Wenn du von der Arbeit kommst, finde ich dich voll blöd, Mama - Die größten Erziehungsfallen für berufstätige Eltern - und wie man sie vermeidet

Wenn du von der Arbeit kommst, finde ich dich voll blöd, Mama - Die größten Erziehungsfallen für berufstätige Eltern - und wie man sie vermeidet

von: Anita Cleare

Heyne, 2021

ISBN: 9783641272036 , 304 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Wenn du von der Arbeit kommst, finde ich dich voll blöd, Mama - Die größten Erziehungsfallen für berufstätige Eltern - und wie man sie vermeidet


 

KAPITEL 1

Die »Keine-Zeit«-Erziehungsfalle

Es gibt keine perfekten Eltern. Erziehung ist nichts, was man komplett richtig machen könnte. Wir lernen durch Erfahrung, und das bedeutet, dass wir manchmal Fehler machen (nicht zu gravierende hoffentlich). Das Beste, was wir anstreben können, ist, möglichst schnell aus ihnen zu lernen und sie nicht allzu oft zu wiederholen. Bei einer guten Erziehung geht es darum, sich bewusst zu machen, was man tut, zu merken, was funktioniert, sich dabei zu ertappen, wenn man danebenliegt, und zu versuchen, so etwas künftig zu vermeiden. Es gibt nichts, was jemand Ihnen geben könnte – kein psychologischer Trick, kein magischer Zauber oder eine Beschwörungsformel –, das Sie nutzen könnten, um das Verhalten Ihrer Kinder zu manipulieren oder ihr Glück zu garantieren. Das Einzige, was wir kontrollieren können, ist unser eigenes Verhalten. Erziehung hat wenig damit zu tun, das Handeln unserer Kinder zu steuern; vielmehr geht es darum, mit unseren eigenen Gedanken, Gefühlen und Handlungen zurechtzukommen. Beginnen wir also mit einer kleinen Selbstprüfung.

Diese Prüfung soll Ihnen kein schlechtes Gewissen machen, nutzen Sie sie also bitte nicht als Stock, um sich damit zu schlagen. Aber es gibt schon so ein paar Fallstricke und schlechte Angewohnheiten, in die berufstätige Eltern verfallen können. Ich nenne sie »Erziehungslöcher«. Einige von uns fallen ab und an in alle diese Löcher. Andere haben ein paar Lieblingslöcher, in die sie sich immer wieder hineinmanövrieren. Aber niemand ist dagegen gefeit, irgendwann einmal in eines dieser Löcher zu stolpern.

Berufstätige Eltern sind besonders empfänglich für Erziehungslöcher, die mit Schuld zu tun haben oder der Sorge, nicht genug Zeit mit den Kindern zu verbringen. Wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Zeit knapp ist, ist es leicht, sich für eine schnelle Lösung zu entscheiden, die wir mit den gewohnten Erziehungsmethoden umsetzen. Diese helfen zwar vorübergehend, schaffen auf längere Sicht aber andere Probleme. Berufstätige Eltern tappen mit Vorliebe in folgende Erziehungslöcher:

  Die Zeit mit der Familie soll schön sein

  Um Konflikte zu vermeiden, gibt man nach

  Inkonsequenz

  Man hat in erster Linie das problematische Verhalten des Kindes im Blick

  Negatives Denken

  Erziehung im Autopiloten

Als Eltern finden wir uns alle von Zeit zu Zeit in dem einen oder anderen Loch wieder. Der Trick ist, die Fallen schnellstmöglich zu erkennen und zu versuchen, nicht zu oft erneut hineinzutreten. Beginnen wir also mit der Frage: »In welchem Loch stecke ich?«

Bei einer gelungenen Erziehung geht es nicht darum, jederzeit alles richtig zu machen.

Alles soll schön sein

Wenn wir nur begrenzte Zeit mit unseren Kindern zur Verfügung haben, dann lastet ein großer Druck auf den gemeinsamen Stunden: Sie sollen etwas Besonderes, voller Spaß und konfliktfrei sein.

Kein Elternteil möchte nach einem langen Arbeitstag (oder nachdem es eine ganze Woche darauf gewartet hat, sie zu sehen) nach Hause kommen und erst mal mit den Kindern streiten. Wir wünschen uns jene sepiafarbene Familienzeit, aus der glückliche Erinnerungen gemacht werden. Diese kostbaren Tage aus unserer eigenen Kindheit mit einem Eisbecher, Sonnenschein und Gelächter, an die wir so gern zurückdenken. Das Problem ist nur, dass es schlicht unrealistisch ist, ein durch und durch harmonisches Familienleben zu erwarten. Diese wohlbehüteten Kindheitserinnerungen sind nämlich bereits bereinigte Versionen der Realität, in der es durchaus auch einen brüllenden großen Bruder, einen beleidigten Vater und eine weinende Mutter gab. Kein Elternteil hat je einen ganzen Tag mit einem kleinen Kind verbracht, ohne dass nicht irgendwann jemand weinte (und es war nicht immer das Kind!). Wenn wir also ausschließlich die ungetrübten, harmonischen Momente im Zusammenleben mit der Familie erwarten, werden wir ganz sicher enttäuscht – von uns und von unseren Kindern. Wenn wir die Latte so hoch legen, wird uns Familienzeit immer wie Versagen vorkommen.

Erziehungsloch Nummer eins funktioniert folgendermaßen: »Die Familienzeit wurde auf Sonntagnachmittag gelegt, nach dem Fußballtraining und vor den Hausaufgaben. Alle sind vergnügt und nett zueinander, und es gibt keine Tränen oder Wutanfälle.«

Allein, so klappt es nicht, oder? Die Kinder maulen, Ihr ältester Sohn hat keine Lust auf Familie, Ihre Jüngste weint, weil sie beim Mensch ärgere Dich nicht verliert, und Ihr Partner muss plötzlich etwas Dringendes erledigen. Und dann suchen Sie jemandem, dem Sie die Schuld geben können – sich selbst, Ihrem Partner, Ihren Kindern … Denn aus hundert Prozent harmonisch wird plötzlich »ein ziemlicher Albtraum mit ein paar ganz netten Momenten«.

Wenn Zeit mit der Familie immer nur aus kostbaren Momenten bestehen soll, dann führt das nicht nur zu Enttäuschung, es führt auch zu Selbstvorwürfen (»Ich bin ja wohl eine echte Niete, wenn es mir nicht mal gelingt, einen schönen Tag mit den Kids zu verbringen«). Oder zu negativen Gedanken über Ihre Kinder (»Meine Kinder sind so undankbar, sie können sich nicht mal benehmen, wenn ich mir was Besonderes für sie ausdenke«). Und auch Konflikte zwischen den Partnern sind hier oftmals vorprogrammiert. Während ein Elternteil lediglich ein Eis ausgeben möchte, ist das andere damit beschäftigt, Grenzen zu setzen und Disziplin zu verlangen (die klassische Guter-Bulle-böser Bulle-Erziehungsfalle). In dem verzweifelten Versuch, Tränen und Trotzanfälle zu vermeiden, führt das verflixte Mantra der perfekten Familienzeit am Ende dazu, dass wir uns bis zur Schmerzgrenze verbiegen oder alle Grenzen aufgeben, nur damit die Kinder zufrieden sind. Was uns direkt zum Erziehungsloch Nummer zwei führt:

Nachgeben, um Konflikte zu vermeiden

Das Setzen von Grenzen und das Bestehen auf deren Einhaltung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Erziehung. Beides schmiert das Rad des Familienlebens, schützt und bewahrt Kinder und lehrt sie Fähigkeiten, die sie im Leben brauchen. Aber auf Grenzen zu beharren sorgt unweigerlich für Zündstoff. Kinder mögen die elterlichen Grenzen nämlich nicht. Warum auch? Sie sind normalerweise nur dazu da, ihnen Dinge zu verbieten, die sie gern tun würden (wie etwa morgens, mittags und abends Eis essen). Also wehren sich Kinder gegen die gesetzten Grenzen. Wieder und wieder und wieder. Wenn Sie also weniger Diskussionen in Ihrer Familie möchten, wären Sie ganz schnell auf der sicheren Seite, wenn Sie nachgeben und die Ge- und Verbote etwas lockern würden.

Das Erziehungsloch sieht so aus: »Die wenige Zeit, die ich mit meinen Kindern habe, soll unbedingt besonders und harmonisch sein, und ich bin zu müde, um mich über den Nährwert von Gemüse/höfliche Umgangsformen/Quengeleien/Schlafenszeiten* zu streiten (*Nichtzutreffendes bitte streichen). Es ist leichter, ihnen zu geben, was sie wollen. Ich weiß, dass mich das morgen schon einholen wird, aber wenigstens habe ich heute einen angenehmen Tag.«

Kurzfristig kann das funktionieren. Wenn Sie im Urlaub sind, super! In den Ferien geht es um nichts anderes, als aus der Routine auszubrechen, lange zu schlafen und zu viel Eis zu essen. Wenn Sie einen Tagesausflug machen, können Sie die Regeln vielleicht auch großzügiger auslegen. Aber Urlaub und Ausflüge sind Ausnahmen. Wenn Sie klein beigeben, nur weil Sie einen anstrengenden Arbeitstag hatten, wird es für Ihr Kind unmöglich sein zu begreifen, wann die Regeln Anwendung finden und wann nicht.

Konflikten aus dem Weg zu gehen kann im jeweiligen Moment funktionieren, auf lange Sicht hat es aber den gegenteiligen Effekt.

Denn indem Ihre Kinder die Grenzen überschreiten, testen sie aus, ob die Einschränkungen absolut sind oder verhandelbar. Jedes Mal, wenn eine gezogene Grenze aufgehoben wird, lernt Ihr Kind, dass man mit der richtigen Strategie diese Hürde aus dem Weg räumen kann. Und Kinder wiederholen Verhaltensweisen, die zum gewünschten Ergebnis führen. Wenn wir einknicken oder unsere Entscheidungen widerrufen, sobald unsere Kinder dagegen aufbegehren, belohnen wir unabsichtlich ihr Handeln und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder passiert. Haben unsere Kinder mit ihrer Rebellion Erfolg, werden sie es immer wieder versuchen. Auf lange Sicht handeln wir uns also mehr Konflikte ein, nicht weniger. Und unser Zuhause wird genau zu dem Schlachtfeld, das wir niemals haben wollten.

Gibt man nach, um einen Konflikt zu vermeiden, enden solche Situationen früher oder später in Gebrüll.

Geben wir nach, um den Frieden zu wahren, gehen wir selbst oft an unsere eigenen Grenzen und reagieren dann harsch oder unangemessen. Stellen Sie sich Folgendes vor: Ihre Kids hüpfen vergnügt auf dem Sofa herum. Sie sagen ihnen, sie sollen damit aufhören, damit niemand sich wehtut, aber sie ignorieren Sie. Das macht doch einen Heidenspaß! Sie ermahnen sie erneut, aber sie antworten mit fröhlichem Gequieke. Also lassen Sie es dabei bewenden. Sie haben doch solchen Spaß, und es wäre eine Schande, ihnen den zu verderben. Das Lachen wird lauter und das Toben wilder. Das glückliche Glucksen ist jetzt ohrenbetäubend, und alle Kissen liegen inzwischen auf dem Boden. Ein Glas kippt um. Und...