Ängste verstehen - Hilfe für Angehörige und Freunde

von: Isabel Schroth

nymphenburger Verlag, 2020

ISBN: 9783485061735 , 128 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 8,99 EUR

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Ängste verstehen - Hilfe für Angehörige und Freunde


 

Welche Angststörungen gibt es?


Nach dem internationalen Klassifikationssystem für psychiatrische Erkrankungen werden Angsterkrankungen eingeteilt in: Phobische Störungen, Panikstörungen und Generalisierte Angststörungen.

Phobische Störungen


Unter diesem Begriff – »Phobie« leitet sich ab vom griechischen Wort »phobos« (Angst) – wird eine Gruppe von Störungen zusammengefasst, bei denen Angst durch eindeutig definierte, eigentlich ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen wird. Dazu gehören die Agoraphobie, die soziale Phobie und die sogenannten spezifischen Phobien.

Agoraphobie

Sie ist eine der häufigsten Phobien. Agoraphobie (von altgriechisch »agorá«, Versammlungsplatz) beschreibt die Angst vor großen Menschenansammlungen, öffentlichen Plätzen und Situationen, bei denen eine Flucht schwierig erscheint. Sitzt der Betroffene beispielsweise im Kino in der mittleren Sitzreihe und der Notausgang ist ziemlich weit entfernt, dann fürchtet er, in Ohnmacht zu fallen, einen Herzinfarkt zu erleiden oder sich verrückt zu benehmen. Schon der Gedanke an eine solche Situation, aus der es keinen Fluchtweg gibt, kann eine Panikattacke auslösen und wird daher möglichst vermieden. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren oder sich in der Öffentlichkeit zu blamieren, kann zu einer großen Belastung werden. Das alltägliche Leben wird dadurch eingeschränkt, der Betroffene zieht sich zurück, hat Furcht, sich aus der vertrauten Umgebung zu entfernen und kann sich, bei stark ausgeprägter Phobie, sogar völlig isolieren.

AGORAPHOBIE
  • Angst vor öffentlichen Orten, beispielsweise Restaurants, Geschäften und Menschenansammlungen
  • Angst, dass keine Fluchtmöglichkeit vorhanden ist
  • Angst, alleine in öffentlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug, Bus, Zug) zu verreisen
  • Die Angst verstärkt sich, wenn das gewohnte Umfeld verlassen wird.

Eine Agoraphobie kann mit oder ohne Panikattacke auftreten und ist nicht durchweg konstant. Es gibt große Schwankungen innerhalb einer Angsterkrankung. Manchmal fällt es dem Betroffenen leichter, eine gefürchtete Situation zu ertragen, zeitweise macht ihm diese aber so große Angst, dass er sie kaum aushalten kann.

Es gibt verschiedene Ursachen, die eine Agoraphobie auslösen können. Länger andauernde Stresssituationen oder traumatische Erlebnisse wie Krankheit, Tod eines Angehörigen, Verlust des Arbeitsplatzes begünstigen das Auftreten. Häufig beginnt eine Agoraphobie mit einer Panikattacke, in einer eigentlich harmlosen Situation, meist außerhalb des vertrauten Umfelds. Der Betroffene, der das zum ersten Mal erlebt, kann die Symptome, plötzliche körperliche Beschwerden wie Herzrasen oder Schwindelgefühle, zunächst gar nicht zuordnen. Alarmiert er den Rettungsdienst oder sucht ein Krankenhaus auf, findet sich meist keine körperliche Ursache. Doch der Schock sitzt tief, und die Angst vor einem neuerlichen Anfall ist groß. Treten diese Angstattacken häufiger auf, wird der Betroffene zunehmend versuchen, bestimmte Situationen zu vermeiden. Ein Kreislauf der Angst entwickelt sich und die sogenannte »Angst vor der Angst« nimmt ihren Lauf. Die Betroffenen versuchen, ihre Angst zu verstecken, da sie befürchten, sich zu blamieren. Sie gebrauchen Ausreden: So wird beispielsweise ein Kinoabend abgesagt, indem der Betroffene vorschiebt, unter starken Kopfschmerzen zu leiden.

Das Hauptsymptom der Agoraphobie ist eine übergreifende und anhaltende Angst (über mindestens 6 Monate), die nicht auf eine bestimmte Situation oder ein Objekt begrenzt ist, sondern verschiedene Lebensbereiche beeinträchtigt. Man bezeichnet sie auch als »frei flottierend«. Frauen erkranken hierbei doppelt so häufig wie Männer. Eine Agoraphobie wird meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren diagnostiziert, mindestens die Hälfte der Betroffenen haben eine weitere psychische Erkrankung, meist eine Phobie, Panikstörung oder Depression. Sie sind sehr schreckhaft und zeigen eine übertriebene Aufmerksamkeit (Hypervigilanz).

Die soziale Phobie

Die Betroffenen fürchten sich vor sozialen Kontakten und davor, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Die typischen Angstsymptome entwickeln sie, wenn sie bestimmten Situationen in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind, beispielsweise wenn sie vor anderen Menschen sprechen oder essen sollen, auf Partys, in Klassenräumen oder wenn sie Bekannten auf der Straße begegnen. Solche Situationen machen dem Betroffenen große Angst und führen zu Symptomen wie Erröten, Zittern, Schwitzen oder starkem Harndrang. Zudem hat er große Angst davor, etwas falsch zu machen oder sich zu blamieren. Es belastet ihn der Gedanke, den Erwartungen der anderen nicht gerecht werden zu können oder im schlimmsten Fall sogar abgelehnt zu werden. Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, haben häufig auch ein geringes Selbstwertgefühl und fürchten sich vor der Kritik anderer Menschen.

Dass die anderen seine Angst bemerken könnten, bereitet ihm große Sorgen und hindert ihn daran, Verabredungen mit Freunden und Bekannten zu treffen. Im schlimmsten Fall isoliert er sich und vermeidet alle gesellschaftlichen Aktivitäten. Das kann zur Folge haben, dass noch weitere psychische Belastungen hinzukommen und der Betroffene beispielsweise eine Depression entwickelt. Auch wird häufig versucht, die Sorgen durch Beruhigungsmittel, Alkohol oder Drogen zu vergessen und zu verdrängen.

SOZIALE PHOBIE
  • Angst vor Situationen des sozialen Miteinanders
  • übersteigerte Angst vor negativer Bewertung
  • Angst davor, sich zu blamieren
  • Rückzug aus der angstmachenden Situation
  • Häufig kommt es zu weiteren psychischen Beschwerden, beispielsweise Depressionen.

Spezifische Phobien

Hier haben die Betroffenen, wie der Begriff deutlich macht, eine ausgeprägte Furcht vor einer ganz bestimmten Situation oder einem bestimmten Objekt. Eigentlich ist dem Betroffenen bewusst, dass seine Angst unbegründet und übertrieben ist. Mit dem angstauslösenden Reiz konfrontiert, kann er jedoch nichts dagegen tun und entwickelt die typischen Angstsymptome, die von körperlichen Symptomen begleitet sein können.

Die spezifische Phobie gehört zu den häufigsten Störungen, wobei Frauen auch hier öfters betroffen sind als Männer. Meist beginnt sie bereits in der Kindheit oder im jungen Erwachsenenalter. Es gibt verschiedene Unterarten der spezifischen Phobie:

  • Umwelt-Typus: Angst vor Naturgewalten wie Gewitter und Sturm, Furcht vor Höhen
  • Blut-Spritzen-Verletzungs-Typus: Furcht vor dem Anblick von Blut, Angst vor Impfungen, vor Ärzten, besonders Zahnärzten
  • Tier-Typus: Angst vor Tieren, besonders häufig vor Spinnen und Schlangen
  • Situativer Typus: Angst vor bestimmten Situationen wie vor dem Fliegen, dem Autofahren; Furcht, in engen Räumen, etwa im Fahrstuhl, eingeschlossen zu sein

Meist können Menschen, die an einer spezifischen Phobie leiden, gut damit umgehen und sind geringer belastet als jene, die etwa an einer sozialen Phobie leiden. Wer beispielsweise Angst vor dem Fliegen hat, wird sich deshalb nicht, wie das etwa bei der Agoraphobie der Fall sein kann, davor fürchten, überhaupt seine Wohnung zu verlassen. Die Angst beschränkt sich hier nur auf die besondere Situation. Für denjenigen dagegen, der unter einer Agoraphobie leidet, gibt es nicht nur mehrere, verschiedene Situationen, die er fürchtet, sondern seine Angst gilt vor allem den dabei auftretenden Panikattacken und ihren möglichen Folgen: »Das Flugzeug stürzt ab, ich sterbe.« Aber auch bei spezifischen Phobien kann der Leidensdruck so groß werden, dass man nach einer geeigneten Therapie suchen sollte.

Panikstörung


Unter Panik versteht man allgemein einen Zustand intensiver Furcht vor einer tatsächlichen oder auch nur angenommenen Bedrohung. Die starke, unbegründete Angst, die bei einer Panikstörung auftritt, kann sich innerhalb von wenigen Minuten zu einem Angstanfall (Panikattacke) ausweiten. Von einer Panikstörung spricht man, wenn spontane Panikattacken häufig auftreten. Die Betroffenen zeigen starke körperliche Symptome, befürchten zu sterben oder die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren.

Merkmale einer Panikstörung

Charakteristisch bei einer Panikstörung ist, dass die meisten Betroffenen mindestens eine weitere psychiatrische Diagnose haben. So leiden viele zusätzlich unter Depressionen, weiteren Ängsten, Persönlichkeitsstörungen oder Medikamentenmissbrauch. Etwa 50 Prozent der Betroffenen haben gleichzeitig eine Agoraphobie. Frauen sind auch hier häufiger als Männer betroffen, eine Panikstörung zu entwickeln. Der typische Panikpatient ist weiblich, gesund und im jüngeren Alter.

Ursache für eine Panikstörung ist oft eine unerwartet auftretende Panikattacke, was dazu führt, dass man das erneute Auftreten von Panikattacken und die damit verbundene...