Zeitschrift Polizei & Wissenschaft - Ausgabe 2/2021

Zeitschrift Polizei & Wissenschaft - Ausgabe 2/2021

von: Clemens Lorei

Verlag für Polizeiwissenschaft, 2021

ISBN: 9783866766914 , 77 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 19,00 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Zeitschrift Polizei & Wissenschaft - Ausgabe 2/2021


 

Wie effektiv ist die Sportausbildung der Bayerischen Polizei?

Eine Evaluation der Sportausbildung des mittleren Polizeivollzugdienstes (2. QE) in Bayern

Micha Fuchs & Albin Muff

1. Einleitung

Wir leben aktuell in einer gesellschaftlichen Epoche, in der einerseits Fitness-Studios boomen und es deutschlandweit über elf Millionen Mitglieder von Fitness-Studios gibt (Rutgers et al., 2019) sowie manche „das Zeitalter der Fitness“ (Martschukat, 2019) ausrufen. Dem gegenüber steht anderseits die Tatsache, dass über die Hälfte der deutschen Erwachsenenbevölkerung übergewichtig ist (Statistisches Bundesamt, 2019), sich dieser Trend auch im Jugendalter stabilisiert (Schienkiewitz et al., 2018) und auch die Medien die Frage aufwerfen „Sind Polizeischüler nicht fit genug?“ (Schiermeyer, 2018). Daher stellt sich auch für die Polizeiausbildung die Frage, welche Validität und Aussagekraft die derzeitigen Leistungskriterien bei der Einstellungsprüfung sowie die während der Ausbildung zu erbringenden Sportleistungen haben. Sind diese noch angemessen oder müssen sie adjustiert werden? Um dieser Frage fundiert nachgehen zu können, wurde bei der Bayerischen Polizei ein Forschungsdesign entwickelt1, das aus vier Teilstudien bestand. Die Teilstudie 1 hatte dabei zum Ziel, ausgewählte sportliche Leistungstests hinsichtlich ihrer Reliabilität zu prüfen, um so eine fundierte und zuverlässige Grundlage für die weiteren Teilstudien zu schaffen. Grundlage hierfür bildeten 115 Beamte in Ausbildung an allen sieben bayerischen Ausbildungsstandorten, die jeweils im Abstand von ein bis zwei Wochen zweimal getestet wurden. In der anschließend durchgeführten Teilstudie 2 wurde erhoben, wie sowohl Polizeiauszubildende als auch ehemalige Polizeiauszubildende die Sportausbildung u. a. hinsichtlich ihrer Rahmenbedingungen, Inhalte sowie Prüfungsformen und -vorbereitung bewerten. Hierfür wurden sowohl zum Erhebungszeitpunkt über 2800 Beamte in Ausbildung als auch 170 junge Beamte von Polizeiinspektionen und Einsatzhundertschaften befragt, die ihre Polizeiausbildung erst vor Kurzem erfolgreich beendet hatten. Teilstudie 3 umfasste eine Langzeiterhebung von über 740 Beamten in Ausbildung hinsichtlich ihrer Sportleistungen von der Einstellungsprüfung bis zum Ende ihrer Ausbildung sowie der Noten aller Ausbildungsfächer und im Persönlichkeitsbild. In der vierten und letzten Teilstudie kam es zu einer qualitativen Befragung von 39 Sportleitern und -ausbildern hinsichtlich der Frage, basierend auf den Ergebnissen und Analysen der drei vorausgegangenen Teilstudien, inwiefern Verbesserungs- und Veränderungsmöglichkeiten für die Sportausbildung sinnvoll wären.

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie präsentiert die Erkenntnisse einer fachlichen Überprüfung der Sportausbildung der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Hierbei wurde ein triangulatorisches Forschungsdesign (Leistungstests, Datenanalyse, Workshop) eingesetzt. Im Zeitraum von Februar 2018 bis Januar 2019 wurden neben den Beamten in Ausbildung (N = 2817), junge Beamte der Polizeiinspektionen (N = 85) und Einsatzhundertschaften (N = 81) sowie aktive Sportleiter (N = 39) befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ausrichtung der Polizeiausbildung der Bayerischen Polizei u. a. mit ihrer hohen Gewichtung der Sportausbildung den Beamten in Ausbildung zugute kommt, da eine nachweisliche Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit dargelegt werden konnte. Gleichzeitig sorgt der hohe Stellenwert von sportlichem Training innerhalb der Organisation Polizei dafür, dass dies während der Ausbildung durch die einzelnen Polizeiauszubildenden und späteren Polizeibeamten verinnerlicht wird. Abschließend werden praktische Implikationen für die Sportausbildung mit dem Fokus auf Motivation, Leistungsbewertung und Unterrichtsgestaltung diskutiert.

Sportausbildung, Leistung, Motivation, Längs- und Querschnittsstudie, Evaluation.

Abstract

The following study shows research findings about the sports training of the Bavarian Police. The study was executed between 2018 and 2019 and the data of three different target groups was used. Besides 2817 police students, 85 patrolmen, 81 police officers of mobile squads and 39 sports trainers took part in the study. Because of the different research aspects the study includes four substudies and a mixedmethod-design was used. The research results show that the police students are able to improve their performance in different sports disciplines significantly because of physical training. The effect of performance improvements were shown for both sexes. In addition, the study was able to show, that the attitude and motivation for sports exercises transmits from the police training to the subsequent work locations. To strengthen the quality of the sports exercises during the police training one substudy shows the need of further vocational training for the sports trainer concerning planning, executing and evaluating the training. Furthermore all groups endorse the implementation of the sports performance as an examination mark. Practical implications for sports training are discussed with a focus on motivation, performance assessment and teaching structure.

Sports training, performance, motivation, longitudinal and cross-sectional analysis, evaluation.

2. Bayerische Polizei

Die Bayerische Polizei zählt mit ihren gut 41.400 Beschäftigten zu einem der größten Polizeiverbände in der Bundesrepublik (Polizei Bayern, 2020a). Sie gliedert sich in zehn Polizeipräsidien sowie rund 350 Polizeiinspektionen bzw. Polizeistationen. Ihre Struktur ist im Polizeiorganisationsgesetz (POG) festgelegt. Oberste Dienstbehörde ist das Bayerische Staatsministerium des Innern (Art. 1 POG). Die Organisationsstruktur der Bayerischen Polizei wird im unten stehenden Organigramm verdeutlicht (Abbildung 1). Die Aufgabenbereiche sind im Polizeiaufgabengesetz (PAG) geregelt und umfassen die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (Art. 2 PAG).

3. Polizeiausbildung durch die Bayerische Bereitschaftspolizei

Die Aufgabe der Polizeiausbildung für die Beamten der sogenannten 2. Qualifikationsebene (QE), die früher und in anderen Bundesländern als mittlerer Polizeivollzugsdienst bezeichnet wird, obliegt der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Neben der Polizeiausbildung hat die Bayerische Bereitschaftspolizei insbesondere die Aufgabe, mit Hilfe ihrer geschlossenen Einheiten die obersten Staatsorgane und Behörden sowie lebenswichtige Einrichtungen zu schützen sowie andere Teile der Polizei zu unterstützen und bei Katastrophen Hilfe zu leisten (Art. 6 POG). Mit über 7800 Beamtinnen und Beamten sowie Beschäftigten stellt die Bayerische Bereitschaftspolizei darüber hinaus einen der größten Polizeiverbände dar (Bayerische Bereitschaftspolizei, 2020a). Aktuell werden ca. 3800 Beamte in Ausbildung an sechs Bereitschaftspolizeiabteilungen2 (BPA) für die 2. QE ausgebildet. Zu den sechs BPA kommen noch die Außenstelle Nabburg in Ostbayern sowie die Ausbildung der Winter-Spitzensportler am Fortbildungsinstitut in Ainring (Südbayern) hinzu. Dem gegenüber steht ein Lehr- und Ausbildungspersonal in Höhe von gut 650 Personen. Die Polizeiausbildung für die 2. QE des Polizeivollzugdienstes dauert 2,5 Jahre und ist in fünf Ausbildungsabschnitte unterteilt. In dieser Zeit erhalten die Polizeiauszubildenden 5000 Unterrichtsstunden in 20 Fächern hinsichtlich rechtlicher, praktisch-taktischer und persönlichkeitsbildender Themen. Nach einer grundlegenden Erneuerung der Ausbildung 2006 ist die Polizeiausbildung 2. QE mittlerweile in Leitthemen und Module gegliedert und damit kompetenzorientiert und inhaltsübergreifend aufgebaut. Die vier Leitthemen, die die Polizeiausbildung durchziehen, sind

• Dienstbetrieb,

• Verkehr,

• Streife,

• Kriminalitätsbekämpfung.

Grundlegendes Ziel dieser kompetenzorientierten3 Polizeiausbildung ist die Entwicklung junger Menschen zu Polizeibeamten und -beamtinnen, die einerseits rechtlich fundiert sowie praxisorientiert ausgebildet sind und welche angemessen auf gesellschaftliche Veränderungen, wie Globalisierung, Digitalisierung und Wertewandel, kompetent reagieren können. Im Sinne der Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR, 2013) kann die Polizeiausbildung daher in drei Kompetenzsäulen aufgeteilt werden:

• Fachkompetenz – abgedeckt v. a. durch die fünf Rechtsfächer

• Handlungskompetenz – abgedeckt durch die praktischen Ausbildungsfächer wie Polizeiliches Einsatztraining, Kriminalistik, Waffen- und Schießausbildung, Selbstverteidigung und Eigensicherung

• Persönliche und Soziale Kompetenz – abgedeckt durch die Fächer im Bereich Persönlichkeitsbildung (u. a. Kommunikation und Konfliktbewältigung) und die beide oberen Kompetenzen vereinend

Abbildung 1: Polizei Bayern (2019): Die Organisation der Bayerischen Polizei

4. Körperliche Leistungsfähigkeit und Polizei

Grundlage für eine entsprechende Ausübung der oben genannten Kompetenzen ist die körperliche Leistungsfähigkeit der Polizeibeamten und -beamtinnen. Da laut dem Deutschen Polizeisportkuratorium (DPSK) nur in wenigen Berufen der körperlichen Leistungsfähigkeit eine so herausragende Bedeutung zukommt wie im Polizeiberuf, ist die körperliche Leistungsfähigkeit eine Schlüsselqualifikation für die Einsatz- und Funktionsfähigkeit der Polizei und nimmt demnach einen zentralen Stellenwert in der...