Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband) - 11. Band des Zyklus 'Chronofossilien'

Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband) - 11. Band des Zyklus 'Chronofossilien'

von: Peter Griese, Arndt Ellmer, H. G. Francis, Kurt Mahr

Perry Rhodan digital, 2021

ISBN: 9783845351162 , 400 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Perry Rhodan 153: Der Tross des Kriegers (Silberband) - 11. Band des Zyklus 'Chronofossilien'


 

2. Der Raumfledderer


 

»Verschwinde, Plump!«, rief Longasc. »Der Kampfanzug eines Freibeuters ist ein heiliges Instrument, das ein schäbiger Distelfrosch nicht berühren darf.«

Plump machte einen Riesensatz, hinein in einen der Schrotthaufen, die aus Longascs Werkstatt nicht wegzudenken waren. »Raumfledderer!«, schmatzte das Tier, das entfernt einer übergroßen Distelblüte ähnelte.

»Ich werde dir zeigen, was ich bin – ein Raumnomade und Freibeuter!« Der Shabare packte den nächstbesten Gegenstand und warf ihn nach dem Distelfrosch. Plump quietschte, obwohl er gar nicht getroffen wurde. Erst da erkannte Longasc, dass er den Zuleitungsschlauch der Sauerstoffversorgung als Wurfgeschoss erwischt hatte. Fluchend suchte er nach dem für ihn unersetzlichen Stück. Er hatte nur diesen einen Schlauch, und falls der beschädigt wurde, war der ganze Kampfanzug für ihn wertlos.

Longasc wühlte immer hektischer in dem Haufen der Ersatz- und Altteile herum, in dem Plump untergetaucht war. »Du hast mich auf dem Gewissen!«, schrillte er aufgebracht, weil er alles Mögliche fand, nur nicht das gesuchte Teil.

Der Shabare hatte den Distelfrosch bei einem seiner Beutezüge aufgegriffen und an Bord der CANTLERY genommen. Longasc war zwar ein ausgesprochener Einzelgänger, aber gegen den kleinen Stimmennachahmer hatte er nichts einzuwenden gehabt. Hätte er geahnt, wie schnell Plump sich manche Sätze einprägen konnte, die er später bei allen unpassenden Gelegenheiten wieder von sich gab, dann hätte Longasc ihn lieber in dem Wrack verhungern lassen.

Angewidert betrachtete er seine vor Dreck strotzenden Hände, sie waren für ihn wichtiger als alles andere. Er pflegte sie deshalb stets ausgiebig, vor allem eine tägliche Rasur gehörte dazu. Sein Körper war von dichtem grauem Fell überzogen, an den Händen duldete er keine Haare.

Irgendwo in der CANTLERY erklang ein Signal. Longasc ignorierte es. Erst musste er das verlorene Teil seines Kampfanzugs finden und dann die Reparatur beenden.

»Was ist ein Freibeuter von Oskort ohne Kampfanzug wert?«, rief er aufgebracht und gab sich selbst die Antwort: »Nichts. Überhaupt nichts.«

Aus einem anderen Haufen, der aus allem möglichen Gerümpel bestand, erklang ein provozierendes Schmatzen. Der Distelfrosch hatte unbemerkt seinen Standort gewechselt.

»Raumfledderer! Schrottanzug!«, quakte Plump.

Der Shabare fluchte, denn was der Distelfrosch von sich gab, entsprach der Wahrheit. Longasc verleugnete sie nur allzu gern. In der shabarischen Zivilisation, die überwiegend Nomaden, Freibeuter und Piraten hervorbrachte, gehörte er zur untersten Kaste, zu jenen, die sich mit dem begnügen mussten, was die anderen übrig ließen. Diese Unterprivilegierten wurden verächtlich als »Raumfledderer« beschimpft, und das war einem Grabschänder gleichzusetzen. Plump hatte dieses Wort wohl bei irgendeiner Begegnung aufgeschnappt, denn Longasc selbst benutzte es nie.

»Eines Tages bringe ich dich um!«, schrie der Shabare. »Ich werfe dich in die nächstbeste Sonne.«

Wieder ertönte das Alarmsignal. Longasc eilte in den Kommandostand. Die CANTLERY – der Name bedeutete »Licht und Stern von Erendyra« und war vielleicht ein wenig hochtrabend gewählt – fiel mit Unterlicht durch den Leerraum. Longasc ließ die Panzerplatten am Frontfenster hochfahren, um freien Ausblick zu bekommen. Es knirschte herzzerreißend, als die Schutzplatten auf halber Höhe verharrten. Ein neuer Defekt. Longasc befürchtete so etwas schon lange.

Er musste sich bücken, um in den Weltraum sehen zu können, entdeckte aber nichts Auffälliges. Als er den Schutzpanzer wieder schließen wollte, quietschte es bedrohlich; das war alles. Die Hydraulik der Panzerplatten versagte, also musste er vorerst auf diese zusätzliche Armierung vor dem Fenster verzichten. Longasc war solche Unannehmlichkeiten gewohnt. Reparaturen waren für ihn immer nur eine Frage der Zeit.

Die CANTLERY war ein besonderes Raumschiff. Ungezählte Wrackteile waren mit dem ursprünglichen Schiff verbunden worden, sodass von dessen einstigem Aussehen und seiner Technik nur mehr wenig zu erkennen war. Das wichtigste Segment war ein unregelmäßiger Vielflächner mit Auswüchsen, Beulen, Löchern und Türmchen. Obwohl kaum zehn Meter durchmessend, enthielt es die Zentrale, eine Wohnkabine und etliche Zusatzaggregate, unter anderem zwei nicht miteinander kompatible Positroniken, das Klimasystem – und Longascs Werkstatt.

Das Heck der »Licht und Stern von Erendyra« war identisch mit dem Antriebsblock eines altersschwachen Enerpsi-Triebwerks. Allein dieser Teil hatte unverändert die regelmäßige Form eines Rotationstrapezoids von zehn Metern Länge und Breite. Zwischen beiden »Enden« der CANTLERY erstreckte sich eine 100 Meter lange gitterförmige Stahlkonstruktion. In diesem Stahlgeflecht verstreut hingen Wrackteile oder einfach nur Schrott.

Für jemanden, der genauer hinsah, entpuppte sich sogar das Bugsegment mit der Zentrale als Flickwerk. Longasc hatte bizarre Wrackstücke mit viel Liebe und Hingabe, wenngleich ohne Sinn für Ästhetik, zusammengeschweißt.

Er schüttelte die strubbeligen, grün schillernden Haare, die seinen eiförmigen Kopf zierten. Der Bildschirm zeigte ihm eindeutig Ortungsechos, und das sogar in großer Zahl.

»Bei allen Elysischen Ringen!«, staunte der Shabare. »Die alte Kiste funktioniert.«

Es gelang ihm mit einiger Mühe, die Entfernung der georteten Objekte eindeutig auszumessen. In diesem Sektor war während seiner letzten Passage absolut nichts gewesen. Innerlich jubelte er, denn ein hoffnungsvoller Verdacht keimte in ihm auf.

»Krächz«, meldete sich die Positronik, die Sothalk – das Kriegeridiom, das Longasc ihr zu programmieren versucht hatte – nach wie vor nur unzulänglich beherrschte. »Bilddaten sind parallel zum zweiten Monolog.«

»Und – was bedeutet das?«, rief der Raumnomade.

»Die Bilddaten sind parallel zum zweiten Monolog.«

Longasc kannte die Stärken und Schwächen seiner beiden Positroniken zur Genüge, vor allem ihre Unverträglichkeit untereinander. Krächz war die technisch bessere Maschine, wenngleich im Ausdruck verdammt schwach. Sie musste früher einer extrem fremdartigen Intelligenz gehört haben. Kokon – so nannte der Shabare das andere Rechnersystem, weil es äußerlich an ein fast mannsgroßes Gespinst erinnerte – war technisch unfähig, jedoch als Translator sehr gut einsetzbar.

Longasc übertrug Krächz' Aussage akustisch an Kokon. Auf die Deutung musste er nicht lange warten.

»Jede Positronik ruht einmal während ihrer Existenz auf der sanften Wolke des Wartens und Sehnens«, erklärte Kokon. »Das ist die Phase, die mit der Programmierung beginnt und mit dem ersten Einsatz im Rahmen eines Verbundes endet, also in einem Labor oder Raumschiff. Während dieser Zeit spricht die Positronik nur mit sich selbst: der erste Monolog.«

»Weiter!«, drängte Longasc. Er war mit seinen Gedanken wieder bei dem defekten Kampfanzug, der in der Werkstatt auf die Reparatur wartete.

»Die Bilddaten sind parallel, das ist wahre Harmonie«, fuhr Kokon fort. »Es bedeutet, dass die Ortungsdaten weitgehend identisch sind mit dem, was diese verwirrte Positronik gedacht hat, als sie den zweiten Monolog führte.«

»Den zweiten Monolog?«

»Krächz meint eine zweite lange Phase der Ruhe, zweifellos die Zeit nach der Zerstörung des Raumschiffs, in dem sie einmal installiert war. Irgendwann hat wohl deine Urgroßmutter dieses Produkt gefunden, es auf die CANTLERY geschleppt und erneut aktiviert. Da endete die Zeit des zweiten Monologs.«

Longasc verstand. Die Ortungsbilder glichen denen, die Krächz nach der Zerstörung ihres früheren Raumschiffs aufgenommen hatte. Er klatschte sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel. »Ein Schlachtfeld des Kriegers – nur so kann es gemeint sein. Krächz hat eine solche Schlacht überlebt. Sie hat damals die Trümmer gesehen. Nun erkennt sie eine ähnliche Formation, also ein anderes Schlachtfeld, das die Getreuen Kalmers hinterlassen haben. Zu meinem Wohl hinterlassen!«

Longascs Augen leuchteten gierig aus dem üppig behaarten Gesicht. Was er erfahren hatte, verhieß ihm reiche Beute. Falls ihm nicht ein anderer Fledderer dazwischenkam oder einer der shabarischen Freibeuter, die sich mit ihren Kaperbriefen unberechtigte Vorteile erkämpften.

Er programmierte eine Enerpsi-Etappe, die ihn geradewegs zu dem entdeckten Schlachtfeld führen sollte. Leichtsinnig wurde er nicht. Erst als die Systeme der CANTLERY Klarmeldungen gaben, überließ er das Schiff sich selbst. Ohne Kampfanzug würde er jedoch über kurz oder lang zusehen müssen, wie andere die Überreste einsammelten, deshalb eilte er in die Werkstatt, um erneut alles abzusuchen. Peinlich genau diesmal.

Longasc stolperte fast über das verschwundene Teil. Der Schlauch lag am Rand eines der Schrotthaufen, als hätte er nur darauf gewartet, gefunden zu werden.

Der Shabare machte sich hastig an die Reparatur. Die meisten Probleme bereitete ihm das anfällige Recyclingsystem. Es hatte ihn schon einige Male an den Rand des Todes gebracht, weil die Stoffe, die es verarbeitete und neu produzierte, schnell zu unverträglichen Giften werden konnten. Sorgfältig baute Longasc den von ihm selbst gefertigten Anzug zusammen. Obwohl er das gute Stück als Kampfanzug bezeichnete, war dieses Konglomerat aus allen möglichen technischen Bestandteilen nichts weiter als ein waffenloser Schutz, eine Art Rüstung.

Plump schlich knurrend heran, während der Shabare die gelenklosen Metallhülsen über seine Beine streifte, die Arme in die ziehharmonikaartigen Schläuche steckte und den...