Workbook Change Management - Methoden und Techniken

von: Dietmar Vahs, Achim Weiand

Schäffer-Poeschel Verlag, 2020

ISBN: 9783791046990 , 546 Seiten

3. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 48,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Workbook Change Management - Methoden und Techniken


 

2 Grundlagen und Vorbereitung – Instrumente


Change-Prozesse sind in jeder Phase anspruchsvoll. Wie wir im einleitenden Kapitel aufgezeigt haben, stellen sie eine Herausforderung für alle Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens dar. Gleiches gilt für interne Change-Manager oder externe Berater, die einen Veränderungsprozess begleiten und im Sinne der Veränderungsziele zum Erfolg führen sollen. Schließlich ist jeder derartige Prozess einerseits einzigartig und prägt andererseits das kollektive Bewusstsein eines Unternehmens. Das heißt, wenn es gelingt, die Herausforderungen des Wandels erfolgreich zu meistern und die angestrebten Ziele zu erreichen, wird dies die »Veränderungsfitness« eines Unternehmens nachhaltig stärken, während im umgekehrten Fall davon ausgegangen werden muss, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Durchführung von Veränderungsmaßnahmen sinken werden. Deshalb sollten sich alle Verantwortlichen ausreichend Zeit nehmen, um den geplanten Wandel vorzubereiten und die »Weichen« für ihr Change-Projekt von Anfang an richtig zu stellen.

Von herausragender Bedeutung für den Verlauf eines Veränderungsprozesses ist die Vorbereitungsphase, der wir uns in dem zweiten Kapitel widmen. In dieser Phase werden die Grundlagen für einen erfolgreichen Start und den weiteren zielgerichteten Verlauf des Veränderungsprozesses gelegt. Fehler, die hier begangen werden, lassen sich in den folgenden Prozessphasen kaum oder nur schwer korrigieren. Das hat zum einen etwas mit der Logik von Veränderungsprozessen zu tun: Ausgehend von dem Ziel, ein tatsächliches oder potenzielles Problem lösen zu wollen, müssen der Projektauftrag geklärt und die Projektbeteiligten informiert und eingebunden werden. Ein gemeinsames Problemverständnis und -bewusstsein sind dabei ebenso wichtig und hilfreich wie eine von Anfang an klar definierte Beziehung zwischen Auftraggeber, Berater und Klient. Zum anderen sind die organisatorischen und – soweit möglich – kulturellen Voraussetzungen für den Wandel zu schaffen. Dazu gehören sinnvollerweise die Bildung von Change-Teams mit entsprechenden Rollenzuweisungen und die Etablierung einer Projektorganisation wie auch die rechtzeitige Einbindung des Betriebs- bzw. Personalrats.

Die in diesem Kapitel dargestellten Instrumente sollen es ermöglichen, den Veränderungsprozess systematisch vorzubereiten und damit die Grundlage für seine erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung zu legen:

  • Organisation
  • Auftrag und Auftragsklärung
  • Berater auswählen
  • Beratungsprozess
  • Betriebsrat/Personalrat
  • Change-Manager
  • Change-Team
  • Problembewusstsein schaffen
  • Projektorganisation
  • Unternehmenskultur
  • Unternehmenskultur verändern.

2.1 Organisation


Name des Instruments

Organisation, unser Bild von Organisation

Ziele

Einsicht darüber gewinnen, welche Bilder von Organisation man hat und wie sich dies auf die Betrachtung von Organisationen, ihre Bewertung und die Auswahl von Interventionen auswirkt

Beschreibung

Unser Bild von Organisationen

Unser Bild von Organisation ist wirkmächtig. Dieses (mehr oder weniger bewusste) Bild prägt unser Verständnis von Organisationen und es prägt unser Verhalten als Führungskraft oder als Mitarbeiter. Betrachten und definieren wir Organisationen beispielsweise als eine (am besten) reibungslos funktionierende Maschine in der Nachfolge von Taylor, dann tendieren wir wahrscheinlich dazu, die darin tätigen Mitarbeiter als Rädchen in einer Maschine zu sehen und entsprechend zu behandeln. Aufgaben- und Rollenzuschreibungen werden dann wahrscheinlich wichtiger als die Wahrnehmung der die Organisation tragenden tätigen Menschen. Man könnte Organisationen aber auch als Organismen sehen, die in der Auseinandersetzung mit ihren Umwelten wachsen oder vergehen, oder als politisches System mit Macht- und Aushandlungsmechanismen usw. (vgl. die »Bilder« bei Morgan 2018). Wenn man eine Organisation verändern will, muss man sich als organisationsinterner Entscheider ebenso wie als unternehmensexterner Berater über sein eigenes Bild von »Organisation« im Klaren sein, da dieses Bild Auswirkungen auf Sichtweisen, Bewertungen und Interventionen haben wird.

Die Systemtheorie – als eine dieser Sichtweisen – begreift Organisationen als soziale Gebilde und fragt nach der spezifischen Funktionalität einer Organisation in ihren Umfeldern, von der aus sich ihre Existenz legitimiert. Kühl 2011: 168 führt aus: »Systemtheorie heißt ja erst einmal nur, dass Organisationen als soziale Gebilde – soziale Systeme – begriffen werden, die sich durch ihre Eigenarten in einer Welt erst einmal unbegrenzter Komplexität zu behaupten wissen und sich durch ihre Besonderheiten von anderen sozialen Gebilden wie spontanen Face-to-Face-Interaktionen, Gruppen, Familien, Netzwerken, Kommunen, Klassen, Protestbewegungen oder gar ganzen Gesellschaften unterscheiden. Alles andere – die Bestimmung von Organisationen in der modernen Gesellschaft, die Definition von zentralen Merkmalen wie Zweck, Hierarchie und Mitgliedschaft, die Unterscheidungen zwischen drei Seiten der Organisation – folgt aus dieser Entscheidung, Organisationen als soziale Gebilde zu verstehen.«

Kühl 2011: 23–88 definiert drei zentrale Merkmale von Organisationen mit Zweck, Hierarchie und Mitgliedschaft, über die sich Organisationen sowohl untereinander in ihrer Funktionsweise unterscheiden als auch im Gegensatz stehen etwa zu anderen sozialen Gebilden wie Familien, Gruppen oder Protestbewegungen. Kühl macht auf den Wandel dieser drei Merkmale aufmerksam: von der Schichtungsgesellschaft (mit Organisationen wie etwa Gilden oder Klöster) hin zu modernen Gesellschaften. Zwecke beschreiben, was die Organisation anstrebt, was an Zielen oder Strategien aus Sicht der Organisation für ihre Mitglieder handlungsleitend sein soll – Zwecke sollen »das Grundproblem der Bestandserhaltung« spezifizieren (Luhmann zitiert bei Kette 2012: 31). In der modernen Gesellschaft gibt es keine Zwecke mehr, die für allen Organisationen verpflichtend und übergeordnet sind: Viele Organisationen können prinzipiell autonom entscheiden über ihren Zweck. Mit der Wahl eines Zwecks verzichtet eine Organisation auf andere Zwecke und engt ihren (theoretisch unbegrenzten) Handlungsspielraum ein (Kühl spricht hier von »Scheuklappen«). Sie fokussiert damit aber auch die Aufmerksamkeit und die Energien ihrer Mitglieder auf die Erreichung dieses Zwecks. Mitgliedschaft bedeutete in Organisationen der Vormoderne, dass Personen komplett inkludiert waren, d. h., alle Lebens- und alle Zeitbereiche der Personen waren von der Organisation und der zugeschriebenen Rolle betroffen. Die Organisation durfte sich anmaßen, Einstellungen und Verhalten des Organisationsmitglieds auch im Privatbereich zu bestimmen. Die Mitgliedschaft beruhte meist nicht auf einer bewussten Entscheidung sowohl des Mitglieds als auch der Organisation. Dies änderte sich mit den modernen Organisationen: Hier haben beide eine Wahlfreiheit, sodass insbesondere die Organisationen autonom über Eintritt und Austritt von Personen entscheiden können. Hierarchien haben in der modernen Gesellschaft an Wert verloren: Prinzipiell sind alle Menschen gleich, unabhängig von (Geburts-)Stand, Erbe, Herkunft. Ein wie immer geartetes Durchgriffsrecht eines Souveräns in alle Lebensbereiche gibt es nicht mehr. Alleine in Unternehmen gibt es deutliche Hierarchien.

Die Systemtheorie unterscheidet zudem drei Seiten von Organisationen: die formale Seite, die informale Seite und die Schauseite (vgl. zum Folgenden Kühl 2011: 89–159). Organisationen werden oft beschrieben als gut geölte Maschinen, die mechanisch einen bestimmten Zweck erfüllen und in denen die Menschen nur kleine, unbedeutende Rädchen sind, da alle Abläufe über Richtlinien und Handbücher beschrieben sind und wenig individueller Handlungsspielraum besteht – die sogenannte formale Seite. Das heißt, im Fokus stehen die Formalstruktur wie z. B. die Aufbauorganisation (»Welche Bereiche und Abteilungen gibt es?«), die Ablauforganisation (»Wer arbeitet wie mit wem zusammen?«) und die Kommunikationsstruktur (»Wer gibt wem welche Informationen?«, »Wer bekommt von wem welche Informationen?«, »Welche Besprechungen gibt es?«). Die formale Seite einer Organisation hat folgende wichtigen Funktionen: Sie legt fest, woran sich die Mitglieder der Organisation halten müssen (z. B. »Was ist mein Aufgabengebiet? Mit wem muss ich kommunizieren?«), d. h., sie gibt Orientierung. Die Manager andererseits müssen nicht immer alles von Neuem entscheiden und festlegen. Zudem entlastet sie die Organisationsmitglieder dadurch aber auch, da...