Besser spenden! - Ein Leitfaden für alle, die sich nachhaltig engagieren

Besser spenden! - Ein Leitfaden für alle, die sich nachhaltig engagieren

von: Ise Bosch

Verlag Herder GmbH, 2021

ISBN: 9783451823398 , 208 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Besser spenden! - Ein Leitfaden für alle, die sich nachhaltig engagieren


 

KAPITEL 1


Warum spenden?


Die persönliche Motivation


Ich bin Erbin. Erbin sein ist angenehm, hat aber auch seine Schattenseiten: Reiche haben insgesamt kein gutes Image, damit muss ich klarkommen. Außerdem fällt es anderen oft schwer, sich in meine Lage zu versetzen. Manchmal haben sie auch keine Lust dazu, wofür sie gute Gründe haben mögen – aber es ist nicht immer einfach für mich, damit umzugehen.

Ähnlich ergeht es vielen Prominenten, Menschen mit Spitzengehalt und anderen, die in kurzer Zeit zu Reichtum gelangt sind. Das Unverständnis zeigt sich gar nicht immer als Missgunst, oft sogar mit einer fast übertrieben positiven Wertung. Wenn ich mich offen als Geldgeberin zu erkennen gebe, werde ich ab und an gefragt, warum ich das mache, das müsste ich doch gar nicht. «Du könntest doch einfach das Leben genießen.» Nun entspricht das nicht meinem Empfinden; denn wie wohl die meisten Menschen kann ich das Leben am besten genießen, wenn es den anderen auch gut geht und wenn die Umwelt intakt ist. Das liegt natürlich nicht in erster Linie am Geld, aber oft eben doch. Auch wenn ich selbst finanziell gut versorgt bin, bin ich immer wieder konfrontiert mit Sorgen und Not. Mit Ineffizienz, mit vergebenen Chancen, mit vielen Ungerechtigkeiten, die von Geldmangel herrühren. Es erscheint mir normal, um Geld angegangen zu werden – wäre es nicht so, müsste ich mich fragen, warum.

Meine Spendentätigkeit betrachte ich als Arbeit, die im weiteren Sinn politisch ist. Eine angenehme Arbeit; denn sie ist in vielerlei Hinsicht befriedigend. Ich kann mich aktiv und unabhängig sozial einsetzen und dabei wertvolle Erfahrungen sammeln, und zugleich ist diese Tätigkeit ein Ausweg aus der (Selbst-)Isolation, die durch Reichtum oft entsteht. Menschen, die bewusst und strategisch für soziale Gerechtigkeit spenden, lösen damit nicht das systemimmanente Problem sozialer Ungerechtigkeiten. Aber immerhin verdrängen sie es nicht.

Die Motivation zu spenden, zu geben, zu helfen scheint mir etwas ganz ursprünglich Menschliches zu sein. Für die Einzelnen mögen verschiedene Faktoren bestimmend sein, zum Beispiel:

•«Das darf nicht geschehen.»

Wie begegnen wir dem Klimawandel? Was tun wir gegen die Einschränkung von Demokratie und Menschenrechten hier in Deutschland und in anderen Ländern?

•«Geteilte Freude ist doppelte Freude.»

Das ist mehr als «do ut des» oder «wie du mir, so ich dir». Das Schenken an sich macht Freude. Beobachten Sie kleine Kinder!

•«Das soll nie wieder passieren.»

Viele von uns machen einschneidende Erfahrungen mit Krankheit, Not, Gewalt, Ungerechtigkeit und entwickeln dann ein starkes Bedürfnis, sich für andere in ähnlicher Lage einzusetzen. Statt «Kampf oder Flucht»: hinsehen und helfen.

•«Ich brauche nicht so viel.»

Viele fühlen sich mit einem bestimmten Lebensstandard am wohlsten. Besitz darüber hinaus kann durchaus belastend sein. Diejenigen, die den Überfluss nicht kennen, mag das wundern; tatsächlich geht es aber vielen so, die größere Geldsummen geerbt haben. Mir ist bewusst geworden, dass mich soziale Ungleichheit persönlich belastet, auch wenn ich mich auf der Seite derer befinde, die gewinnen. Den Teil meines Vermögens, der nach meinem eigenen Standard «übrig» ist, auf sinnvolle Weise weiterzugeben, ist mein persönlicher Weg, mit Reichtum umzugehen. Es ist allemal hilfreicher, meine Betroffenheit zu spüren, als zynischen Stimmen zu lauschen, die sagen: Deine Probleme möchte ich haben!

•«Eigentlich habe ich unverdient viel Geld.»

Der Arbeitsmarkt entlohnt nicht fair, vieles ist unterbezahlt und manches eben auch überbezahlt. Nicht nur Erbinnen und Erben größerer Summen, sondern auch Menschen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen, Begünstigte eines Unternehmensverkaufs, Stars im Film- und Showbusiness, Top-Tennisspieler, Bestsellerautorinnen empfinden, dass sie «unverdient und unverhältnismäßig viel» Geld haben. Sie entwickeln regelrecht Schuldgefühle. Ein echtes Luxusproblem, das selten auf Verständnis trifft, sozusagen a nice problem to have, und doch können solche Skrupel sehr hemmend sein. Aktive, kreative Spendenarbeit ist ein Ausweg aus dieser moralischen Misere.

•«Ich möchte etwas zurückgeben.»

Auch das Bedürfnis, der Gesellschaft zurückzugeben, was sie uns großzügig gegeben hat, kann eine gute Motivation sein. «Weil ich selbst eine gute Schule besuchen konnte, setze ich mich dafür ein, dass andere auch diese Chance bekommen.»

•«So mach ich das auch.»

Oft animieren uns Vorbilder, mit Geld großzügig zu sein – Familienmitglieder, Menschen aus dem sozialen und beruflichen Umfeld oder auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die uns besonders beeindrucken.

Wie lautet Ihre Geschichte mit ererbtem, erarbeitetem, gewonnenen Vermögen? Was ist Ihre Motivation, Ihr Vermögen sozial einzusetzen? Eventuell kommen Ihnen Elemente aus den folgenden Geschichten bekannt vor.

Susanne Bächer:

Zusammen mit zahlreichen Verwandten habe ich vor vielen Jahren Anteile an einer Firma geerbt. Ich hatte kaum Einfluss auf die Firma, aber solange sie florierte, floss mir Geld zu. Das fand ich immer ungerecht. Es war mir wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen! Die Erträge aus der Firma waren für mich mit Konflikten verknüpft. Ich nutzte sie hauptsächlich, um die Steuern zu begleichen, und machte ein paar bescheidene Spenden. Es fühlte sich verdruckst an.

Ende der 90er Jahre wollte ich das ändern, ich begann, mich für Stiftungen zu interessieren und besorgte mir Informationen. Es war ein großes Glück, dass ich andere Frauen traf, die auch geerbt hatten und ähnlich dachten! Zu neunt gründeten wir zum einen «filia.die frauenstiftung» und außerdem «Pecunia, das Erbinnen-Netzwerk e.V.».

Dort können sich Frauen, die geerbt haben, im geschützten Rahmen untereinander austauschen. «filia» fördert Mädchenprojekte in Deutschland und Frauenprojekte international, die Stiftung kann heute jährlich eine sechsstellige Summe vergeben.

In meiner Großfamilie gab es jahrelange Auseinandersetzungen, bis es endlich zum gemeinsamen Verkauf kam. Für mich eine Befreiung. Seitdem lege ich das Geld nach meinen eigenen ökologischen und sozialen Kriterien an und fördere auch einige weitere Organisationen, deren Arbeit ich wichtig finde, z.B. «LobbyControl».

Felix Kolb:

Schon als Kind wurde mir Stück für Stück bewusst, zu einer kleinen, sehr privilegierten Minderheit auf unserem Globus zu gehören. Erst mit achtzehn fand ich dann Anschluss an die Naturschutzjugend und entdeckte damit die Möglichkeit, mein nagendes schlechtes Gewissen durch Optimismus und politisches Engagement zu ersetzen. Es war eine befreiende Erfahrung, vor allem meine Zeit zu «spenden» und gleichzeitig für meinen Glauben an Ökologie, Frieden und globale Gerechtigkeit eintreten zu können.

Doch ich stieß auch auf Grenzen der Veränderung. Als Antwort auf die Propaganda für den Grünen Punkt träumte ich Anfang der 90er Jahre von einer ökologischen Anzeigenkampagne. Nachdem mir klar wurde, welche Summen Anzeigen kosten würden, versandete meine Initiative rasch. Aber eine Einsicht begleitet mich seitdem: Geld regiert nicht nur die Welt, sondern ist auch ein notwendiges Instrument für politische Veränderung.

Auch in den darauf folgenden Jahren machte ich immer wieder die Erfahrung, dass trotz meines großen ehrenamtlichen Engagements in der Anti-Atomkraft-Bewegung viele Ideen aus Mangel an Geld nicht umgesetzt werden konnten. Ich schreckte jedoch davor zurück, auch dort zu spenden, wo ich aktiv war. Immer stärker wurde das Gefühl, allein einen strukturellen Missstand nicht beheben zu können. Durch einen glücklichen Zufall traf ich andere, die wie ich Geld für ihre progressiven Vorstellungen einsetzen wollten. Wir entwarfen die Vision einer Gemeinschaftsstiftung für gesellschaftlichen Wandel. Seit dem Jahr 2002 fördert «Die Bewegungsstiftung» u. a. Umweltinitiativen, globalisierungskritische Organisationen, Geflüchtetengruppen und die Friedensbewegung.

Bruno Haas:

Spenden ist zunächst ein wirtschaftliches Tun wie jedes andere. Es zielt auf die Erzeugung von Mehrwert: Ich tausche ein Gut, meist Geld, gegen eins, das mir ein größeres Gut zu sein scheint. Doch indem ich etwas ohne Gegenleistung und Erwartung weggebe, unterläuft das Spenden dabei zugleich das sonst allgegenwärtige Gesetz von Markt und Profit.

Das hat neben der politischen auch eine persönliche Dimension: Wer freigiebig und freien Herzens von seinem Besitz abgibt, kann darin auch in seiner Persönlichkeit wachsen. Denn im Spenden lebe und erlebe ich, dass Wohlergehen und Glück mehr umfassen, als durch egozentrisches...