Hände gut, alles gut - Meine Tipps für gesunde und bewegliche Hände - Extra: Praktische Hilfe bei den häufigsten Beschwerdebildern

Hände gut, alles gut - Meine Tipps für gesunde und bewegliche Hände - Extra: Praktische Hilfe bei den häufigsten Beschwerdebildern

von: Michael Lehnert

Südwest, 2021

ISBN: 9783641266813 , 224 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 15,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Hände gut, alles gut - Meine Tipps für gesunde und bewegliche Hände - Extra: Praktische Hilfe bei den häufigsten Beschwerdebildern


 

EINLEITUNG


Es sind zweimal 27 Knochen, dazu jeweils rund 30 Muskeln und außerdem unzählige Bänder, die mich bereits mein halbes Leben lang an die Hände fesseln. Hände anderer Menschen sind die ständigen Begleiter meines Berufsalltags. Sie lassen mich einfach nicht mehr los.

Handanatomie

Ich bin seit rund 30 Jahren Arzt, mein Fachgebiet und meine besondere Leidenschaft ist die Handchirurgie. Und wenn ich alle diese Jahre auf eine Erkenntnis reduzieren sollte, die auf alle meine Patienten zutrifft, dann ist es diese: Jedem Menschen sind seine Hände unglaublich wichtig. Vor mir sitzen immer wieder Patienten, die zu mir sagen: »Mein Bein können Sie haben, aber retten Sie bitte meine Hand …« Ich kann diese Menschen verstehen.

Natürlich ist diese Bitte relativ zu sehen. Jeder Mensch lebt besser mit seinen Beinen. Aber es ginge auch ohne. Fehlen die Hände oder ist ihre Funktion eingeschränkt, wird das Leben schon schwieriger. Wohl deshalb bin ich seit geraumer Zeit in Hände verliebt. Ich verliebe mich auch in Frauen, und selbstverständlich liebe ich meine Kinder. Aber die längste Beziehung meines bisherigen Lebens habe ich zu den Händen, sowohl zu meinen eigenen als auch zu denen anderer Leute. Das mag für den einen oder anderen komisch klingen, für mich und alle, die mich kennen, ist das ganz normal.

Wie Hände funktionieren, hat mich schon immer fasziniert. Immer schon, immer noch und immer wieder. Es ist beispiellos, wie die Natur diese vielen einzelnen anatomischen Bausteine in Harmonie und Präzision zusammenführt. Dabei drückt die Hand so unendlich viel über den Menschen aus. Wir können mit den Händen sprechen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Wir können mit den Händen sehen, auch dann, wenn wir nicht blind sind und unsere Hände deshalb besonders geschult sind. Wir können mit unseren Händen Emotionen ausdrücken und tun das meistens auch, ohne es zu wissen. Unsere Hände sind viel mehr als nur zehn Finger. Für all ihre Fähigkeiten muss die Hand gesund sein.

Hände sagen auch ziemlich viel über einen Menschen aus. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass man anhand der Finger Rückschlüsse auf den Charakter ziehen kann. Wie gepflegt die Hände sind und in welchem Zustand, welche Proportionen sie haben, lässt ebenfalls deutliche Schlussfolgerungen auf den Menschen, zu dem sie gehören, zu. Denn wer seine Hände vernachlässigt, wird sicherlich auch sonst nicht sonderlich auf seinen Körper achten.

Das Schlimmste, das wir unseren Händen antun können, ist, sie nicht zu mögen. Dass wir die Balance zwischen natürlicher Unreinheit und unnatürlicher Hygiene nicht finden. Denn wir können die Hautflora so sehr stören, dass wir über unsere Hände krank werden.

Fast genauso schlimm ist es für mich, wenn ich sehe, wie sehr wir das Einsatzgebiet unserer Hände vernachlässigen. Wir benutzen im Alltag nur noch rund 30 Prozent des Bewegungsumfangs unserer Hände. Viele ihrer Fähigkeiten sind heute Luxus. Wir haben das Tasten und das Spüren verlernt. Und wir verlieren immer mehr an Handkraft, weil wir den Händen immer weniger abverlangen. Tragen, schieben, greifen, halten – das alles gibt es ja in unserem Alltag kaum noch. Das Leben ist für unsere Hände zu leicht geworden.

Wir erledigen alles mit dem Handy, es soll unser Leben erleichtern, doch selbst das Smartphone wird uns mittlerweile immer öfter zu schwer. Früher saßen wir stundenlang mit dem Telefonhörer in der Hand oder meinetwegen auch zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt auf dem Sofa. Ich gebe zu, Letzteres hat keinem Orthopäden gefallen, aber egal. Einen Telefonhörer über eine halbe oder ganze Stunde oder sogar über mehrere Stunden in der Hand zu halten, war eine gewisse Art von Training. Doch schon das ist heute vielen zu schwer, obwohl die Smartphones immer leichter werden. Was tun wir also? Wir nehmen das Handy nicht mehr in die Hand, sondern telefonieren lieber mit unseren Bluetooth-Kopfhörern oder stellen die Gespräche auf Lautsprecher. Und unsere Hände? Werden immer schwächer.

Nehmen wir ein anderes Beispiel.

Viele Patienten kommen zu mir und sagen, dass sie ihre Jalousien nicht mehr hoch- und runterziehen können. Oder ihre Fenster und Wasserhähne nicht mehr öffnen oder schließen. Warum nicht? Ganz einfach: Weil sie es verlernt haben. Die Handkraft vieler Menschen lässt bedenklich nach. Dabei sind unsere Hände und besonders ihre Kraft so wichtig. Die Möglichkeiten unserer Hände, im Speziellen die Fähigkeit, unseren Daumen um die anderen Finger herumzuführen – wir nennen das opponieren –, unterscheidet uns letztlich vom Affen. Nicht nur in der Politik ist die Opposition alles – auch bei der Hand!

Und für Hände habe ich mich entschieden. Die Handchirurgie ist in meinen Augen auch deswegen so spannend, weil man sich als Arzt den im Laufe des Lebens erworbenen Erkrankungen seiner Patienten ebenso wie ihren plötzlichen Verletzungen widmen kann. Schon nach kurzer Zeit in meinem Beruf konnte ich Menschen mit teilweise oder ganz abgetrennten Gliedmaßen helfen. Leben zu retten ist ja schön und gut. Aber den Alltag meiner Patienten zu erleichtern, ist auf Dauer sichtbarer und befriedigender. In der Notaufnahme Finger wieder anzunähen, wurde eines meiner Hobbys. Und zwar nicht nur in der Silvesternacht. Übrigens: Wer sich mit Knallkörpern oder einer Kreissäge eines Fingers oder gleich mehrerer beraubt, dem ist nicht immer gut zu helfen. Bei dieser Art von Verletzungen – egal ob unverschuldet oder selbst zugefügt – sind die Traumata in den Blutgefäßen oft so stark, dass selbst der versierteste Chirurg keinen erfolgreichen Behandlungsverlauf und schon gar keinen Erfolg garantieren kann.

Gibt es also den optimalen Unfall?

Ja! Ich empfehle guillotinenartige Verletzungen. Dabei handelt es sich um einen glatten Schnitt mit wenig Gewebstraumatisierungen. Finger, die einem auf diese Weise abhandengekommen sind, lassen sich wunderbar wieder annähen. Patient glücklich, Chirurg glücklich, Hand glücklich. Wem hingegen ein Böller in der Hand losgegangen ist, hat häufig mehr Probleme. Diese Patienten sind häufig alkoholisiert und selten einsichtig. Aber noch einmal: Wir können sowieso nicht alle Patienten heilen. Die Medizin kann den Patienten sowieso nicht heilen. Heilen kann nur der Körper – sich selbst. Wir Ärzte können die Dinge auf den Weg bringen, mehr nicht.

Ich erinnere mich heute noch an meine allererste Patientin in der Handchirurgie. Sie war eine junge Frau, ich war ein junger Arzt, wir wollten beide mehr, als möglich war. Beim Überklettern eines Zaunes ist sie mit einem Ring daran hängen geblieben. Verletzungen dieser Art passieren leider sehr häufig – verheirateten wie unverheirateten Frauen gleichermaßen. Und die Größe des Ringes spielt auch keine Rolle. Bei einer sogenannten Ringverletzung wird der Finger häufig im Mittelgelenk amputiert, weil die Weichteile ausgerissen sind. Im Deutschen gibt es eigentlich keine richtige Bezeichnung für diese Verletzung. Die Engländer nennen es Deglovement, also handschuhartiger Abriss. Das finde ich bei aller Brutalität und Grausamkeit der Verletzung eine sehr sanfte Umschreibung der Lage.

Wenn eine junge Frau, sie war vielleicht 23 Jahre alt, ihren Ringfinger verliert und noch dazu unverheiratet ist, bricht verständlicherweise Panik aus. Doch bei aller Empathie muss ein Arzt in diesem Fall sagen: Das wird nichts. In diesem Fall waren die Verletzungen so stark, die Gefäße so beeinträchtigt, dass man sie nicht reparieren und den Finger nicht retten konnte. Ich habe es dennoch versucht. Und ich habe es bereut. Es hat nicht geklappt. Es waren dramatische Szenen. Der Finger musste schließlich doch amputiert werden.

Ich habe dieses Schicksal lange nicht vergessen können.

Und wahrscheinlich erinnere ich mich auch Zehntausende Patienten später noch an diese eine Frau, weil sie eben »meine Erste« war. Weil Notfall, Behandlung, Hoffnung und Niederlage so nah beieinanderlagen.

Von Anfang an hat mir der Sport geholfen, diese Erlebnisse zu verarbeiten und die dazugehörigen Bilder zu vergessen. Später waren es dann die Momente in der Familie, meine Kinder, die mir den notwendigen Rückhalt gegeben haben. Meine Kinder haben mich zusätzlich sensibilisiert für alles, was einem im Leben passieren kann. Ich erinnere mich immer noch an die Momente im Kreißsaal, als die Gynäkologen mich baten, die Hände meiner Söhne anzusehen, um festzustellen, ob alles in Ordnung ist.

Obwohl Hände für mich aus verständlichen Gründen omnipräsent sind, gebe ich Menschen auch außerhalb meiner Praxis immer noch mit großer Begeisterung die Hand. Den Arzt in mir kann ich dabei freilich nicht ausschalten. Wenn ich also einen kleinen Finger oder einen Ringfinger von meinem Gegenüber unangekündigt oder überraschend in meiner Handinnenseite spüre, weil er sich nicht richtig bewegt, dann gerate ich oft zumindest in meinen Gedanken in Versuchung, eine Kurzdiagnose zu stellen oder zu fragen, ob ich mir die Sache vielleicht mal ansehen solle. Ich beobachte ebenso mit großer Leidenschaft, wie und mit welchen Fingern Leute in ihr Smartphone tippen. Diese kleinen Episoden des Alltags regen meine diagnostischen Fähigkeiten immer wieder an. Ein anderes Beispiel: Ich merke bei Begrüßungen relativ schnell, ob Menschen an den Händen übermäßig schwitzen. Auch das ist ein Thema, das viele Patienten beschäftigt und worunter sie leiden. Meist können oder müssen diese Hände dann auch behandelt werden.

Frei von Diagnosen bin ich also nie. Da ist sicher immer auch ein bisschen Spaß dabei – ich erfasse mein Gegenüber einfach gern.

Umgekehrt muss ich...