Das Leben muss man gießen - Großprojekt Kleingarten - Unser Weg zum grünen Glück - Mit vielen Garten-Tipps

von: Deborah Hucht, Florian Hucht

Heyne, 2021

ISBN: 9783641264680 , 256 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Das Leben muss man gießen - Großprojekt Kleingarten - Unser Weg zum grünen Glück - Mit vielen Garten-Tipps


 

Kapitel 2


Wir wissen, was du letzten Sommer nicht getan hast – Bestandsaufnahme und erste Schritte

»Does it spark joy?«, lautet die Schlüsselfrage, die das japanische Aufräumwunder Marie Kondo allen Ausmistenden stellt. Wenn ein klares JA die Antwort ist, darf der Gegenstand oder das Kleidungsstück bleiben. Zögert die oder der Aufräumende, gehört das Ding auf den Stapel mit Habseligkeiten, die gehen müssen. Oder die sich die Ausmister noch einmal genauer anschauen sollten.

Die Herausforderung bei einem Garten? Der verändert sich ständig – was ja auch das Schöne daran ist. Nur: Wenn man feststellen will, was denn eigentlich für einen Joy sparkt und was rausgerissen gehört, vergeht sehr viel Zeit. Im besten Fall gibt man dem Garten nämlich ein ganzes Jahr, seine Pracht und auch seine Schandflecken zu zeigen. Aber erzählt das mal einem Menschen, der ganz neu einen Garten übernommen hat! Frisch-Kleingärtnernde könnten vor lauter Übermotivation Bäume mit bloßer Hand rausreißen. Und wollen am liebsten nicht lange fackeln, sondern das Grundstück bis vorgestern nach ihren Vorstellungen ummodeln.

Drachen zähmen leicht gemacht


So mutierten auch wir an den ersten Wochenenden nach der Schlüsselübergabe zu Unkrautvernichtungsmaschinen. Dort, wo einmal das Haus unserer Vorpächterin gestanden hatte, hatte sich ein Teppich aus Schwarzem Nachtschatten ausgebreitet. Leider handelt es sich nicht um die niedlichen, schüchternen Fabelwesen aus Drachen zähmen leicht gemacht, sondern um eine Pflanze, die ähnlich wie Kartoffeln oder Tomaten sehr viel Solanin speichert. Die Beeren können für Kinder und ältere Menschen giftig sein. Für Hühner übrigens auch – die Pflanze ist daher auch als »Hühnertod« bekannt. Das allein qualifizierte sie für uns als Unkraut. Zumal wir ungefähr an der Stelle des Nachtschatten-Teppichs unsere Hütte errichten wollten. Und so machte sich Florian daran, die Plantage Stück für Stück auszurupfen. Eigentlich keine große Sache. Nur: Wir hatten den Garten im September übernommen, die Pflanzen hatten schön reichlich reife Beeren produziert, die beim Herausreißen auf den Boden fielen – egal, wie vorsichtig wir auch vorgingen. Da wir noch nicht einschätzen konnten, wo genau unsere Gartenhütte stehen sollte, wurden wir leicht panisch. Einen Vorgarten aus Giftpflanzen wollten wir dann doch nicht. Deshalb rupften wir nicht nur das wuchernde Grün heraus, sondern klaubten auch die kleinen schwarzen Beeren aus dem Sand. Ob Drachen zu zähmen wohl genauso anstrengend ist?!

»Da habt ihr euch aber ein ganz schönes Stück Arbeit aufgehalst!« – rief unsere Nachbarin linker Hand, Helga, schmunzelnd über den Zaun. »Das gibt ordentlich Muskeln, was?« Ganz ähnlich verliefen unsere ersten offiziellen Begegnungen mit den anderen Nachbarn. Sie bedachten uns mit teils bewundernden, teils mitleidigen Blicken, prophezeiten uns einen Haufen Arbeit und teilten großzügig Geschichten aus der Zeit »als wir noch jung waren«.

Vier Kleingärten grenzen direkt an unser Stückle, wie man in Florians Heimat sagt. Einer befindet sich vis-à-vis. Als wir unseren Garten übernahmen, lebten drei Parteien fest auf ihren Parzellen. Dauerbewohner nennt man sie offiziell. Sie selbst betiteln sich auch als »Winterschreber«. Und lächeln gern mal über die »Sommerschreber«. Denn die Dauerbewohner haben in den Fünfzigerjahren nicht einfach nur ein Stückchen Land mit fertigem Häuschen darauf übernommen, sondern die ihnen zugeteilten Lauben – auf Beamtendeutsch »Behelfsheim« genannt – erst zu dem Zuhause ausgebaut, das es heute für sie ist. Oft mit Material, das halt da war. Der Mann unserer Nachbarin zur Rechten war Vorarbeiter. Wenn Holz oder Steine auf einer Baustelle übrig waren, hieß es anpacken und alles schnell in die Kolonie verfrachten. »So haben wir unser Wohnzimmer mit Wintergarten gebaut«, erinnerte sich die Nachbarin zur Rechten, Christa. Nicht immer waren die An- und Umbauten ganz legal. »Bauamt und was nicht alles, pfff«, plauderte Alfred, Helgas Mann, aus, »wo sollte ich denn hin mit unseren vier Jungs?!« Die Genehmigungen gab es dann Jahre später – »Bestandsschutz«.

Wir ließen uns von dem Pioniergeist der Dauerbewohner anstecken und rückten nach dem Nachtschatten dem Efeu zu Leibe. Dabei erfuhren wir zum ersten Mal, wie des einen Gärtners Freud eines anderen Gärtners Leid sein kann. Efeu ist uns bekannt als nette und nachhaltige Art, eine Schuppenwand zu begrünen. Und als Grün-Lieferant für Kränze, Gestecke und andere Blumendeko. Meine Mutter, die traditionell zu Ostern, zum Herbstbeginn und zur Adventszeit Gestecke und Kränze an Familie und Freunde verschenkt, wähnte sich auf unserem Stückle im Paradies.

Wir verfluchten die Schlingpflanze dagegen schnell als Teufelszeug. Denn der Efeu hatte in der Zeit, in der die Parzelle brachlag, die unangefochtene Herrschaft über den Garten übernommen, sich in sämtliche Sträucher und Hecken eingeflochten, den Rasen durchdrungen und die Blumenbeete gekapert. Zogen wir an einer Ranke an einem Ende des Gartens, mussten wir uns nicht selten einmal komplett über die gesamte Parzelle arbeiten, um der Quelle des Übeltäters auf die Spur zu kommen. Ein Gutes hatte der Kampf gegen den Efeu: Wir hatten gar keine Zeit, uns über andere Pflanzen den Kopf zu zerbrechen. Denn obwohl wir nicht alle Bäume und Sträucher toll fanden, erfüllten sie doch einige wichtige Funktionen, die wir erst im Verlauf des ersten Gartenjahres zu schätzen lernten.

Zweite Chance für Omas liebste Sträucher


Gerade bei mir sparken »Oma-Pflanzen« kein bisschen Joy. In unserem Garten wachsen aber mehrere Forsythien, Azaleen und Rhododendren, diverse Eiben, eine Thuja-Hecke und noch ein paar weitere Nadelbäumchen. Was uns daran stört: Die Nadeln und Blätter wirken oft wenig organisch. Auf dem Kompost braucht der Strauchschnitt ewig, um zu verrotten. Für Bienen und andere Bewohner liefern die Pflanzen kaum Wertvolles. Alles Dinge, die uns für unseren Kleingarten eigentlich wichtig sind. Allerdings haben die zunächst so ungeliebten Sträucher auch nette Eigenschaften.

Die Forsythien etwa bescheren uns mit ihren gelben Blüten früh im Jahr schon sehnsüchtig erwartete Farbkleckse. Sie kündigen den Frühling an, eine Tatsache, die gerade uns als Neu-Kleingärtnernden sehr hilft, das Gartenjahr und damit die als Nächstes anstehenden Aufgaben zu planen.

Die Rhododendren blühen ebenfalls relativ früh und locken, anders als gedacht, Bienen und Hummeln an. Später im Jahr spenden die immergrünen Büsche dem darunterliegenden Boden Schatten und sorgen so für Artenvielfalt auf unserem Stückle, auf das sonst die Sonne ungehindert herunterbrennt.

Die Eiben entpuppten sich als bevorzugte Nistplätze für Vögel, an den Ästen lassen sich Meisenknödel und anderes Vogelfutter perfekt aufhängen. Auch die Thuja-Hecke überraschte uns – nämlich als Windschutz und Schattenspender. Wir lernten die Hecke im ersten Gartenjahr wirklich zu schätzen, denn wenn die Sonne schien, knallte sie geradezu auf uns herab. Als wir noch keine Gartenhütte hatten und weil der Garten sonst über wenig bis keine hochgewachsenen Sträucher verfügte, fanden wir uns gerade in der Mittagszeit immer vor der Hecke wieder. Auch unsere Rucksäcke mit Proviant und Getränken stellten wir dort ab, damit uns Käsebrot und Co. nicht entgegenliefen. Als wir uns einen Grill kauften, war sofort klar, wo dieser stehen sollte. Windgeschützt vor der Hecke – selbstverständlich in funkensicherem Abstand.

Dass wir kaum Schatten im Garten hatten, war im ersten Gartenjahr schnell kein Problem mehr, denn nach einem vielversprechenden Frühjahr schlug der Hamburger Sommer voll durch – die meisten Projekte setzten wir in strömendem Regen um. Nicht selten wünschten wir uns einen Unterstand oder einfach nur einen Baum mit ausladenden Ästen als Regenschutz. Warum wir keine großen Bäume im Garten haben? Das hängt mit einer von uns eher ungeliebten Regelung in der Hamburger Kleingartensatzung zusammen. Höher als fünf Meter dürfen Bäume und Sträucher, die wir neu pflanzen, nicht werden. Ein richtiger Apfelbaum oder andere Obstbäume sind so leider nicht drin. Die Halb- und Viertelstämme, die wir gesetzt haben, werden uns zwar hoffentlich irgendwann Obst liefern – Wind- und Wetterschutz können wir von den Bäumen aber nicht erwarten.

Bereits auf den Parzellen stehende Bäume, die größer gewachsen sind, werden toleriert, manche sogar von der Stadt als wertvoller Bestand für schützenswert erklärt. Ein Blick auf Google Maps verriet uns, dass sich einmal mitten in unserem Garten ein großer Obstbaum befunden hatte. Eine Pflaume, wie uns Nachbarin Christa bestätigte. Neben dem Haus unserer Vorpächterin fiel auch der Baum den Abrissbaggern zum Opfer. Er hatte wohl im Weg gestanden und so den Ablauf der Arbeiten gestört.

Das geheime Wissen der Pflanzen


Neben den Bäumen und Sträuchern, die auf der Parzelle stehen, lohnt sich einmal ein Blick auf sogenannte Zeigerpflanzen. Bei vielen Kleingärtnernden als Unkraut verschrien, verraten Ampfer, Wilde Möhre und Hahnenfuß nämlich relativ viel über die Bodenqualität. Wer wie wir viele Brennnesseln, reichlich Melde und Vogelmiere sowie Giersch im Garten hat, hat erst einmal viel Arbeit, kann sich aber auch glücklich schätzen, denn die Pflanzen zeugen von einem stickstoffreichen Boden. Aber auch Probleme mit dem Erdreich können sogenannte Zeigerpflanzen entlarven. Ist nur wenig Stickstoff enthalten, fühlen sich das Ackerfuchsschwanz-Gras, Hornklee oder eben die Wilde Möhre sehr wohl. Bei uns waren diese Pflanzen logischerweise nicht...