Erfolgsfaktor Sozialkompetenz - Mitarbeiterpotenziale systematisch identifizieren und entwickeln

Erfolgsfaktor Sozialkompetenz - Mitarbeiterpotenziale systematisch identifizieren und entwickeln

von: Bernd Ahrendt, Ulrich Heuke, Wolfgang Neumann, Frank Tubbesing

Haufe Verlag, 2021

ISBN: 9783648148198 , 200 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 38,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Erfolgsfaktor Sozialkompetenz - Mitarbeiterpotenziale systematisch identifizieren und entwickeln


 

2 Soziale Kompetenzen verstehen – grundlegende Überlegungen


Bernd Ahrendt/Ulrich Heuke

Um das Management sozialer Kompetenzen zu verstehen, bedarf es zunächst einer eingehenderen Darlegung, was eigentlich mit dem Begriff »Soziale Kompetenzen« resp. »Sozialkompetenzen« gemeint ist und wieso gerade diese Kompetenzart in das Zentrum von organisationaler Kompetenzentwicklung gerückt werden sollte.1 Insofern werden wir uns zunächst mit dem übergeordneten Kompetenzbegriff auseinandersetzen. Hierzu wird in einem ersten Schritt der Begriff erläutert und seine Spezifität – auch in Abgrenzung zur Qualifikation – herausgearbeitet (Kapitel 2.1). In einem zweiten Schritt werden wir darlegen, dass die sozialen Kompetenzen innerhalb des übergeordneten Kompetenzbegriffs eine Kompetenzart neben anderen darstellen (Kapitel 2.2). Hierbei gehen wir von einem weiten Begriff der sozialen Kompetenzen aus. Diese stellen unserer Überzeugung nach eine Art Wirbelsäule dar, auf der die anderen Kompetenzarten aufbauen, sodass sie von entscheidender Bedeutung ist. Insofern gehen wir in Kapitel 2.3 auf drei Aspekte der sozialen Kompetenz ein, die im Rahmen der aktuellen Agilitätsbetrachtung von hoher Bedeutung sind. Aus all diesen Überlegungen folgern wir schließlich, welche Schritte aus organisationaler Sicht erforderlich sind, um aus der Betrachtung sozialer Kompetenzen ein Management sozialer Kompetenzen zu entwickeln (Kapitel 2.4), und leiten auf diese Weise zu den anderen beiden theoriegeleiteten Beiträgen dieses Buches über.

2.1 Das Kompetenzmanagement in Organisationen


In diesem Unterkapitel wird das theoretische Grundgerüst zum organisationalen Kompetenzmanagement dargelegt. Nach einer Erläuterung des Kompetenzbegriffs sowie seiner Abgrenzung zum Begriff der Qualifikation wird die Entwicklung von individuellen Kompetenzen dargestellt. In der Folge wird auf die grundsätzliche Darstellung von Kompetenzen eingegangen, bevor schließlich die soziale Kompetenz als eine Kompetenzart eingeordnet wird.

2.1.1 Der Begriff »Kompetenz« – Handlungsfähigkeit am Ort des Geschehens


Wenngleich der Begriff »Kompetenz« in der wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich definiert wird, greifen viele Autorinnen und Autoren auf eine handlungsorientierte Definition zurück. Das ist insofern nachvollziehbar, da Kompetenzen lediglich indirekt anhand der erfolgreichen individuellen Bewältigung einer Situation sichtbar werden. Kompetenzen werden somit auf Basis von Beobachtungen einem Individuum zugeschrieben (vgl. Erpenbeck/Rosenstiel (2007), S. XVIIIf.).

Insofern handelt es sich bei der Kompetenz um ein im Individuum vorhandenes Potenzial, das die Grundlage für ein konkretes Handeln bildet und erst in diesem Handeln sichtbar wird. Dieses Potenzial umfasst alles Wissen und Denken, sämtliche Fertigkeiten und Fähigkeiten, die das Individuum mit der Zeit entwickelt hat und das es in die Lage versetzt, in einer Situation selbstorganisiert und auf ein Ziel ausgerichtet verantwortungsvoll handlungsfähig zu sein (vgl. Kauffeld (2006), S. 19 f.). Es handelt sich um eine im Menschen vorhandene Verhaltensbereitschaft und -fähigkeit zu selbstorganisiertem Handeln und umfasst alle Aspekte im Menschen, die in einer konkreten Situation wichtig sind, also vom Wissen über kognitive und praktische Fähigkeiten bis zu sozialen sowie Verhaltenskomponenten (etwa die innere Haltung und Werte, Gefühle und Motivationen) (vgl. Gnahs (2010), S. 21). Löwisch unterscheidet hierbei die Fähigkeit zu adäquatem Handeln (Kompetenz ersten Grades) von der Qualität des Handelns (Kompetenz zweiten Grades) (vgl. Löwisch (2000), S. 165).

Beachte

Der Begriff »Kompetenz« umfasst die Fähigkeit und Bereitschaft, eine spezifische Situation erfolgreich zu bewältigen.

Es wird deutlich, dass Kompetenzen in dem Sinne relativ sind, als dass sie situationsspezifisch eingesetzt werden. Es interessiert somit nicht nur, was ein Individuum objektiv an Kompetenzen grundsätzlich mitbringt – etwa dokumentiert in Form von Zeugnissen und sonstigen Dokumenten –, sondern wie es mit diesen Kompetenzen umgeht und damit in der Lage ist, in einer konkreten Situation adäquat zu handeln. Es geht um ein aus Kompetenzen heraus kompetentes Handeln (vgl. Löwisch (2000), S. 158). Damit rückt jedoch die Anwendung der Fähigkeiten in den Mittelpunkt, und Kompetenzen sind nur solange relevant, wie sie von einem Individuum auch genutzt werden. Hierbei zeigt das Wort »Situation« auf, dass sich die Verwendung von Kompetenzen von Augenblick zu Augenblick ändert; eine Situation kann daher auch als »Ort des Geschehens« (vgl. Ahrendt/Nikolaus (2020), S. 218) aufgefasst werden, in welchem ein Individuum seine Qualität des Handelns zum Vorschein bringt. Der »Ort des Geschehens« drückt die Dynamis aus, d. h. die Kraft zur Veränderung, die in der Kompetenz steckt: Zum einen erfordert der Ort des Geschehens ein bestimmtes aktives Handeln, für welches sich das Individuum entscheidet. Zum anderen ändert sich der Ort des Geschehens stetig und fordert ein Individuum immer wieder aufs Neue und auf andere Art und Weise zum Handeln auf.

Beispiel

Verkaufsgespräche benötigen andere Kompetenzanforderungen als die Durchführung von Verkaufsanalysen, das Treffen mit Freunden oder das Backen eines Kuchens. Und doch kann ein Individuum all diese Orte des Geschehens innerhalb kurzer Zeit nacheinander durchlaufen.

Kompetent Handeln geht von einem aktiven Tun am Ort des Geschehens aus. Dieser Ort ist die jeweilige Rahmenbedingung, innerhalb derer das Individuum zum Handeln aufgefordert ist. Wofür entscheidet es sich? Welche Kompetenzen muss und/oder möchte das Individuum einbringen? Die Person ist in jeder Situation aufs Neue aufgefordert, sich zu entscheiden – und für seine Entscheidung die Verantwortung zu übernehmen.

Aus der Situation heraus resultiert somit stets das, was zu tun ist. Sind es statische Berechnungen, die für eine Hausplanung durchzuführen sind? Ist es die steuerliche Beratung eines Klienten? Oder geht es darum, dass jemand einer Person hilft? Der Anforderung, was zu erfüllen ist, leitet sich jeweils aus der konkreten Situation ab. Sie ist der Maßstab für den Erfolg oder auch Misserfolg. In diesem Sinne gilt eine Situation dann als »erfolgreich« bewältigt, wenn das Gesollte realisiert wurde. Insofern kommen zum grundsätzlichen Potenzial noch die Bereitschaft und die Zuständigkeit hinzu: »Kompetent zu handeln bedeutet, eine Fähigkeit zu besitzen, im beruflichen Alltag in eigener Regie (und damit ohne Fremdeinfluss via Anregung, Beratung oder Instruktion) zu denken und zu agieren, und zwar bezogen auf sich selbst (Selbstkompetenz), auf Objekte der Umwelt (Fachkompetenz), auf andere Menschen (Sozialkompetenz) und auf erforderliche Gestaltungswerkzeuge (Methodenkompetenz). Kompetenzen dienen dazu, die von einem Agierenden intendierten Handlungen und Tätigkeitsabfolgen auf ein ausgewähltes Ziel hin zu steuern.« (Bornewasser et al. (2018), S. 14)

Hinter dem beobachtbaren Handeln liegen Ressourcen im Individuum, die ihn zu einem konkreten Handeln befähigen. Kompetenzen umfassen ein Kontinuum vielfältiger Fähigkeiten: von grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen, die die Basis für unterschiedliche Handlungen darstellen, bis hin zu beobachtbaren Tätigkeiten. So gesehen umfasst der Kompetenzbegriff sowohl die beobachtbare Kompetenz im Sinne eines sichtbaren Könnens (= Performanz) und zum anderen die Kompetenz als eine hinter der Performanz liegende Ressource (= Kompetenz im engeren Sinn) (vgl. Abb. 2.1). Und alle in diesem Kontinuum vorhandenen Kompetenzen bilden die Gesamtkompetenz einer Person.

Abb. 2.1: Die Kompetenz im weiteren Sinne (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bornewasser et. al. (2018) S. 16)

2.1.2 Zum Unterschied zwischen Kompetenz und Qualifikation


Um den Kompetenzbegriff richtig einzusetzen, ist die Abgrenzung zur Qualifikation wichtig (vgl. Abb. 2.2). Jede Organisation ist aus organisationstheoretischer Sicht auf eine Gesamtaufgabe ausgerichtet, die es zu erfüllen gilt. Aus dieser Gesamtaufgabe übernimmt jede Person, die einer Stelle – als kleinste Organisationseinheit – zugeordnet wurde, ein Bündel an Teilaufgaben, die es mit Blick auf die Gesamtaufgabe umzusetzen gilt. In Bezug auf eine Position/Tätigkeit, die ein Bündel an Aufgaben mit sich bringt, resultieren hierbei unterschiedliche Arten und Ausprägungen von Anforderungen, die zu einem Anforderungsprofil zusammengefasst werden können. Dieses Profil stellt in vielen Organisationen die Grundlage für die qualitative Personalbedarfsplanung dar. Im Rahmen dieser Planung wird...