schrecklich.« Während dieser schwierigen Monate wurde ihm klar, dass er zwar nicht an den Erfolg der Skier seines neuen Arbeitgebers glaubte, der Bergsport in seinen Augen jedoch etwas war, das die Menschen begeistern würde. Er erzählte einmal, dass er davon überzeugt gewesen sei, dass der klassische Italien-Strandurlaub in den Siebzigerjahren längst nicht mehr zum neuen Lebensgefühl passte, weil die Menschen in die Natur wollten, in die Berge. Er folgerte, dass es das Richtige sei, Rucksäcke zu produzieren, die sowohl für die Wanderung im Taunus als auch für Himalaja-Expeditionen geeignet wären. Hochwertige Ausrüstung für Menschen, die in der Natur aktiv sein wollten.

Ich bin immer noch beeindruckt, welche Weitsicht er mit dieser Einschätzung bewies, denn »Outdoor« gab es damals weder als Begriff noch als den breiten, attraktiven Markt, der uns heute ganz selbstverständlich erscheint und es als Lifestyle sogar in die Fußgängerzonen unserer Innenstädte geschafft hat. Stattdessen wurde Bergsport überwiegend von Männern ausgeübt: Lederhosen, dicke Wanderstiefel aus Leder und rote Socken prägten damals das Bild. Entsprechend groß war die Skepsis der Gesellschafter des Unternehmens, als er sie davon überzeugen wollte, sich anstelle der Skier auf die Herstellung von Rucksäcken zu konzentrieren: »Vergessen sie es! Mit den paar Produkten, die Bergsteiger brauchen, können wir keine Umsätze machen. Wir bleiben bei unseren Skiern!«

Einwände waren jedoch noch nie etwas, das meinen Vater davon abgehalten hätte, eine einmal lieb gewonnene Idee zu verwirklichen. Im Gegenteil, Widerstand spornt ihn erst recht an: »Geht nicht, gibt’s nicht!« So erstaunt es im Nachhinein nicht, dass er die Idee schließlich einfach selbst umsetzte. »Es war ja auch schon immer mein Traum, mich irgendwann selbstständig zu machen!«, kommentierte er im Nachhinein diesen Schritt. Er kündigte kurzerhand seinen Job, stellte Kontakt zu den Firmen Stubai und Edelweiss her, um deren Bergsportprodukte wie Seile, Karabiner und Eispickel in Deutschland zu vertreiben, und sah sich nach geeigneten Produktionsmöglichkeiten für die geplanten Rucksäcke um. Damit war der Grundstein für das Unternehmen gelegt und meine Mutter kreierte als erstes Logo ein Kleeblatt, das der Firmengründung Glück bringen sollte. Gründungskapital für das neue Unternehmen war so gut wie nicht vorhanden. Mein Vater hatte eine kleine Abfindung bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ausgehandelt und konnte einen überschaubaren Kredit auf seinen Anteil am Haus seiner Mutter aufnehmen. Ich staune immer noch, mit wie viel Risikofreude meine Eltern sich auf dieses Abenteuer einließen und mit wie viel Willensstärke mein Vater aus dieser bescheidenen Ausgangssituation ein erfolgreiches Unternehmen gründete. Meine Mutter meinte dazu im Rückblick: »Ich war immer schon risikofreudig und habe deinem Vater voll vertraut. Und wir hatten ja auch nicht viel zu verlieren.«

Schon von Gründung an beschäftigte mein Vater auf geringer Teilzeitbasis einen Buchhalter. Ein Jahr später folgten die Sekretärin Edith, die meine kleine Schwester Kerstin immer mit Keksen fütterte, und unser Nachbar Klaus, der von Anfang an immer wieder ausgeholfen hatte und nun als Mann für alles fungierte, bald darauf mein Onkel Hubertus. Aus dieser familiären und freundschaftlichen Gründungsphase resultiert nicht zuletzt, dass sich bei VAUDE alle duzen. Dieses sehr persönliche und direkte Miteinander prägt unser Unternehmen bis heute.

Als Büro des frisch gegründeten Unternehmens wurde das Schlafzimmer meiner Eltern in unserer Wohnung in Untereisenbach umfunktioniert. Das war der einzige Raum, der mit einer Extratür vom Rest der Fünfzimmerwohnung abgegrenzt war und damit eine gewisse Besuchertauglichkeit aufwies. Die anderen Räume bestanden aus unserem Kinderzimmer, dem Esszimmer, Wohnzimmer, der Küche und einem weiteren kleinen Räumchen, das meine Eltern fortan als Schlafzimmer nutzten. Als eine Art Basislager diente die Hopfendarre unseres Vermieters, des Hopfenbauers Paul Martin. In diesem über eine Treppe zu erreichenden Raum in der Scheune nebenan wurden hauptsächlich die Produkte gelagert und versandfertig gemacht. Ein paar Wochen im Jahr musste die Ware allerdings immer ausgelagert werden: wenn die Ernte kam und der Hopfen dort gelagert und getrocknet wurde. Der Raum diente aber auch als Kinderspielplatz, als einfache Produktionsstätte und Partyraum, denn ein Grund zum Feiern fand sich eigentlich immer.

Rund um diese ungewöhnliche Raumsituation der Gründungsjahre ranken sich viele lustige Anekdoten. So war im Büro aus Platzmangel nicht nur Fritzchen, unser Meerschweinchen, untergebracht, sondern auch der nach wie vor eingebaute Kleiderschrank meiner Eltern. Damit wenigstens jener nicht so auffiel, beklebten sie ihn mit großen Bergbildern und achteten streng darauf, dass die Schranktüren bei Kundenbesuchen geschlossen blieben.

Wollten Kunden nach dem Besuch im Büro noch das Lager sehen, gab es eine einstudierte Vorgehensweise. Oberstes Gebot war es, beim Kunden einen möglichst professionellen und geschäftigen Eindruck zu hinterlassen. Per Funkverbindung in die Hopfendarre wurde also, sofern unsere Mitarbeitenden im Lager tätig waren, unauffällig gecheckt, ob diese anwesend waren, und angekündigt, dass gleich Besuch...