Das Weingut im Tal der Loreley - Ein Weingut-Roman | Ein kulinarisch-romantischer Ausflug an den Mittelrhein

Das Weingut im Tal der Loreley - Ein Weingut-Roman | Ein kulinarisch-romantischer Ausflug an den Mittelrhein

von: Jule Böhm

HarperCollins, 2024

ISBN: 9783749906987 , 384 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 7,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Das Weingut im Tal der Loreley - Ein Weingut-Roman | Ein kulinarisch-romantischer Ausflug an den Mittelrhein


 

Kapitel 1


Sie war wieder da.

Mia trat hinaus auf den Bahnsteig und sah sich um. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und alles lag in einem diffusen Dämmerlicht. Nur hinter einzelnen Fenstern war es bereits hell, aber sie spürte direkt ein heimeliges Kribbeln in ihrem Bauch: Sie war zu Hause. Sie hatte schon die halbe Welt bereist und viele traumhaft schöne Orte kennengelernt, und doch war dieserart Glückgefühl für sie nur mit ihrem Heimatdorf Spay verbunden.

Während sich hinter ihr die Türen der Mittelrheinbahn mit einem vernehmlichen Zischen schlossen und der Zug seine Fahrt fortsetzte, atmete sie tief durch. Im Gegensatz zu diesem heimeligen Wohlfühlmoment hatte sie die Zugfahrt von Straßburg hierher dieses Mal überhaupt nicht genießen können. Anstatt zu schlafen, hatte sie sich unruhig auf ihrem schmalen Sitz hin und her bewegt und nachgedacht. Nicht nur über den letzten Abend, sondern über die gesamte Zeit ihrer Beziehung zu Florent. Und besonders darüber, wie das Ganze so hatte eskalieren können.

Mia schulterte ihren Wanderrucksack und machte sich langsam auf den Weg zu Franzi. Gestern am späten Abend, nach einem letzten lautstarken Krach mit Florent, hatte sie ihrer besten Freundin eine Textnachricht geschickt, dass sie für die nächsten Tage dringend eine Bleibe suche. Keine zehn Minuten später, ohne wissen zu wollen, warum, hatte diese bereits geantwortet und Mia wie selbstverständlich ihre Couch angeboten.

Inzwischen war es fast fünf Uhr am Morgen, und Mia fühlte sich nach der langen Nacht wie gerädert. Der Streit mit ihrem Freund hatte sich während der Abendschicht in Florents Restaurant an einem Salatteller entzündet. An einem Salatteller!

Sie schüttelte noch einmal fassungslos den Kopf und kickte einen Kiesel zur Seite. Einem Salatteller, der Florents Meinung nach falsch dekoriert worden war. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, brannte die Wut von Neuem in ihr hoch. Gestern hatte sie nur noch ihre Messer genommen, war aus der Restaurantküche gestürmt und hatte in ihrer gemeinsamen Wohnung die wichtigsten Sachen in ihren Rucksack gestopft.

Dass sich ihre Hoffnung erfüllte, noch den letzten Zug in Richtung Koblenz zu erwischen, war das einzig Gute an diesem verpfuschten Tag gewesen.

Sich über Kleinigkeiten freuen zu können, war eigentlich einer ihrer wesentlichen Charakterzüge, der ihr schon mehr als einmal über die eine oder andere Klippe in ihrem Leben hinweggeholfen hatte. Genau deshalb hatte sie versucht, sich an ihrem Platz im Großraumwagen gemütlich einzurichten. Doch trotz aller Bemühungen war es ihr dieses Mal nicht gelungen, optimistisch und zuversichtlich in ihr neues Leben zu fahren, denn während der Zug durch die Nacht rollte, hatte zunehmend der Ärger Oberhand genommen. Wie konnte es sein, dass sie bisher nur verkorkste Beziehungen aufweisen konnte? Alles Training?

Warum konnte sie keine Beziehung führen wie ihre Freundin Franziska und deren Mann Jonas? Eine Beziehung, die schon seit Jahren auf Augenhöhe funktionierte.

Mia seufzte. Zumindest hatte sie durch ihren Ärger mit Florent gelernt, dass man ein romantisches Verhältnis zum eigenen Chef tunlichst vermeiden sollte, denn sonst war am Ende der Beziehung gleichzeitig auch noch der Job futsch. In ihrem Fall auch noch die Wohnung.

Ein Hattrick, welch ein Glück, dachte sie sarkastisch.

Sie ruckelte ihren Wanderrucksack zurecht und ging die Koblenzer Straße entlang in Richtung St. Lambertus Kirche. Bis auf das Zwitschern der Vögel herrschte noch absolute Stille im Dorf. Keine Menschenseele war unterwegs. Sie betrachtete die Häuser rechts und links der Straße, dachte an die Menschen, die sie bewohnten und die sie von Kindheit an kannte. Zunehmend merkte sie, wie der Ärger von ihr abfiel: Endlich wieder zu Hause!

Franzi bewohnte die obere Etage ihres Elternhauses, einem der prächtigen Fachwerkhäuser im Kieselsteinweg, und winkte Mia bereits vom Küchenfenster aus zu, als diese, wie verabredet, zu ihr hinaufschaute, um nicht klingeln zu müssen. Sie spürte, wie sich ein breites Grinsen über ihr Gesicht zog, als sie das Haus schließlich betrat und ihr der wohlvertraute Geruch nach Kindheit in die Nase strömte. Wie oft war sie wohl schon durch diese Tür gegangen? Wie viele Nächte hatte sie gemeinsam mit ihrer Freundin in deren Kinderzimmer verbracht, Pläne für Streiche geschmiedet und Geheimnisse ausgetauscht?

»Pippilotta!«, begrüßte Franziska sie mit überschwänglichem Flüstern und nahm sie herzlich in den Arm.

Mia erwiderte die feste Umarmung und drückte die einzige Person, die sie Pippilotta nennen durfte, eng an sich. Diesen Namen hatte Franziska ihr schon im Kindergarten verpasst, weil Mia sie mit ihren zu Zöpfen geflochtenen krausen roten Haaren und den vielen Sommersprossen an ihre gemeinsame Heldin Pippi Langstrumpf erinnerte. Bis heute hatte sich der Spitzname gehalten, und Mia wusste immer, dass sie willkommen war, wenn sie ihn hörte.

»Geh gleich durch ins Wohnzimmer«, sagte Franziska leise, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten.

Dann schloss sie erst die Haustür und anschließend auch die Wohnzimmertür hinter ihnen.

»Ich bin so froh, dass er schläft«, sagte sie in normaler Lautstärke, während sie den Raum hinüber zur Couch durchquerte.

Mia wusste sofort, welchen ihrer beiden Männer sie meinte. Nico war nämlich erst vier Monate alt und schlief bisher nie mehr als drei Stunden am Stück. Was sie ihrer Freundin auch deutlich ansah. Dicke schwarze Halbmonde lagen unter ihren Augen.

»Und jetzt komme ich auch noch in aller Herrgottsfrühe hier an und halte dich von deinem gemütlichen Bett fern«, erwiderte sie deshalb mit schlechtem Gewissen.

»Ach Quatsch.« Franzi machte eine wegwischende Handbewegung. »Ich bin so froh, dass du wieder mal hier bist.«

»So lange ist das noch gar nicht her«, wehrte Mia ab, schließlich hatte sie Franziska und Jonas erst zu Nicos Geburt besucht. Nichtsdestotrotz freute sie sich auch, ihre Freundin wiederzusehen, und nahm sie erneut herzlich in den Arm.

»Möchtest du einen Kaffee?« Franzi zeigte auf den eingedeckten Wohnzimmertisch.

»Du bist ein wahrer Engel. Mensch, du sollst doch schlafen, wenn dein Kind dich lässt, und nicht für lästigen Besuch Frühstück machen.« Mia stellte ihren Rucksack in die Ecke hinter der Tür und setzte sich voller Wohlbehagen in einen Sessel.

»Erstens bist du kein lästiger Besuch«, erklärte Franzi, als sie sich übereck auf die Couch setzte, »und zum anderen freue ich mich wie Bolle, dass meine Männer schlafen und ich dich für mich ganz allein habe.«

Da Franziska tatsächlich übers ganze Gesicht strahlte, schob Mia ihr schlechtes Gewisse beiseite und griff herzhaft zu.

»Jetzt erzähl«, sagte ihre Freundin, nachdem sie sie beide mit Kaffee versorgt hatte. »Was war los?«

»Das Übliche«, nuschelte Mia mit vollem Mund. »Eine von Beginn an verkorkste Beziehung ist eskaliert. Ich hatte es endgültig satt. Ich habe Schluss gemacht. Für ernsthafte Beziehungen bin ich offensichtlich nicht geeignet.«

»So ein Unsinn«, erklärte Franzi im Brustton der Überzeugung. »Du hast bisher einfach noch nicht den Richtigen gefunden.«

»Ich habe nicht nur den Richtigen noch nicht gefunden, ich habe bisher noch überhaupt nichts auf die Reihe gekriegt. Glaub mir, ich hatte heute Nacht genug Zeit zum Nachdenken.«

»Nun mach mal halblang. Bloß, weil du dich von deinem Freund getrennt hast, ist das doch kein Grund, dich derart runterzumachen.«

»Es ist nicht nur, dass ich mich von Florent getrennt habe«, widersprach Mia und strich Honig auf eine Brötchenhälfte. »Auf der Fahrt hierher ist mir bewusst geworden, dass ich tatsächlich kaum mehr besitze als das, was in meinen Rucksack passt. Und? Was sagt das über mich aus? Ich bin fast dreißig und hab weder Mann noch Kind noch Maus. Ich habe noch überhaupt nichts erreicht.«

Franziska machte große Augen. »Was ist denn bloß mit dir los? So kenne ich dich ja gar nicht.«

Mia nippte an ihrem Kaffee und schloss verzückt die Augen. Ihre Freundin schaffte es kaum, ein Spiegelei nicht anbrennen zu lassen, aber Kaffee kochen konnte sie vom Feinsten.

Dann konzentrierte sie sich wieder auf das, was Franzi gerade gesagt hatte. »Mit mir ist überhaupt nichts los. Ich bin weder niedergeschlagen noch verzweifelt. Ich habe das ganz nüchtern festgestellt. Schau doch nur an, was du dagegen schon alles erreicht hast.«

»Ich bin ein ganz anderer Mensch als du«, wandte Franziska ein. »Wir gehen ganz anders an unser Leben heran.«

Mia lachte. »Ich weiß, du bist strukturiert und ich bin die Chaotin.«

»Du bist keine Chaotin, du bist kreativ. Ich bewundere dich.«

Jetzt fiel Mia die Kinnlade hinunter.

»Schau mich nicht so fassungslos an«, sagte Franziska. »Ich bewundere dich schon mein ganzes Leben. Während ich über alles mindestens dreimal nachdenke, jeden Satz in seine Einzelteile zerlege und mir den Kopf darüber zerbreche, was derjenige, der ihn ausgesprochen hat, wohl tatsächlich damit sagen will, handelst du einfach.«

Mia stellte ihre Kaffeetasse ab. »Und schau, wohin mich das gebracht hat. Ich bin immer noch eine einfache Köchin, wie schon vor zehn Jahren, während du nicht nur studiert, sondern auch deinen Doktor gemacht hast. Himmel, du entwickelst hybrid-elektrische Antriebssysteme für Boote und leistest damit einen wichtigen Beitrag für unsere ökologische Zukunft.«

»Na und? Du sorgst dich auf andere Art und Weise um das leibliche Wohl der Menschen,...