Europäische Probleme und Sozialpolitik / European problems and Social Policies

von: Fritz-Helmut Wisch, Paul Martin, Marianna Martinson, Peter Schruth

Frank & Timme, 2006

ISBN: 9783865960313 , 252 Seiten

Format: PDF, Online Lesen

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Europäische Probleme und Sozialpolitik / European problems and Social Policies


 

2 SOZIALPOLITIK IN EUROPA (S. 18-19)

Fritz-Helmut Wisch

Sozialpolitik als Teilbereich der Politik greift in verschiedene gesellschaftliche Bereiche ein, um durch eine Angleichung der Lebenschancen und der Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung die staatliche Politik trotz des Trends zu wachsender sozialer Ungleichheit in der Industriegesellschaft zu legitimieren und zu stabilisieren (vgl. Knowlex 2004). Aus einer Vielzahl unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Modelle, die sich seit der ersten Initiative zu allgemeinen Sozialversicherungen durch Otto von Bismarck in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelt haben, sind mindestens fünf hervorzuheben:

Das freiwillige, staatlich subventionierte Modell basiert auf gegenseitigen Versicherungslösungen und wurde in der Entstehungsphase des Industrialismus vor allem von Gewerkschaften, Arbeitgebern geschaffen, hinzu kamen öffentliche Finanzierung und Kontrolle.

Das Modell der Bedürftigkeitsprüfung wurzelt in der im 18. Jahrhundert in den Pfarrgemeinden eingeführten Armenpflege.

Das korporative Modell schloss in der von Bismarck in Deutschland vertretenen Form die Höchstverdienenden aus, teilte jedoch die Leistungsempfänger in verschiedene Berufsgruppenprogramme ein.

Das Modell der allgemeinen Grundsicherheit und

das Modell der allgemeinen Einkommenssicherheit haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg in unterschiedlicher Weise in einer Reihe von Industrieländern unter der Maxime entwickelt, die Zahl der Sozialversicherten in einem gemeinsamen System zu maximieren; im besten Falle sollte es alle Einwohner des Landes umfassen.

2.1 AUSGEWÄHLTE EUROPÄISCHE ANTWORTEN

Nach Esping-Andersen (1990), einem der wichtigsten Stellvertreter der komparativen, historisierenden Wohlfahrtsstaatsforschung existieren „Drei Welten" des Wohlfahrtsstaates. Er unterscheidet drei idealtypische Modelle der verschiedenen Wohlfahrtsstaatsregime: das konservative kontinentaleuropäische (F, I, D, NL), das liberale angelsächsische (GB, USA, CAN, Australien und Neuseeland) und das sozialdemokratische skandinavische Modell (v.a. S und DK). Diese Modelle repräsentieren für Esping-Andersen nicht nur qualitative und quantitative Aspekte, sondern auch sozialpolitische Prinzipien sowie Macht- und Parteipolitik der Wohlfahrtsstaaten. Seine drei Modelle stellen jeweils unterschiedliche Formen der Institutionalisierung von sozialer Sicherheit und Vollbeschäftigung dar, wobei Esping-Andersen als Differenzierungskriterium den Begriff der „Dekommodifikation" verwendet, den er versteht als ein Maß an staatlich erwirkter, relativer Unabhängigkeit von den Zwängen und Risiken kapitalistischer Märkte.

Am deutlichsten ausgeprägt wurde der Effekt der Dekommodifikation in den über Jahrzehnte sozialdemokratisch ausgeprägten Regimes in Dänemark, Norwegen und Schweden, wo der Wohlfahrtsstaat als universalistisch verstanden wurde. Anspruchsgrundlage bilden in diesem System die sozialen Bürgerrechte, als weitere Charakteristika der nordischen Wohlfahrtsstaaten gelten nach Esping-Andersens idealtypischer Kategorisierung ein starker Staat, steuerfinanzierte Sozialleistungen und die Sozialdemokratie. (http://lms.cms.hu-berlin.de/cgi-bin/Wohlfahrtsstaat.pl?Wohlfahrtsstaat, S. 2)

Die Europäische Kommission kategorisiert die EU-Mitgliedsländer in vier geosoziale Gruppen, die vergleichbare Strukturen aufweisen:

1. die skandinavischen Länder mit einem Beveridge-System1 allgemeiner Versorgung plus zusätzlicher, beitragsfinanzierter Versorgung der Erwerbstätigen,

2. die angelsächsischen Länder mit einem Beveridge-System allgemeiner, allerdings durch hohe Bedürftigkeitsgrenzen ´durchlöcherter` Versorgung plus zusätzlicher, beitrags- oder selbstfinanzierter Versorgung der Erwerbstätigen,

3. die „rheinischen Länder" mit einem Bismarck-System2 der einkommensabhängigen Sicherung plus hochentwickelter Grundsicherung des soziokulturellen Minimums,

4. die Mittelmeerländer mit einer ausgeprägten Mischung aus Bismarck ´scher Sicherung der Altersversorgung und Einkommenssicherung und zunehmender Gesundheitsvorsorge nach dem Beveridge-Typ (vgl. Friedrich Ebert Stiftung 1998, 3.1).