Samtweich wie deine Lippen

Samtweich wie deine Lippen

von: Jackie Ashenden

MIRA Taschenbuch, 2020

ISBN: 9783745752359 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 3,49 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Samtweich wie deine Lippen


 

1. KAPITEL

Xander

Ich hasste Poppy Valentine.

Erstens war da ihr Name. Ich hatte keine Ahnung, was ihre Mutter Lily sich dabei gedacht hatte. Poppy als Vorname war ja ganz in Ordnung. Valentine als Nachname war auch okay. Aber zusammen? Theatralisch. Ein Name für eine Burlesque-Tänzerin, nicht für eine echte Person.

Das war natürlich nur meine persönliche Meinung, aber ich zuckte jedes Mal innerlich zusammen, wenn ich den Namen hörte.

Und zweitens war sie auch noch meine Stiefschwester. Gleich vom ersten Tag an, als Dad sie mir und meinen Brüdern vorgestellt hatte, war Poppy nichts als unverschämt gewesen. Obwohl damals erst zehn, während ich schon fünfzehn war, hatte sie eine äußerst vorlaute Klappe. Ich hatte das Pech, dass ich von Dad dazu auserkoren wurde, auf sie aufzupassen. Sie machte keinen Hehl daraus, wie unbeeindruckt sie von mir im Besonderen und der King-Familie im Allgemeinen war.

Was soll’s, ich war auch von ihr und ihrem Auftreten wenig beeindruckt.

Drittens waren all dieser Spott und diese Arroganz in eine außergewöhnlich schöne Hülle verpackt. Ihre schwarzen Locken glichen einer Wolke, die so weich aussah, wie ihre Bemerkungen scharf waren. Unter bestimmten Lichtverhältnissen schimmerte ihre Haut golden, dann wirkte sie wieder wie polierte Bronze. Ihre Augen hatten die Farbe geschmolzener Kupfermünzen. Und dazu diese Killerkurven, die einen Mann in den Wahnsinn treiben konnten. Nicht, dass mir das aufgefallen wäre. Absolut nicht.

Viertens brauchte ich eine Sekretärin, und obwohl Poppy die letzte Person auf der Welt war, die ich einstellen wollte, sah es allmählich ganz danach aus, als bliebe mir keine andere Wahl in dieser Angelegenheit, da keine Zeitarbeitsvermittlung in Sydney mit einem King würde zusammenarbeiten wollen.

Mein Vater, Augustus King, hatte bis zu seiner Verhaftung vor fünf Jahren das größte kriminelle Imperium der Stadt angeführt. Es dauerte Jahre, bis meine Brüder und ich unseren Namen aus dem Dreck gezogen hatten.

Obwohl wir drei eine ganz legale Immobiliengesellschaft leiteten, wurde uns durch die Bevölkerung Sydneys keine Absolution erteilt. Sogar die Heirat meines Bruders Leon mit Vita Hamilton, der Tochter eines ihrer am meisten geschätzten Philanthropen, hatte uns nicht rehabilitiert.

Nein, anscheinend mussten wir darauf noch warten.

Für mich war das okay. Wir waren die Überbleibsel des Imperiums unseres Vaters losgeworden und hatten auch seine letzten Lügen aufgedeckt und weggefegt. Das reichte zwar noch nicht ganz, aber irgendwann würde es so weit sein.

Nicht in der Lage zu sein, gutes Personal zu bekommen und zu halten, war ein wenig ärgerlich.

Dass niemand für mich arbeiten wollte, hatte natürlich auch mit meinem Ruf zu tun, ein kalter, rücksichtsloser Bastard zu sein. Aber darum ging es nicht.

Ich wollte Poppy einfach nicht einstellen, Punkt. Aber ich brauchte jemanden. Jemanden, bei dem ich sicher sein konnte, dass er nicht mit unseren Feinden im Bunde war – denn von denen gab es noch genug. Ich brauchte jemanden, der nicht immer noch auf die Rückkehr meines Vaters hoffte, um sich bei ihm einzuschmeicheln.

Poppy mochte nicht meine erste Wahl als Sekretärin sein – auch nicht meine letzte, um ehrlich zu sein. Doch bei ihr konnte ich mir wenigstens sicher sein, dass sie nichts mit Augustus Kings Imperium zu tun hatte.

Ich vertraute ihr nicht, sie war jemand, dem ich nicht im Geringsten traute.

Nicht, dass ich eine Wahl gehabt hätte, angesichts des deutlichen Mangels anderer Kandidaten.

Jetzt saß Poppy am Kopfende des Konferenztisches im Bürogebäude von King Enterprises in Sydney – auf dem Platz meines älteren Bruders Ajax – und hatte ihre verdammten Füße hochgelegt. Sie saß zurückgelehnt, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und summte. Als wäre sie gelangweilt.

Junge, diese Frau hatte keinerlei Respekt.

Um alles noch schlimmer zu machen, betonte ihre hautenge Jeans ihre fantastisch geformten langen Beine. Außerdem trug sie ein knappes schwarzes T-Shirt mit dem Logo irgendeiner Punkband, und ihre Sitzhaltung bewirkte, dass sich der Stoff über ihren vollen Brüsten spannte …

Der fünfte Punkt auf meiner Liste der Dinge, die ich an ihr hasste, war die Tatsache, dass ich sie vögeln wollte. Und es spielte keine Rolle, was sie sagte oder tat, wie unbeeindruckt, scharfzüngig, sarkastisch und geradezu unhöflich sie war – ich wollte sie trotzdem vögeln. Und wie.

Was mich nicht nur ärgerte, sondern richtiggehend wütend machte. Ich war kein Mann, dem Emotionen oder die Libido den Verstand vernebelten, aber Poppy Valentine schien bei jeder Gelegenheit sowohl auf meine Libido als auch auf meine sonstigen Gefühle eine direkte Wirkung zu haben.

Zum Beispiel jetzt.

Ich starrte sie von meinem Platz am gegenüberliegenden Ende des Tisches an und ignorierte das brennende Verlangen, einen ihrer in Stiefeln steckenden Füße zu packen und sie über die Länge des Tisches auf meinen Schoß zu ziehen, um ihr die Konsequenzen einer solchen Respektlosigkeit aufzuzeigen.

Das tat ich natürlich nicht.

Sie war meine Stiefschwester, und eine der letzten Anweisungen meines Vaters vor seiner Gefängnisstrafe lautete, dass ich mich um sie und ihre Mutter kümmern sollte. Dass weder die eine noch die andere wollte, dass man sich um sie kümmerte, war eine weitere Sache, die mich wurmte.

Ich war ein Mann, der zu seinem Wort stand und seine Versprechen hielt. Selbst meinem Vater gegenüber, der mich und jeden anderen in meiner Kindheit ständig belogen hatte. Also würde ich mich wirklich um sie kümmern, und das bedeutete gleichzeitig, dass ich sie nicht anrühren würde.

Hätte ich ohnehin nicht getan. Ich bevorzugte Frauen, die sich nicht dermaßen ins Zeug legten, um mich wütend zu machen.

„Du scheinst mein Angebot nicht sehr ernst zu nehmen“, sagte ich kühl, zufrieden, dass ich mich anscheinend ganz gut im Griff hatte.

Sie ignorierte mich und schaute weiterhin hoch zur Decke, mit einem Fuß den Takt einer imaginären Musik klopfend.

Die Frau verspürte offenbar eine Todessehnsucht.

Und dann sah ich in der Wolke ihres dunklen Haars etwas Weißes.

Verdammt. Sie trug Ohrstöpsel.

Sie war zu diesem Treffen gekommen – ein Treffen, mit dem sie einverstanden gewesen war, zumindest hatte meine Stiefmutter mir das versichert – und hatte sich bewusst vorgenommen, nichts von dem zu hören, was ich von mir gab.

Meine Beherrschung bröckelte, aber ich riss mich weiter zusammen.

Zorn war niemals produktiv. Leidenschaft ganz allgemein führte bloß zu Lügen und Missverständnissen und anderen … Problemen. Mein Vater war ein typisches Beispiel, das ich mir stets vor Augen halten musste.

Ganz ruhig schob ich meinen Sessel zurück, erhob mich und ging um den Tisch herum zu Poppy. Sie sah mich nicht an und bekam ganz offensichtlich nicht mit, was ich tat.

Gut.

Ich trat hinter ihren Sessel und beugte mich über sie, während ich gleichzeitig die Hände hob, um ihr die Ohrstöpsel herauszuziehen.

Erschrocken riss sie die kupferfarbenen Augen auf.

Und für eine Sekunde glaubte ich darin etwas anderes zu sehen als Verachtung oder Genervtheit. Etwas, das ich nicht zu benennen vermochte.

Aber dann blinzelte sie, und was immer da war, verschwand.

„Was machst du da?“, fragte ich eisig.

„Wonach sieht’s denn aus? Musik hören natürlich!“ Es schien sie kein bisschen zu stören, dass ich sie bei dieser Unaufmerksamkeit ertappt hatte. Was beinah genauso ärgerlich war wie die Tatsache, dass mir ihre rauchige Stimme unter die Haut ging.

„Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe. Darum ging es schließlich bei diesem Treffen.“

Sie verdrehte die Augen. „Wenn du was Interessantes zu sagen hast, werde ich zuhören. Alles, was ich bis jetzt gehört habe, war langweilig.“

Noch immer beugte ich mich über sie und war ihr so nahe, dass ich ihren Duft wahrnahm – etwas Süßliches wie Jasmin. Eine seltsame Wahl für eine Frau, die so scharfzüngig und zickig war.

Ich fand es außerdem betörend. Noch etwas, das ich an ihr hasste.

„Woher weißt du denn, dass es langweilig ist, wenn du nichts hören kannst?“ Ich wollte meine Finger in diesen weichen Locken vergraben, die zu beiden Seiten über den Sessel hingen, und daran ziehen. Sie festhalten, damit sie sich nicht mehr bewegen konnte.

Damit sie betteln muss.

„Ich muss es nicht hören.“ Ihr Blick war herausfordernd. „Es hat mit dir zu tun. Alles, was du sagst, ist langweilig.“

Es war offenkundig, dass sie mich zu irgendeiner Reaktion provozieren wollte. Doch sosehr es mich auch reizte, ich tat ihr den Gefallen nicht.

„Es gibt ein Architekturbüro in London“, sagte ich, das Ass in meinem Ärmel ausspielend. „Ich habe gehört, du hast Interesse daran, für die zu arbeiten.“

Schlagartig verschwand ihr anmaßender Gesichtsausdruck.

Genau das hatte ich beabsichtigt. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. Bevor man sich dem Feind stellte, musste man so viel wie möglich über ihn herausfinden, über seine Stärken und Schwächen. Besonders die Schwächen. Und ich hatte Poppys entdeckt.

Ihre Mutter hatte mir verraten, dass Poppy ein Praktikum in einem renommierten Londoner Architekturbüro absolvieren wollte und es sich geradezu verzweifelt wünschte. Zufällig kannte ich...