Mörderische Fluss-Kreuzfahrten - 11 Flüsse, 11 Morde

Mörderische Fluss-Kreuzfahrten - 11 Flüsse, 11 Morde

von: Claudia Schmid

Gmeiner-Verlag, 2020

ISBN: 9783839266083 , 284 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 10,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Mörderische Fluss-Kreuzfahrten - 11 Flüsse, 11 Morde


 

Passau for ever
(Donau; Passau, Wien)


»Eeedelgard!«

Ich hasse die Art, wie er meinen Namen ausspricht, mit dieser völlig übertriebenen Betonung auf der ersten Silbe. Keine Ahnung, was meine Mutter geschluckt hatte, als sie sich diesen Namen für mich überlegte. Alle anderen Mädchen in der Klasse hießen Monika, Helga, Sabine, Andrea oder Angelika. Aber Edelgard! Vielleicht war auch Mutters Tante der Grund dafür, die jüngste Schwester ihrer Mutter. Obwohl unverehelicht hatte sie es beizeiten verstanden, das gesamte elterliche Erbe an sich zu ziehen und den Rest der Familie leer ausgehen zu lassen. Mutters Plan war, sie als meine Patentante einzusetzen und sich damit zugleich nach einem bald fälligen Ableben sozusagen über mich einen Zugang zu dem Erbe zu ermöglichen. Aber Tante Edelgard erwies sich als äußerst zäh. Hochbetagt lebt sie quietschfidel in einer Seniorenresidenz und sendet mir zu meinen Geburtstagen handgestickte Deckchen, die bereits ein ganzes Regal in meinem Schrank füllen. Sogar unserem mittlerweile erwachsenen Sohn hatte sie eines zur Konfirmation gesandt.

Und ausgerechnet ich blieb dann an Norbert kleben, an dem Sitzenbleiber, der erst im letzten Schuljahr von einer anderen Schule zu uns kam.

Seit so vielen Jahren ertrage ich ihn nun schon. Das muss ein Ende haben! Seit unser Sohn aus dem Haus ist, vertritt er nämlich die Meinung, meine Fürsorge, die bis dahin »meinen beiden Männern« galt, habe sich jetzt ganz und gar ihm zu widmen. Wir sind am Beginn unserer Reise, da wird etwas passieren, ich kann einfach nicht mehr länger. Wir unternehmen eine Flusskreuzfahrt auf der Donau. Kann ja sein, dass da mal jemand ins Wasser fällt, von so einem Schiff. Wieso also nicht Norbert? Dann bin ich ihn endlich los, und zwar für immer. Er kann nämlich immer noch nicht schwimmen! Alles wird nach einem Unfall aussehen. Soll es ja hin und wieder geben, so einen tragischen Verlust im Urlaub. Und ich werde dann als trauernde Witwe zurück nach Hause reisen. Die Lebensversicherung auf Norbert ist ganz ordentlich ausgestattet, sie wird dazu beitragen, mein gebrochenes Herz schnell zu heilen. Dann kann ich endlich wieder alles so machen, wie ich will!

Wir sind heute Vormittag mit dem Zug in Passau angekommen und haben ein paar Stunden Zeit, um uns das »bayerische Venedig« ein wenig anzuschauen. Was ich bis jetzt von der barocken Stadt gesehen habe, gefällt mir ganz ausgezeichnet.

Norbert trägt wie üblich seinen beigefarbenen Breitcordanzug, obwohl er genau weiß, dass ich den nicht ausstehen kann. Und zu allem Überfluss hat er zusätzlich hellbraune Schuhe an! Mit Lochmuster! Norbert hat ziemlich zugelegt seit unserer Hochzeit. Das ist ja kein Wunder, denn das Einzige, was der stemmt, ist abends im Fernsehsessel sein Weißbierglas. Es war ursprünglich seine Idee, nach Niederbayern zu reisen, ins Eldorado für Biergenießer. Ich habe ihn dann umgelotst auf die Schiffsreise.

In dem hellen, leicht zu engen Anzug könnte Norbert gut als Michelin-Männchen auftreten, das Werbung für Traktorreifen macht.

Nur eine kurze Weile muss ich ihn also noch ertragen, bevor ich nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau halten kann. Und ich bin wild entschlossen, sie zu nutzen, sobald sie sich bieten wird! Ich beende diese Reise ohne ihn, das steht für mich fest.

Ich blicke mich nach Norbert um. Er hat schon wieder Bierdurst, das sehe ich seiner Miene deutlich an. Nach so vielen gemeinsamen Jahren kennt man seinen Partner schließlich ganz genau, oder etwa nicht? Wir befinden uns auf der steinernen Promenade längs des Inns und steuern nun auf das Dreiflusseck zu. Dort, wo der Inn und die Ilz sich mit der Donau vereinen. Die Sonne gibt ihr Bestes an diesem Frühsommertag. Schwäne schwimmen anmutig auf dem Wasser, Möwen kreisen darüber. Das Panorama längs des Wegs verzaubert mich. Zur linken Seite schmiegen sich schmucke Häuser eng aneinander, zur rechten Seite liegt eine hügelige Landschaft, die ebenfalls sehr hübsch bebaut ist. Der Inn ist so unmittelbar vor seiner Mündung ziemlich breit. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass er, wenn er bei Hochwasser über seine Ufer tritt, noch imposanter ist.

Wäre da nicht mein schon wieder nörgelnder Mann, hätte ich allen Grund, bester Laune zu sein. Aber wie soll mir das mit ihm gelingen? Aus den schönsten Gedanken reißt er mich mit seinen Wünschen. Wie ein Kind, das seine Bedürfnisse auf der Stelle befriedigt haben will. Man kann doch mit Trinken etwas warten!

»Edelgard! Jetzt renn nicht so arg! Ich komme ja kaum hinterher.«

Ich setze mich auf eine der Parkbänke, damit Norbert in Ruhe zu mir aufholen kann, und genieße den Panoramablick über den Stadtteil auf der gegenüberliegenden Flussseite. Ein Mann mittleren Alters nickt mir freundlich zu.

Ich lächele zurück. Hier passiert genau das, was ich die ganze Zeit über schon denke! Ohne meinen Mann eröffnen sich für mich viele neue Chancen.

Der fremde Herr, ein fesches Mannsbild, wie man in Bayern sagt, nimmt neben mir Platz. Er trägt einen hellbraunen Leinenanzug mit Hemd. »Ich darf mich setzen?«

Verstohlen blicke ich mich nach meinem Göttergatten um. »Bitte sehr.«

»Sie sind hier auf Urlaub, nicht wahr?«

Ich zeige zu einem Gebäude auf dem gegenüberliegenden Berg. »Können Sie mir sagen, was das ist?«

»Aber klar. Schönen Frauen hilft man immer gerne.«

Dieses Lächeln! Meine Laune schnellt ordentlich nach oben.

»Was Sie dort drüben über der Innstadt sehen, das ist die Wallfahrtskirche Mariahilf.«

In dem Moment ist Norbert schnaufend und schwitzend bei mir angelangt und quetscht sich ungefragt zu uns auf die Bank.

»Das weiße, welches zur Kirche hochführt, ist die berühmte Wallfahrtsstiege.«

»Eine Wallfahrtsstiege?« Norbert gibt das Echo.

»Es kommen immer noch viele Gläubige, die ihre Anliegen an die Muttergottes hier vortragen. Stufe für Stufe. Im Gebet verharrend.«

»Und das hilft?« Norbert gibt sich skeptisch.

»Schauen Sie selbst mal die Stiege an! Zu den Seiten der Stufen sind an den Wänden viele Gaben angebracht, welche die Gläubigen bringen. Der Glaube hilft. Aber was hat Sie denn in unsere Stadt geführt?«

»Wir werden eine Flussschifffahrt unternehmen.«

»Wann gehen Sie an Bord?«

»Morgen geht es los. Aber wenn Sie gestatten, möchte ich jetzt gerne meine Frau entführen und in einem Biergarten einen Gerstensaft zu mir nehmen.«

Lieber Himmel, weshalb drückt Norbert sich jetzt bloß derart geschwollen aus? Liegt es an der eleganten Kleidung seines Gegenübers? Will er ihn beeindrucken?

Der Mann erhebt sich nun und weist mit der Hand in Richtung einer schmalen Gasse. »Natürlich. Halten Sie sich da vorne links, dann rechts. Dort erhalten Sie ein vorzügliches Schankbier. Ich kann es Ihnen wärmstens empfehlen.«

Norbert springt mit einer Behändigkeit, die selbst ich ihm nicht zugetraut hätte, auf und geht voraus. »Das klingt richtig gut.«

Der Mann neigt sich mir zu und blickt mich direkt an. »Gehen Sie morgen nicht an Bord.«

Diese Augen! Grün. Ich habe das Gefühl, als blicke er mir damit in die kleinsten Winkel meiner Seele. Ich spüre ein feines Kribbeln im Bauch. Aber weshalb soll ich nicht an Bord gehen?

Er fasst nach meiner Hand. »Geben Sie mir ein Pfand. Dafür, dass wir uns wiedersehen.«

»Ein was?«

»Verstehen Sie mich bitte richtig, ich will sichergehen, dass wir uns nochmals begegnen.«

»Edelgard, wo bleibst du denn?« Mein Mann kräht aus einiger Entfernung ungeduldig nach mir.

»Seien Sie in einer Stunde im Hirschwirtsgassl. Übergeben Sie mir dort etwas von Ihnen persönlich«, sagt der Fremde und verschwindet.

Verblüfft bleibe ich zurück und setze, nachdem ich mich etwas gefasst habe, zögerlich einen Fuß vor den anderen, um Norbert zu folgen. Ich bin Norbert noch gar nicht losgeworden, und schon bemüht sich ein derart attraktiver Mann um mich! Könnte er mir dabei behilflich sein, mir meinen Gatten endlich vom Hals zu schaffen? Bislang sind alle meine Versuche, mich seiner zu entledigen, gescheitert. Stets war im entscheidenden Moment, wenn er etwa von einer Burg hätte fallen können, eine helfende Hand zur Stelle. Zu meinem Bedauern. Vielleicht sollte ich es nicht mehr länger alleine versuchen? Das Leben gibt mir einen Wink in Form von grünen Augen! Man muss in der Lage sein, Zeichen als solche zu erkennen und zu verstehen. Ich bin bereit!

Aber weshalb will er ein Pfand von mir? Das erscheint mir ziemlich altmodisch. Und was, bitte sehr, soll ich ihm geben? Andererseits, warum denn eigentlich nicht? Auf Romantik habe ich in all den Jahren meiner Ehe schmerzlich verzichtet. Da darf es jetzt gerne ein wenig mehr davon sein. Es muss ja nicht gleich ein Rosamunde-Pilcher-Rührstück daraus werden.

Er hat nach meiner mit Granatsteinen besetzten schweren silbernen Kette gelugt. Die rücke ich auf keinen Fall heraus, schöne Augen hin oder her. Die stammt schließlich von meiner Urgroßmutter. Die werde ich selbst tragen, bis unser Sohn Julian eines Tages heiratet. Dann wird sie meine zukünftige Schwiegertochter von mir als Hochzeitsgeschenk erhalten, das Stück bleibt auf jeden Fall in unserer Familie. Die Kette ist der einzige Schmuck, den meine hochbetagte Großtante Edelgard bislang aus dem komplett für sich beanspruchten Erbe an mich abgegeben hat. Als ich an einem kleinen Friseurlädchen vorbeigehe, über dessen Fenster eine Messingscheibe als Ladenschild baumelt, habe ich die zündende Idee. Ich werde eine Locke aus meinen...