Klimawandel - ein Appell - Wir müssen jetzt handeln, um unser Klima zu retten.

Klimawandel - ein Appell - Wir müssen jetzt handeln, um unser Klima zu retten.

von: Fred Vargas

Limes, 2021

ISBN: 9783641262174 , 288 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 12,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Klimawandel - ein Appell - Wir müssen jetzt handeln, um unser Klima zu retten.


 

Verdammt, was, um Himmels willen, habe ich mir da eingebrockt? Wie löse ich diese Wahnsinnsaufgabe? Die Vorstellung, mich mit euch über die Zukunft der heutigen Welt zu unterhalten? Wie schaffe ich das bloß? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, und ihr auch nicht.

Ich weiß nur, wie alles angefangen hat. Und jetzt, wo die Sache in Gang gekommen ist, läuft sie mit solcher Macht, dass ich die Bewegung nicht mehr aufhalten kann. Es ist wie ein Strudel, der mich mit sich reißt, etwas, das mich rigoros drängt fortzufahren, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen. Obwohl ich mir ja durchaus vorstellen kann, dass ihr viel lieber einen unterhaltsamen kleinen Krimi von mir hättet. Später, versprochen. Aber nicht jetzt, ich kann nicht. Eine Art gnadenlose Notwendigkeit zwingt mich, erst dieses Buch zu schreiben.

Ja, ich weiß noch, wie es angefangen hat – mit einer Kleinigkeit. Ich hatte vor zehn Jahren einen ganz kurzen Text zum Umweltschutz geschrieben. Kaum der Rede wert. Von Freunden erfuhr ich wenig später, dass Auszüge daraus in China und in Brasilien auf T-Shirts gedruckt worden waren, ja sogar als Vorlage für Theaterstücke gedient hatten. Das hatte mich verwundert und auch amüsiert. Aber dabei blieb es nicht. Als ich in tiefer, stiller Nacht – o Pardon, ich bin im falschen Satz gelandet, also noch mal. Als man mich Tag für Tag von allen Seiten informierte, dass dieser erstaunlich unverwüstliche Text sich mittlerweile auf Facebook herumtrieb und durch die ganze Welt wanderte … Also bitte! Ich hatte nichts damit zu tun, das könnt ihr mir glauben. Dann teilte man mir schließlich mit, dass er auf der Weltklimakonferenz im Dezember 2018 von Charlotte Gainsbourg gelesen werden würde. Ein zehn Jahre alter Text! Immerhin, bei dem Tempo, in dem die UN-Klimakonferenzen aufeinander folgen, ohne einen einzigen Fortschritt zu erbringen, waren meine schlichten Sätze noch immer aktuell. Und da fasste ich in tiefer Nacht (diesmal stimmt es) den Plan (welcher Teufel hatte mich bloß geritten?), einen Text der gleichen Art zu verfassen, nur ein bisschen länger, so an die fünfzig Seiten, nicht mehr, um den Leser nicht zu erschlagen, über die Zukunft unseres Planeten, der lebenden Welt, der Menschheit. Nicht mehr.

Hier unterbreche ich die Entstehungsgeschichte dieses unmöglichen Buches und füge jenen kleinen Text mit dem so merkwürdigen Schicksal ein, damit ihr auch begreift, wie unscheinbar der Anfang war, von dem alles ausging, und bei welcher Ungeheuerlichkeit ich gelandet bin. Der Text trägt das Datum des 7. November 2008:

Da sind wir nun, da sind wir angekommen.

Seit fünfzig Jahren lauert diese Katastrophe in den Hochöfen der Sorglosigkeit der Menschheit, jetzt ist sie da. Wir sind gegen die Wand gefahren, wir stehen am Rande des Abgrunds, das haben wir mit einer Bravour hingekriegt, zu der einzig der Mensch in der Lage ist, der die Wirklichkeit erst dann wahrnimmt, wenn sie ihm weh tut.

Wie die gute alte Grille aus der Fabel von La Fontaine, der wir so gern unsere Unbekümmertheit zuschreiben: Wir haben gesungen, getanzt. »Wir«, damit meine ich ein Viertel der Menschheit, während der Rest sich abrackern musste.

Wir haben uns das bessere Leben geschaffen, wir haben unsere Pestizide in die Flüsse und ins Meer geleitet, unseren Qualm in die Luft geblasen, wir sind drei Autos gefahren, haben die Minen ausgebeutet, wir haben Erdbeeren vom anderen Ende der Welt gegessen, wir sind kreuz und quer über den Globus gereist, wir haben die Nächte hell gemacht, wir tragen Turnschuhe, die bei jedem Schritt blinken, wir sind dick geworden, wir haben die Wüste unter Wasser gesetzt, den Regen sauer gemacht, Klone gezüchtet, ehrlich, wir haben uns echt amüsiert.

Wir haben einfach fantastische und dabei ziemlich komplizierte Sachen vollbracht wie das Packeis zum Schmelzen zu bringen, genetisch veränderte Tierchen in die Erde zu buddeln, den Golfstrom in seinem Lauf zu verändern, ein Drittel aller lebenden Arten zu vernichten, das Atom zu spalten, unseren radioaktiven Müll still und leise in der Erde zu vergraben. Weiß Gott, wir haben uns amüsiert. Wir haben es voll ausgekostet. Und wir würden gern so weitermachen, denn es leuchtet ja ein, mit blinkenden Turnschuhen in ein Flugzeug zu steigen ist entschieden lustiger als Kartoffeln zu hacken. Das auf jeden Fall.

Aber nun sind wir angekommen.

Bei der Dritten Revolution. Die sich insofern sehr von den beiden ersten (der Neolithischen und der Industriellen Revolution, falls ihr’s vergessen habt) unterscheidet, als wir sie uns nicht ausgesucht haben.

»Sind wir denn gezwungen, diese Dritte Revolution zu machen?«, werden jetzt ein paar unwillige, missmutige Gemüter fragen.

Ja. Wir haben keine Wahl, sie hat schon begonnen, sie hat uns nicht nach unserer Meinung gefragt. Mutter Natur hat es so entschieden, nachdem sie uns freundlicherweise jahrzehntelang mit ihr hat spielen lassen. Mutter Natur, inzwischen erschöpft, beschmutzt und blutleer, dreht uns den Hahn zu. Kein Erdöl, kein Gas, kein Uran, keine Luft, kein Wasser mehr.

Ihr Ultimatum ist eindeutig und gnadenlos: Rettet mich, oder ihr geht gemeinsam mit mir unter (mit Ausnahme der Ameisen und der Spinnen, die uns überleben werden, weil sie sehr widerstandsfähig und außerdem nicht sonderlich erpicht sind aufs Tanzen).

Rettet mich oder geht mit mir unter. So nüchtern ausgesprochen, versteht man natürlich, dass man keine Wahl hat, man macht sich unverzüglich ans Werk, und falls noch Zeit ist, entschuldigt man sich sogar erschrocken und beschämt. Auch wenn es ein paar Traumtänzer gibt, die versuchen, einen Aufschub auszuhandeln, um sich mit dem Wachstum noch ein Weilchen zu amüsieren.

Verlorene Mühe. Es wartet ein Haufen Arbeit auf uns, mehr als die Menschheit je hatte. Den Himmel aufräumen, das Wasser reinigen, den Dreck von der Erde schrubben, sein Auto abschaffen, die Atomkraftwerke abschalten, die Eisbären einsammeln, das Licht ausmachen, wenn man aus dem Haus geht, über den Frieden wachen, die Gier einschränken, Erdbeeren in seiner Nähe pflücken, nicht auch noch in der Nacht rausgehen, um sie alle zu sammeln, auch dem Nachbarn noch welche lassen, die Segelschifffahrt wiederbeleben, die Kohle da lassen, wo sie ist – Achtung, die Versuchung liegt nahe, aber lassen wir die Kohle in Ruhe –, Pferdeäpfel sammeln, auf die Felder pinkeln (des Phosphors wegen, der knapp geworden ist, wir haben alle Phosphatminen ausgebeutet und uns trotzdem gut dabei amüsiert).

Uns anstrengen. Sogar nachdenken. Ja, selbst auf die Gefahr hin, euch mit einem altmodischen Begriff zu nerven: solidarisch sein.

Solidarisch mit dem Nachbarn, mit Europa, mit der Welt.

Ein gewaltiges Programm, diese Dritte Revolution. Und kein Ausweg, machen wir uns also an die Arbeit. Wobei Pferdeäpfel sammeln – und jeder, der’s mal gemacht hat, weiß es – ist eine zutiefst befriedigende Tätigkeit. Die einen nicht mal hindert, abends auch noch tanzen zu gehen, beides ist durchaus nicht unvereinbar. Vorausgesetzt, es herrscht Frieden, vorausgesetzt, wir verhindern die Rückkehr der Barbarei, eine andere große Spezialität des Menschen, und jene vermutlich, in der er es am weitesten gebracht hat.

Zu diesem Preis wird uns die Dritte Revolution gelingen. Zu diesem Preis werden wir am Ende auch wieder tanzen, sicherlich anders, aber wir werden tanzen.

Ihr seht, nichts Besonderes, dieser kleine Text, nichts, was einen vom Hocker reißt. Und so kam mir in tiefer Nacht der Gedanke eines Büchleins von gleicher Art und erschien mir als durchaus machbar, vergnüglich, ja sogar als erregende Aufgabe, wenn es noch dazu irgendwie nützlich sein könnte. Machbar insofern, weil ich mich in Umweltfragen ja auszukennen meinte, denn schon im Alter von zwanzig Jahren hatte ich mich damit beschäftigt. Natürlich war mir klar, dass ich noch ein paar Dinge würde recherchieren müssen, aber als Forscherin hatte ich darin ja Erfahrung, es beunruhigte mich nicht. Und vom Schreiben verstand ich schließlich auch ein bisschen was.

Gleich am nächsten Tag stürzte ich mich frisch-fröhlich und ein wenig aufgeregt in die Phase der Dokumentation, für die ich naiverweise eine Woche veranschlagte. Aber eine Woche nach der anderen verging, ein Sujet ergab das nächste, ein Thema das andere, alle waren sie unentbehrlich, von der Sardine bis zum Lachgas über das Erdgas und die Packeisschmelze. Ich arbeitete wie besessen, vergaß die Uhrzeit, das Einkaufen, das Wäschewaschen e tutti quanti, nicht allerdings das Essen, das ich hastig und spät runterschlang. Fieberhafte Wochen, in denen mir klar wurde, dass ich in Wahrheit fast nichts wusste außer, wie jedermann, die oberflächliche Erscheinung der Dinge. Die Umwelt, Tier- und Pflanzenwelt, die Menschheit, sie offenbarten sich mir unter gänzlich neuen, düsteren Aspekten, mit vielfältigen, sehr komplexen und miteinander verwobenen Facetten, die ich so weit wie möglich erforschte – denn das ist meine Archäologen-Natur. Und in diesen Höhlen, das kann ich euch sagen, habe ich oft schlimme Augenblicke erlebt, sturmumbraust und leichenblass, das Haar zerwühlt (ein Zitat des großen Victor Hugo, kann nie schaden, so was), oder nüchterner ausgedrückt, ich saß verloren auf meinem Küchenstuhl und starrte entgeistert vor mich hin. Aber Achtung, selbst in solchen Augenblicken habe ich keine Sekunde aufgehört, gleichzeitig wie wild – ja...