Geschichte Kroatiens - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart

von: Ludwig Steindorff

Verlag Friedrich Pustet, 2020

ISBN: 9783791761725 , 304 Seiten

Format: ePUB

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Geschichte Kroatiens - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart


 

EINLEITUNG


Kroatien – Land der Vielfalt


Die Republik Kroatien ist einer der jüngsten Staaten in Europa; zugleich reicht die Kontinuität kroatischer Staatlichkeit bis ins Frühmittelalter zurück. Volksname und davon abgeleiteter Landesname sind schon seit weit über tausend Jahren in der Geschichte präsent.

Historische Territorien


Das heutige Staatsgebiet setzt sich aus mehreren historischen Territorien mit mittelalterlichen Wurzeln zusammen; die jetzigen Abgrenzungen der einzelnen Territorien gehen meistenteils auf das 18. Jh. zurück. – Die Halbinsel ISTRIEN, deren Westküste im 18. Jh. noch zum venezianischen Dominium gehört hatte, war im 19. Jh. unter österreichischer Herrschaft politisch geeint. In der Zwischenkriegszeit stand Istrien unter italienischer Herrschaft; 1945 kam es an Jugoslawien; der kleinere nördliche Teil wurde der Teilrepublik Slowenien zugeordnet, der südliche Kroatien.

DALMATIEN umfasst im heutigen Sprachgebrauch die bis 1797 venezianischen Besitzungen an der mittleren Adriaostküste. Im weiteren Sinne gehört auch das Territorium der bis 1808 selbständigen Republik Dubrovnik, durch einen schmalen bosnisch-herzegowinischen Korridor bei Neum von den einst venezianischen Gebieten getrennt, zu Dalmatien, dem Gebiet Kroatiens, das im 19. Jh. ebenso wie Istrien in die österreichische Reichshälfte der Habsburger Monarchie einbezogen war.

SLAWONIEN erstreckt sich über den Raum zwischen Save und Drau ungefähr östlich der Linie Sisak–Bjelovar, über diejenigen Gebiete des heutigen Nordkroatien, die im 16./17. Jh. dem Osmanischen Reich angehörten.

KROATIEN im engeren Sinne umfasst den sich nach Süden und Norden verbreiternden, in der Mitte durch das bosnische Gebiet um Bihać verengten Landstreifen von der Adriaküste bis an die Drau parallel zur Südostgrenze des einstigen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und damit zur gegenwärtigen kroatisch-slowenischen Grenze. Es sind die Gebiete des heutigen Kroatien, die – neben Ostistrien – bereits im 16./17. Jh. unter habsburgischer Herrschaft standen. – Auf die Bedeutung der Bezeichnungen Dalmatien, Slawonien und Kroatien im Mittelalter und auf den damals teilweise anderen Umfang der drei Territorien sei an späterer Stelle eingegangen.

Das MEĐIMURJE (Zwischenmurgebiet) um Čakovec im Dreieck zwischen einstiger Reichsgrenze, Drau und deren Nebenfluss Mur gehörte, von den Jahren 1848–61 abgesehen, bis 1918 zu Ungarn. Ebenso ist die südliche BARANJA (Baranya), das Gebiet nördlich von Osijek im Winkel zwischen Unterlauf der Drau und Donau, bis 1918 ungarisches Territorium gewesen. Die schon im Mittelalter ausgebildete Landschaft SRIJEM (Syrmien), das Gebiet zwischen Donau und Unterlauf der Save, ist heute geteilt; der westliche Bereich mit den Städten Vukovar und Ilok gehört zu Kroatien, der östliche zur Vojvodina in Serbien. Der zu Kroatien gehörende Teil Syrmiens wird heute auch als Ostslawonien bezeichnet.

Exkurs: Das „Schachbrett“


Kroatiens Staatswappen


Die alten Wappen der historischen Landesteile sind auch in das heutige, 1990 eingeführte Staatswappen einbezogen: Der Schild mit dem rot-weißen Schachbrettmuster aus 25 Feldern steht für den Gesamtstaat Kroatien und zugleich für das historische Kroatien im engeren Sinne. Das Schachbrettwappen, in Vorformen seit dem 11. Jh. bekannt, ist seit dem 15. Jh. vielfach als Wappen Kroatiens belegt; z. B. ist es – ebenso wie das Wappen Dalmatiens – im 1514 von Kaiser Maximilian gestifteten Chorfenster der Nürnberger Kirche St. Sebaldus dargestellt. Das Staatswappen des 1918 gegründeten Jugoslawien nahm das historische kroatische Schachbrettwappen als Teilmotiv auf, allerdings mit dem ersten Feld links nicht mehr weiß, sondern rot. Der Unabhängige Staat Kroatien 1941–45 kehrte zur Tradition des ersten Feldes in Weiß zurück. Im nach dem Vorbild sowjetischer Heraldik gestalteten Wappen der sozialistischen Republik Kroatien war der Schachbrettschild ebenso enthalten, wieder mit dem ersten Feld in Rot: Ein vom roten Stern bekrönter Ährenkranz umrahmte das Bild des aus dem Meer aufsteigenden Schildes mit der aufgehenden Sonne im Hintergrund. Auch das heutige Staatswappen von 1990 beginnt mit dem roten Feld.

Über dem großen Schild des heutigen Wappens wölben sich fünf kleinere Schilde: Das illyrische Wappen am linken Rand zeigt Morgenstern und liegenden Halbmond auf blauem Grund. Die Verbindung von Morgenstern und Mond geht bereits auf die Heraldik und Numismatik des mittelalterlichen Slawonien zurück; seit dem 17. Jh. finden wir in Wappenbüchern das aus gelehrter Konstruktion entstandene Wappen für Illyrien, eine Landschaftsbezeichnung in antikisierender Manier. Das illyrische Wappen hatte für die kroatische Nationalbewegung im 19. Jh. hohen Symbolwert. Rechts neben dem illyrischen Wappen steht das Wappen der einstigen Republik Dubrovnik, zwei rote Balken auf blauem Grund. Es folgt das im 14. Jh. entstandene Wappen Dalmatiens mit drei Leopardenköpfen auf ebenfalls blauem Grund. Die Ziege vor blauem Grund im Wappen Istriens war schon in der Antike Symboltier dieser Landschaft.

Das Wappen von Slawonien, 1496 vom ungarisch-kroatischen König Władisław II. Jagiełło verliehen, zeigt im oberen Feld auf blauem Grund einen Stern, im mittleren einen silbergeränderten roten Balken mit einem Marder im Zentrum, darunter wieder ein blaues Feld. Der Marder, kroatisch kuna, spielt auf die marturina, die aus Slawonien bekannte einstige Naturalsteuer in Marderfellen an. - In historischer Reminiszenz an die Marderfell-Steuer hieß die Währung des Unabhängigen Staates Kroatien 1941–45 kuna. Auch die 1994 eingeführte Währungseinheit der Republik Kroatien trägt diesen Namen.

Das „Schachbrett“. Wappen der Republik Kroatien

Die Außengrenzen des heutigen Kroatien sind großenteils alt. So deckt sich die Grenze gegenüber Slowenien, von Istrien abgesehen, weitestgehend mit der Grenze gegenüber dem alten Österreich bzw. dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation seit dem Hochmittelalter; die Draugrenze gegenüber Ungarn ist mittelalterlichen Ursprunges. Die südöstlichen Grenzen entsprechen denen der Republik Dubrovnik seit dem 15. Jh.

Die Grenzen gegenüber Bosnien-Herzegowina beruhen weitestgehend auf den Friedensschlüssen vom Anfang des 18. Jhs. zwischen Habsburgerreich sowie Venedig auf der einen und Osmanischem Reich auf der anderen Seite. Nur die Grenzziehungen gegenüber Slowenien in Istrien und gegenüber der Vojvodina im Nordosten sind jüngeren Datums; sie erfolgten nach 1945 auf Grund der Siedlungsverteilung nach Nationalitäten. Die ungarisch-kroatische Grenze in der Baranja entspricht der ungarisch-jugoslawischen Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg. Doch über das beträchtliche Alter der meisten Außengrenzen hinweg bleibt festzuhalten, dass nur das engere Kroatien und Slawonien schon seit der Frühen Neuzeit eine politische Einheit bildeten. Ansonsten ist die staatliche Zusammenfassung in den heutigen Grenzen erst ein Ergebnis der föderalen Neuordnung Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg.

In der chronologischen Darstellung wird erkennbar, wie sich bereits seit dem Mittelalter politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zwischen den einzelnen Territorien entwickelten, wie sich Ansätze eines Bewusstseins von Gemeinsamkeit ausbildeten und wie hieraus die Voraussetzungen für die moderne kroatische Nationsbildung seit dem 19. Jh. erwuchsen.

Bevölkerung


Das Territorium der heutigen Republik Kroatien ist nicht deckungsgleich mit dem kroatischen Siedlungsraum. In Bosnien-Herzegowina konzentriert sich die kroatische Bevölkerung auf drei Hauptregionen: Kompakten kroatischen Siedlungsraum finden wir in der westlichen Herzegowina; außerdem gibt es einen größeren kroatischen Bevölkerungsanteil in der Posavina und in Zentralbosnien. Bei der Volkszählung 1991 lebten 756.000 Kroaten in Bosnien-Herzegowina; dies entsprach einem Anteil von 17,3 % neben 43,7 % Muslimen und 31,1 % Serben. Allerdings sind Zahl und Anteil der Kroaten, von der westlichen Herzegowina abgesehen, schon seit Jahrzehnten rückläufig und in Folge des Krieges 1992–95 sowie durch Abwanderung noch einmal gesunken. Ihr Anteil betrug laut Volkszählung von 2013 mit 545.000 Personen 15,4 %, noch stärker als früher räumlich konzentriert auf die westliche Herzegowina.

In der nordwestlichen Vojvodina in Serbien lebten 1991 ungefähr 100.000 Kroaten. Die Bevölkerungsgruppe geht auf verschiedene Kolonisationswellen seit dem 15. Jh. zurück. Man findet für sie auch die subethnische Selbstbezeichnung als bunjevci. Die Zahl der Kroaten in der Vojvodina, schon seit den 70er-Jahren rückläufig, ist seit 1991 durch Übersiedlung in die Republik Kroatien noch weiter zurückgegangen. Fallweise haben die...