New York - Arizona: Helle Stunden - Liebesroman

New York - Arizona: Helle Stunden - Liebesroman

von: Ewa Aukett

Zeilenfluss, 2020

ISBN: 9783967140583 , 315 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 5,99 EUR

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New York - Arizona: Helle Stunden - Liebesroman


 

Prolog


 

Macey

 

 

 

»New York also.«

Coles Lächeln ist breit wie der Grand Canyon, während er mich im Arm hält. Sein Blick ist zärtlich. »New York!«, wiederholt er, und in seiner Stimme liegt die gleiche Begeisterung, die ich in seinen grauen Augen lesen kann. »Gott, das wird ein Abenteuer. Ich freu mich so.«

Ich seufze tonlos und zwinge mich sein Lächeln zu erwidern. Ich würde mich so gern mit ihm freuen, aber ich kann nicht.

Natürlich entgeht ihm nicht, dass ich seinen übersprudelnden Enthusiasmus nicht teile. Sein Blick wird einschmeichelnd.

»Es ist nur ein Jahr, Mace, höchstens zwei«, beteuert er und streicht mir eine blonde Locke aus dem Gesicht.

Ich nicke, schlinge ihm die Arme um die Taille und lege meine Wange an seine Brust. Er soll nicht sehen, dass ich mit den Tränen kämpfe. Grandma sagte immer: ›Wer liebt, muss auch loslassen können.‹

Aber irgendwie ist das leichter gesagt als getan. Cole ist mein Beschützer, mein bester Freund, meine große Liebe … Und nun wird er ins zweitausendvierhundert Meilen entfernte New York City ziehen. Das ist wie das andere Ende der Welt – ein riesiges, bedrohliches und gefährliches Universum.

»Nun schau nicht so traurig, Babe. Du kannst mich besuchen kommen«, schlägt er vor. Ich spüre seine Lippen auf meinem Haar und drücke mich noch enger an ihn.

»Du weißt, dass mich keine zehn Pferde nach New York bringen«, erwidere ich leise.

»Ja, ich weiß. Eine unglückliche Reise durch Los Angeles und schon sind alle Großstädte für dich der blanke Horror.«

Ich verspanne mich. Bei dem Thema bin ich auch nach zwei Jahren immer noch überempfindlich – besonders wenn ich das Gefühl habe, nicht ernstgenommen zu werden. Gerade er sollte das besser wissen.

»New York hat mehr als doppelt so viele Einwohner wie L.A., ich bin eben nur ein dummes Landei, das damit nicht klarkommt.« Ich versuche mich aus seiner Umarmung zu befreien, doch Cole hält mich unerbittlich fest. Er ist viel stärker als ich.

»Hey … heyyyy … so war das nicht gemeint, und das weißt du.« Er legt zwei Finger unter mein Kinn und zwingt mich ihn anzusehen.

Wütend presse ich die Lippen aufeinander, während ich seinem Blick standhalte.

»Und du weißt, dass die Sache in L.A. schwer genug für mich war.« Die Worte brennen in meiner Kehle, fast so schlimm wie die Tränen, die ich heulen möchte, aber mühsam unterdrücke.

Manchmal will ich ihn wegstoßen, wenn er diesen treudoofen Dackelblick aufsetzt, mit dem er meint alles entschuldigen zu können. Aber ich liebe ihn zu sehr, um ihm ernsthaft böse zu sein.

»Ja, und es tut mir leid, dass ich diese dämliche Bemerkung gemacht habe. Ich wünschte mir nur, du könntest deine Angst überwinden und dir einen Ruck geben. Du wolltest doch selbst immer weg von hier.«

Ich senke die Lider und dränge die aufkommende Kälte zurück, die mich bei den Erinnerungen an die Ereignisse der Vergangenheit überfällt. Der Druck in meiner Kehle wird übermächtig. Eine Träne löst sich aus meinem Augenwinkel, und mein Blick verschwimmt.

»Ich kann nicht«, flüstere ich erstickt.

Cole zieht mich wieder an seine breite Brust, und ich presse mein Gesicht in sein Hemd. Seine Hände streicheln über meinen Rücken. Er ist so groß und stark. Wenn er bei mir ist, habe ich vor fast nichts Angst – jedenfalls vor nichts, was nicht so weit außerhalb meiner Komfortzone liegt wie New York. Wie soll das nur ohne ihn werden?

Seine warme Stimme raunt sanfte Worte in mein Haar. »Tut mir leid, Süße. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.«

Ich nicke stumm, sammele mich und atme tief durch. Ich muss mich beruhigen, auch um seinetwillen. »Mir tut es leid, dass ich nicht so abenteuerlustig bin wie du. Ich wünschte, ich wäre mutiger.«

»Ist schon gut, wirklich.« Ich kann sein Lächeln geradezu hören. »Ich komm dich besuchen, wenn ich Ferien habe. Und wenn ich mich in dem Job etabliert und genug verdient habe, besorge ich mir in Tucson eine neue Stelle.«

Ich hebe den Kopf und sehe ihn an. »Bist du sicher, dass dir das genügen wird, wenn New York dich erst erobert hat?«

»Hey, Tucson ist immerhin größer als Green Valley.« Er schenkt mir ein liebevolles Lächeln, und seine Hand gleitet über meinen Hals. Mir wummert das Herz in der Brust. Ich liebe diesen verrückten Kerl so sehr. »Außerdem bist du hier, das ist Grund genug, oder?«

Nicht Grund genug, dass du bleibst, schießt es mir durch den Kopf. Ich schlucke, vermeide die Worte laut auszusprechen. Ich will keinen Streit vom Zaun brechen, so kurz vor unserem Abschied. Wir haben das schon viele Abende lang diskutiert. Seine Entscheidung steht fest, und ich werde nicht diejenige sein, die ihm seine Träume raubt. Stattdessen hole ich tief Luft. »Also kommst du zurück … und dann?«

»Wir starten einfach neu«, schlägt er vor.

Ich forme die Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Vielleicht haben wir dann die Chance, eine Familie zu gründen.«

»Eine Familie?«

»Ja, heiraten und Kinder kriegen. Du weißt schon.«

Er neigt den Kopf zur Seite und mustert mich. »Du meinst wegen gestern Nacht?«

»Ach wo.« Ich verziehe das Gesicht. »Grundsätzlich mein ich … du und ich, bis ans Ende der Zeit.«

Cole gelingt das Kunststück, eine Grimasse zu schneiden, mich anzulächeln und den Kopf zu schütteln. »Mace, wenn, dann haben wir genau davon noch genug.« Er lacht leise, und ich komme mir unglaublich dumm vor mit meinen Kleinmädchenträumen. »Eigentlich will ich keine Kinder, jedenfalls noch nicht. Überleg mal, Babe, dann bin ich gerade mal zweiundzwanzig und du neunzehn. Wir sind viel zu jung für so viel Verantwortung. Lass uns das Leben genießen und die Welt entdecken. Es gibt so viel anderes, was wir noch tun können, bevor wir eine Familie gründen. Es muss ja nicht gerade New York sein, aber wir suchen uns ein netteres Fleckchen als dieses Kleinstadtkaff. Hauptsache raus aus Green Valley, weg von der Grenze und all ihren Verrückten.«

Ich nicke, lasse das Kinn auf die Brust sinken und nicke nochmal, um meine Zustimmung zu signalisieren. Er soll mir meine Enttäuschung nicht anmerken. Natürlich habe ich nicht ernsthaft damit gerechnet, dass meine Wünsche ihn begeistern werden, aber irgendwann … irgendwann will ich mit ihm eine Familie gründen und alt werden. Cole ist der Mann meines Lebens. Ich will niemand anderen an meiner Seite. »Ja, sicher.«

Für Cole ist alles schwarz und weiß und einfach zu regeln. Er wird nach New York gehen und Broker werden. Trotz seiner bescheidenen Leistungen in der Schule, des mittelmäßigen Abschlusses und eines gänzlich fehlenden Studiums hat er, dank eines alten Bekannten seines verstorbenen Großvaters, tatsächlich einen begehrten Job bei einer der ganz großen Investmentfirmen ergattert. Ich weiß, sein Ehrgeiz und seine Intelligenz werden ihn voranbringen.

Das ist sein großer Traum: New York! Die ultimative Karriere. Erfolg und Geld haben, sich einen Namen machen und einer von denen sein, die mit Respekt und Ehrfurcht behandelt werden. Wie kann ich ihm das verwehren? Ich muss ihn loslassen, ihn gehen lassen.

Ich spreche es nicht aus, aber ich zweifele an seiner Rückkehr, auch wenn ich versuche mich an diese irrsinnige Hoffnung zu klammern. Er mag jetzt fest entschlossen sein, in zwei Jahren wieder nach Hause zu kommen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er dieses neue Leben in New York aufgeben wird, wenn es ihm dort wirklich so viel besser gefallen sollte als in unserem Vorstadtörtchen.

Cole hat immer von hier weggewollt.

Cole hat auch irgendwie nie richtig hierhergehört.

 

Als er vor acht Jahren, kurz nach meinem neunten Geburtstag, in mein Leben gestolpert war, waren wir noch Kinder. Der neue Nachbarsjunge und ich freundeten uns rasch an.

Zugegeben, ich war aufdringlich und penetrant und bin ihm echt auf den Keks gegangen. Aber als ich ihn damals gesehen habe, mit seiner viel zu langen, dunkelblonden Mähne und den grauen Augen, habe ich einfach gewusst, dass dieser Junge von nun an zu meinem Leben gehören würde.

Gemeinsam mit seinem Kumpel Oliver haben wir ein Baumhaus im Garten der Sullivans gebaut. Okay, anfangs mit der Unterstützung von Mr Sullivan, der uns bei der Bodenplatte geholfen hat, die zwischen den zwei Mesquitebäumen nicht ganz einfach zu befestigen war. Aber der Rest war unser Ding, unsere Kraft, unser Schweiß, unsere blauen Daumen, weil wir den Hammer wieder daneben geschlagen hatten.

Zu dritt bestanden wir wilde Abenteuer gegen imaginäre Trolle und schleimige Monster. Wir haben gelacht, gerauft, getobt und uns über Olivers erste linkische Anmach-Versuche amüsiert, als er Megan Taylor, aus der Stufe unter ihnen, für sich entdeckte.

Dann waren wir nur noch zu zweit, aber es war eine gute Zeit. Wir haben viel geredet, Pläne geschmiedet, und aus Kumpels wurden beste Freunde. Wir wollten reisen und die Welt erobern, mit Cole konnte ich in meinen Träumen von daheim fortfliegen – und er war da, als ich von dieser Horrorreise aus L.A. zurückkam, um mich in die Arme zu nehmen und nicht wieder loszulassen.

Danach war er nicht mehr nur mein bester Kumpel.

Cole war mein erster fester Freund – die Sonne, um die ich kreiste, und das Universum, in dem ich existierte. Ich hatte meinen ersten perfekten Kuss mit dem Menschen erlebt, der mir am wichtigsten war, und er war es, mit dem ich erfahren habe, was Liebe wirklich bedeutet. Cole war alles für mich, er ist alles für mich.

Bis heute.

Jetzt endet...