Künstliche Intelligenz - Masterplan für die Zukunft

von: Karim Massimov

LangenMüller, 2020

ISBN: 9783784483832 , 240 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 18,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Künstliche Intelligenz - Masterplan für die Zukunft


 

Die Grundidee

»Was das […] Projekt fantastisch macht, sind die enormen Aussichten, die sich eröffnen, wenn eine erfolgreiche Lösung des Problems gefunden wird.«

Georgi Nikolajewitsch Fljorow, sowjetischer Physiker, in einem Brief an Josef Stalin, April 1942

Im Dezember 2018 besuchte der frühere Präsident von Kasachstan Nursultan Nasarbajew »Smart Akqol«, das erste kasachische Smart-City-Projekt, das in der kleinen Stadt Akqol mit 13 000 Einwohnern durchgeführt wurde.

Vollständig digitalisiert, wurde Akqol mit intelligenten Videoüberwachungssystemen ausgestattet; automatisierte Instanzen kontrollierten den Energieverbrauch und die Schadstoffbelastung, und für die gesamte Stadt wurde ein Hochgeschwindigkeits-Internetnetzwerk eingerichtet. Zudem erstellte man eine mehrschichtige digitale Karte, auf der nicht nur Informationen zu Gebäuden, Bauwerken und Grundstücken zu finden, sondern auch Versorgungs- und Infrastrukturnetze verzeichnet waren. All diese Daten wurden in einem sogenannten Situation Center zusammengeführt, das außerdem Informationen von allen öffentlichen Gebäuden, Schulen, Krankenhäusern und Regierungsbehörden erhielt. Auf diese Weise war es möglich, eine vollständige und aktuelle Datenbank zu erstellen, die in Echtzeit aktualisiert werden kann, um Lösungskonzepte auf der Grundlage von Datenanalysen bereitzustellen und vor Auffälligkeiten zu warnen.

Hintergrund dieses Pilotprojektes war es jedoch nicht, neue technologische Lösungen zu suchen und zu erforschen. Vielmehr standen wirtschaftliche Vorteile sowie die Steigerung der Lebensqualität der Bewohner im Vordergrund. Und tatsächlich: Innerhalb weniger Monate nach Start des Projekts verbesserte sich die öffentliche Sicherheit nachweislich und die Kosten für die Versorger waren deutlich gesunken, da diese nun Behördengänge und somit analoge Bürokratie vermeiden konnten.

Gleichzeitig zeigte Smart Akqol, dass eine Smart City nicht nur ein futuristisches Konzept ist, sondern als KI-basierte (KI: Abkürzung für künstliche Intelligenz, engl.: AI, Artificial Intelligence) integrale Infrastruktur umsetzbar ist. Sie ermöglichte ein effizientes und optimiertes Stadtmanagement durch Erfassung von Daten mittels Sensoren, Videokameras und Satellitenbildern.

Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Erfahrung auf alle 17 großen und über 200 kleineren Städte in Kasachstan ausgedehnt werden sollte. Dies hätte nicht nur positive Auswirkungen auf das Wohlergehen des Volkes zur Folge, sondern würde auch als Beispiel dafür dienen, wie KI genutzt werden kann. Neben Smart Citys eröffnen sich durch künstliche Intelligenzen noch weitere großartige Möglichkeiten.

Der Begriff der künstlichen Intelligenz ist zwar weithin bekannt, doch leider interpretiert nicht jeder die Phänomene und Konzepte, die sich dahinter verbergen, richtig. Die Populärkultur steckt voller Bilder von verrückten Cyborgs, »dem Aufstieg der Maschinen« und anderen Horrorgeschichten. Realer sind hingegen die Sorgen von Arbeitnehmern, die befürchten, dass KI-Systeme sie eines Tages ersetzen könnten. Diese Befürchtungen beruhen zwar meist auf vernünftigen Annahmen, sind jedoch weitgehend grobe Übertreibungen.

Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, rational zu denken, Entscheidungen zu treffen und wie ein Mensch zu handeln (Wooldridge, 2018). Künstliche Intelligenz nutzt maschinelles Lernen und sogenanntes Deep Learning.

Sie kennen das aus dem Alltag: Ein Supermarkt muss vorhersagen, wie viele Waren er benötigen könnte (Regression). Eine Bank muss die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers bewerten (Klassifizierung). Und Streamingportale wie Netflix & Co. empfehlen Ihnen Filme, basierend auf dem, was Sie zuletzt gesehen haben (Clustering). Das alles sind Beispiele für maschinelles Lernen. Deep Learning kombiniert all diese Methoden des maschinellen Lernens mit extrem großen und wachsenden Datenströmen. Daher kommt der Begriff Big Data.[1]

Die erste, die zweite und die dritte industrielle Revolution brachten neue Zwecktechnologien hervor, die radikal neue Lösungen für grundlegende Probleme, wie zum Beispiel in der Massenproduktion, dem Transportwesen oder der Kommunikation, ermöglichten. Infolgedessen steigerte sich die gesamte Produktivität und weitere Innovationen folgten. Aus der ersten industriellen Revolution, die bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England begann, ging die Dampfmaschine hervor – das neue technische Hilfsmittel, welches zur Entwicklung der Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie sowie zum Bau von Eisenbahnen und Kanälen führte. Die anschließende zweite industrielle Revolution brachte die Erfindung der Elektrizität mit sich, gefolgt von der Entwicklung der Telekommunikations-, Öl- und Gasindustrie. Sie bescherte uns Telefone und Telegrafen, Flugzeuge und Autos. Die Informationstechnologien der dritten industriellen Revolution, auch digitale Revolution genannt, kamen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf; diese Revolution dauert noch immer an. Mit der durch sie eingetretenen Digitalisierung wurde und wird unsere Lebensweise neu »formatiert«. Durch das Internet und immer schnellere und intelligentere Computer kommt es zu einer zunehmenden Automatisierung von Abläufen. Strom, Autos oder das World Wide Web sind aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken.

Doch wie steht es um die Zukunft? Das Unternehmen Gartner sagt voraus, dass in den nächsten fünf Jahren 5G- und virtuelle Assistenten in großem Umfang eingeführt und optimiert werden (Panetta, 2018). Zu den Trends der nächsten zehn Jahre zählen Quantencomputer, intelligente Roboter, Biochips und Smart Citys. In den Jahren danach werden wir, so schätzen Experten, künstliche allgemeine Intelligenz, alltagstaugliche Exoskelette, 4D-Drucker, fliegende autonome Fahrzeuge und angewandtes Biohacking in unseren Alltag integriert haben.

Für die Zukunft lassen sich daraus drei Trends ableiten, die durch künstliche Intelligenz auf den Weg gebracht werden:

Erstens wird es künftig einige wenige KI-Supermächte geben, mit den Vereinigten Staaten von Amerika und China in den Vormachtstellungen. Einige Zukunftsforscher prophezeien sogar einen neuen Kalten Krieg. Sie vergleichen das Potenzial künstlicher Intelligenz (besonders im militärischen Bereich) mit dem der Atombombe. Noch scheint diese Einschätzung übertrieben, doch diese beiden Länder sind bereits jetzt in erbitterte Revierkämpfe verwickelt: Am 16. Mai 2019 setzte das US-Handelsministerium das chinesische Unternehmen Huawei auf die »Entity List«, wodurch der Kauf von Technologie von US-Unternehmen fortan verboten war (BBC News Russian Service, 2019). Dieses Beispiel ist ein deutliches Signal für andere Länder: Sie müssen sich beeilen! Technologische Zukunft ist kein Geschäft von Jahren mehr, sondern von Monaten.

Zweitens werden neue Technologien zu Superkorporationen führen und somit zu einer Verschiebung des Einflusses in der Unternehmenswelt, weg von Öl- und Finanzunternehmen hin zu technologischen Giganten. Laut Anand Giridharadas, dem Autor von »Winners Take All«, könnten wir derzeit das Entstehen der sogenannten neuen feudalen Elite im Silicon Valley beobachten (Giridharadas, 2018). Und auch diese Beobachtung beruht auf Fakten: Huawei ist führend in der neuen Generation der 5G-Technologie. Gängige Betriebssysteme und Suchmaschinen sowie die Hardware und Software sind Eigentum der US-amerikanischen Unternehmen Alphabet, Microsoft, IBM und Apple. Google (Alphabet), Tesla und SpaceX sind führend im Bereich des autonomen Fahrens und der Raumfahrtindustrie. Facebook und Tencent setzen Markttrends bei Social-Media- und Messaging-Apps. Amazon, Ebay und Alibaba Group dominieren den digitalen Einzel- und Großhandel.

Das schnelle Wachstum dieser Superkorporationen sowie deren Einfluss zeigen, dass sich der neue marktwirtschaftliche Wettbewerb verschieben wird – weg vom Kampf um die Ressourcen, hin zum Kampf um Daten, die von Menschen generiert werden.

Obwohl es sich dabei derzeit noch um Zukunftsmusik handelt, liegt es nahe, dass künstliche Intelligenzen – mit fortschreitender Entwicklung – auch in der Lage sein werden, eine neue Klasse von Supermenschen zu erschaffen. Der dritte, noch weit entfernte Trend wird also sein, direkten Einfluss auf den Menschen selbst zu nehmen; Experten sprechen vom sogenannten Gilgamesch-Projekt. In diesem Zusammenhang ist der von den Futuristen und renommierten Investoren Ray Kurzweil und Masayoshi Son vorhergesagte Schlüsseltrend das Aufkommen einer sogenannten Singularität. Diese Singularität, angelehnt an den Begriff aus der Astronomie, ist ein Punkt in der Zukunft, ab dem sich die Technologie so stark verändert und entwickelt haben wird, dass sie für den Menschen unverständlich ist. Viele Zukunftsforscher glauben, dass dieser Punkt bereits 2050 erreicht sein könnte.

Die Umrisse einer solchen Zukunft sind schon heute sichtbar; und darin besteht auch die Kernaussage dieses Buches. Es ist weder eine wissenschaftliche Abhandlung noch reine Fiktion. Vielmehr beschreibt es, wie künstliche Intelligenz schon heute beginnt, die Welt zu verändern – ihre sozio-ökonomischen Strukturen, Märkte und politischen Systeme. Und es legt offen, wie auch unsere persönlichen Entscheidungen zunehmend beeinflusst werden.

Praktische Anwendungen künstlicher Intelligenz sind heute bereits allgegenwärtig in einer Vielzahl von Industrien; angefangen beim Finanzsektor, über die Verarbeitung medizinischer Bilder bis hin zur Betrugserkennung. Und während KI-Technologien immer mehr wichtige Aufgaben verschiedener Berufe übernehmen, eröffnen sie gleichzeitig neue, ungeahnte...