I Will Always Love You - Mein Leben mit Whitney Houston

I Will Always Love You - Mein Leben mit Whitney Houston

von: Robyn Crawford

Goldmann, 2021

ISBN: 9783641269432 , 416 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 14,99 EUR

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I Will Always Love You - Mein Leben mit Whitney Houston


 

EINS

Whitney Elizabeth Houston


· · · · ·

Es war im Sommer 1980, als ich auf meinem schwarzen 22-Gang-Kabuki ans andere Ende von East Orange radelte. Das Telefon hatte mich eben erst aus dem Bett geklingelt, doch der Fahrtwind im Gesicht sorgte dafür, dass ich endgültig aufwachte. Coachin Clark, meine Basketballtrainerin aus der Highschool, hatte angerufen, um mir einen Job im East Orange Gemeindezentrum anzubieten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich daheim zur Tür raus war. Im Herbst sollte mein zweites Jahr am College beginnen, was ich Coachin Clark zu verdanken hatte, ich war es ihr also schuldig aufzukreuzen. Während die Sommersonne bereits vom Morgenhimmel stach, sauste ich rüber zur Main Street.

Ich trat kräftig in die Pedale, bis ich an dem Gebäude mit der Glasfront angekommen war. Dort sprang ich vom Fahrrad und schob es neben mir her in einen schlecht beleuchteten Saal voller Menschen, in dem Tische und Stühle an den Wänden aufgestapelt standen. Irgendwo ganz hinten entdeckte ich Coachin Clark. Sie lächelte, umarmte mich herzlich und reichte mir dann ein Bündel Formulare, die ich für sie austeilen sollte. Sicher hätte Clark auch jede andere für den Job aussuchen können, aber sie wusste eben, dass sie sich auf mich verlassen konnte.

Was mein Haar angeht, war ich schon immer eitel. Damals bat ich meistens meine kleine Schwester Robina, liebevoll Bina genannt, mir nach dem Waschen Zöpfe einzuflechten. Manchmal hatte ich aber Lust dazu, mein Haar auf pinkfarbene Schaumstoffwickler zu drehen. Wenn ich die Dinger dann rausnahm, hingen sich die Locken langsam aus, und am dritten Tag hatte ich dann einen herrlichen Afro. Damals war so ein Tag, und ich gefiel mir in meinen grasgrünen Shorts, dem hellgrünen T-Shirt, den weißen Nike-Sneakers und den strahlend weißen Sportsocken.

Mit meinem Stapel Anmeldeformulare für die zukünftigen Ferienbetreuer und einer Handvoll Kugelschreiber klapperte ich den Saal ab. Irgendwann stieß ich auf ein Mädchen, das ich noch nie gesehen hatte. Zuerst nahm ich sie gar nicht richtig wahr, weil sie ganz hinten an der Wand saß. Aber als ich ihr dann die Formulare rüberreichte, blieb ich wie vom Blitz getroffen stehen. Die Neue war einfach der Wahnsinn!

Sie trug eine rot-blau-grau karierte Seidenbluse, enge, knielange Shorts und Adidas Gazelles mit roten Streifen. Eine goldene Uhrenkette lag um ihren Hals, das sandbraune Haar hatte sie zurückgebunden und eine Schirmmütze daraufgesetzt, auf der das Logo des Roten Kreuzes prangte. Ihre Haut war seidig braun, und in ihren Augen spiegelte sich das matte Licht.

»Wie heißt du?«, fragte ich.

»Whitney Elizabeth Houston«, erwiderte sie. Ihre Antwort amüsierte mich. Wer sagte bei der ersten Vorstellung schon gleich den zweiten Vornamen mit dazu? Ich fragte, wo sie wohnte, und sie sagte: »Doddtown, gegenüber von McDonald’s.« Meine Cousins, bei denen ich oft übernachtete, wohnten auch in dieser Gegend. Und bei genau diesem McDonald’s hatte ich während meines ersten Highschooljahres gejobbt.

Noch am selben Tag erfuhr ich, dass Whitney eine private Mädchenschule besuchte und Sängerin war. Ihre Mutter hatte seinerzeit die Sweet Inspirations gegründet, eine Gruppe von Backgroundsängerinnen für die großen Stars wie Elvis Presley oder Aretha Franklin. Und Dionne Warwick war ihre Cousine.

Bevor ich weiterging, warf ich ihr einen letzten Blick zu und sagte, ich würde ein Auge auf sie haben. Warum ich das gesagt habe? Ich weiß es nicht, aber ich musste es irgendwie tun.

Wie konnte es sein, dass ich sie noch nie gesehen oder von ihr gehört hatte?

· · · · ·

Ferienbetreuer begleiteten Kindergruppen im Sommer zu verschiedenen Aktivitäten in die Parks von East Orange. Ich suchte mir eine Gruppe von Kids im Alter von sechs bis elf Jahren für den Columbian Park aus. Der lag zufällig in der Nähe meiner ehemaligen Highschool, auf jener Seite der Stadt, wo Whitney wohnte. Und wie es der Zufall wollte, wählte sie das Gleiche. Ich übernahm die Vormittagsschicht, sodass ich am Mittag frei hatte und nachmittags mit ein paar Freunden im Park am großen Feld Basketball spielen konnte. Whitney war nach mir eingeteilt, also übergab ich ihr die Gruppe und zog los. Wenn ich dann vom Spielen zurückkam, entließ sie die Kinder, und wir machten etwas gemeinsam.

Ich war gerade neunzehn geworden, und Whitney war noch nicht ganz siebzehn. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wohin das mit ihr noch führen würde, aber ich spürte genau, dass 1980 ein super Sommer werden würde. Whitney Elizabeth war ein nettes Mädchen, bescheiden, aber charmant. Nach außen strahlte sie Anmut und Selbstbewusstsein aus, aber im Kern unterschied sie sich kaum von all den anderen jungen Frauen in diesem Alter. Obwohl sie auffallend hübsch war, war sie selbst ganz anderer Meinung und hatte ständig etwas an ihrem Aussehen auszusetzen. Ich verstand nicht, wo diese Unsicherheit herkam.

Einmal, ganz am Anfang unserer Freundschaft, fuhr ich im Wagen meiner Mom zu der Adresse, wo Whitney mit ihrer Mutter wohnte. Es war ein weiß getünchtes, mittelgroßes Holzhaus im Cape-Cod-Stil. Als ich davor anhielt, stand sie schon in der Tür. Sie trug ein T-Shirt, in dem sie sehr schlank aussah, und einen Baumwollsweater, den sie sich um die Schultern gebunden hatte. Und dann lachte ich. Sie trug die furchtbarsten Jeans, die ich je gesehen hatte, oben eng und vom Knie abwärts ausgestellt. Sie muss mein Grinsen gesehen haben, als sie zum Auto rüberkam, denn sobald sie eingestiegen war, fragte sie: »Was

Ich wählte meine Worte sehr sorgfältig, um sie nicht zu kränken. »Tja, also«, begann ich, »sehr interessant, deine Jeans … Aber warum trägst du ausgerechnet die

Sie wollte wissen, was damit sei, und ließ nicht locker, bis es irgendwann aus mir herausplatzte: »Wir müssen dir dringend neue Jeans kaufen!«

»Na schön, was für Jeans brauche ich denn deiner Meinung nach?«, erkundigte sie sich.

»Solche mit geradem Schnitt.«

Daraufhin erklärte mir Whitney, dass sie einen zu kurzen Oberkörper habe, ihre Hüfte zu hoch sitze und dass ihre Knie nach innen zeigten, was unweigerlich zu X-Beinen führe. Sie wollte gar nicht mehr damit aufhören, und es irritierte mich, dass sie so über sich sprach. Nur einen Monat zuvor – das hatte Whitney mir selbst erzählt – hatten sie und ihre Mutter an der Ecke Siebenundfünfzigste und Seventh Avenue vor der Carnegie Hall gestanden, als ein Mann auf sie zukam und sagte: »Entschuldigen Sie, aber da oben ist eine Modelagentur, die suchen genau so Mädchen wie Sie.« Und tatsächlich unterschrieb sie noch am selben Tag einen Vertrag mit Click Models.

Als ich nun also neben ihr am Steuer saß, sagte ich: »Ach komm schon, du bist ein Nachwuchsmodel. Kennst du Cheryl Tiegs oder die Charlie-Werbung mit Shelley Hack in diesen dunklen Röhrenjeans, die aussehen wie Zahnstocher, in denen sie mindestens einen Meter lange Schritte macht? Das bist du!«

Whitney lächelte und entspannte sich ein wenig. Für mich war ihr Lächeln wie die aufgehende Sonne, und ich war glücklich, dass ich sie zum Strahlen bringen konnte. Immer wenn ich die Modemagazine meines Bruders Marty durchblätterte, stolperte ich irgendwann über eine lächelnde Cheryl Tiegs, die einen glücklichen, natürlichen und selbstbewussten Eindruck machte. Sie galt immer als das ganz normale Mädchen aus der Nachbarschaft. Cheryl lebte natürlich keineswegs in meiner Nachbarschaft, aber Whitney schon. Und ich wollte, dass sie sich so schön fühlte, wie sie tatsächlich war.

Also zogen wir los, um Whitney ihr erstes Paar enge Jeans zu kaufen. Damals trug man Marken wie Jordache, Sergio Valente oder Gloria Vanderbilt. Die meisten Mädchen, die ich kannte, kauften modische Modelle mit viel zu vielen Taschen, aber ich machte mir nichts aus diesen Trends. Ich war ein Mädchen, das auf Levi’s 501-er, Lee oder Wrangler stand und zum Shoppen in den Berufsbekleidungsladen an der Broad Street in Newark ging. Mit Whitney ging ich allerdings zu Gap in der Willowbrook Mall und suchte ihr acht Paar gerade Jeans zum Anprobieren raus. Wir entschieden uns für das Modell in ganz dunklem Denim, das genau die richtige Länge hatte, um es oberhalb der Gazelles ein kleines Stück hochzukrempeln. Dazu kauften wir auch noch ein zweites, helleres Paar. Ab diesem Tag trug sie nichts anderes mehr. Dieselbe Whitney Houston, die man später auf der ganzen Welt in glitzernden Roben kannte, war eigentlich ein schlichtes, unkompliziertes Mädchen, das es in seinen Jeans, T-Shirts, Button-down-Hemden und Turnschuhen gerne bequem hatte.

· · · · ·

Es war eine schöne Zeit: Ich hatte viel Spaß mit meiner neuen Freundin, ich hatte einen Job und spielte jede Menge Basketball. Für mich war das nicht selbstverständlich, denn vor allem als ich ein kleines Kind war, war nicht immer alles so rosig gewesen. Im Alter zwischen zwei und sechs Jahren lebte ich mit meiner Familie in Kalifornien. Es waren schwere Zeiten, obwohl sich meine Mutter in Los Angeles eigentlich den Traum vom weiß getünchten Gartenzaun hatte erfüllen wollen. Während mein Vater noch in der Army diente, war sie ihrem Bruder und dessen Frau nachgefolgt, als sie aus Newark wegzogen. Daddy war zwischen 1958 und 1963 im Militärdienst, einen Teil davon leistete er als Fallschirmjäger in Vietnam ab. Später sprach er mit uns nie mehr über diese Zeit. Kurz nach seiner Entlassung folgte er Mom nach Los Angeles. Doch der Traum geriet ins Wanken, als er begann, fremdzugehen und gewalttätig zu werden. Er verlor seinen Job. Und dann war da noch die...