Dreifachmord in der Nacht. Ostfrieslandkrimi

Dreifachmord in der Nacht. Ostfrieslandkrimi

von: Stefan Albertsen

Klarant, 2021

ISBN: 9783965864696 , 200 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 3,99 EUR

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Dreifachmord in der Nacht. Ostfrieslandkrimi


 

7. Kapitel


 

Trotz zahlreicher Wechselbäder unter der Dusche, einer Tasse bitterem und heißem Instant-Kaffee sowie einer drögen Laugen­stange fühlte Axel Groot sich nicht eben frischer, als er das Polizeipräsidium betrat.

Was erwarte ich, nachdem ich in der Nacht mehrfach aufge­schreckt bin, weil ich von Leichen träumte, die sich in einem Wald vor mir aufstapelten? Nicht zu vergessen: die körperlose Stimme, die immer wieder flüsterte, dass eine von ihnen ›einer von uns … einer von der Polizei sei‹.

Er beschloss, für den Moment nicht weiter darüber nachzuden­ken, während er gähnend die Treppe zum ersten Stock empor­stieg. Auf der dritten Stufe angekommen, kitzelte ihn ein speziel­ler Duft in der Nase.

Kaffee, dachte er. Frau Martens ist wohl schon fertig mit der Begutachtung des gefundenen Autos und versucht sich als Lebenserweckerin zu profilieren. Groot lächelte. Im Grunde ihres Herzens ist sie mitfühlend und hat erkannt, dass ich dieser Unterstützung dringend bedarf.

Er betrat die Räumlichkeiten, die ihm und der Kommissarin als »eigenes Reich« dienten. Eine hochgewachsene, schlanke Frau zwinkerte ihm vergnügt entgegen, doch es war nicht Hilka Martens.

»Kris?«, fragte er überrascht und blieb wie angewurzelt stehen.

»Na, dein Gedächtnis funktioniert augenscheinlich einwandfrei, auch wenn du ziemlich übermüdet wirkst«, antwortete die Gerichtsmedizinerin und rückte ihre Brille zurecht.

»Was tust du denn hier?«

»Empfängt man so einen lieben Gast?«, lautete die Gegenfrage. Kris Willers zog eine Schnute.

»Nein, nein … ich meine …« Oje, ich bin nicht in Form, wenn das alles ist, was ich rausbekomme. »Du hast natürlich vollkom­men recht. Entschuldige bitte«, erwiderte er, nachdem er sich kurz besonnen hatte. Axel trat vor seine Freundin, umfasste ihre Schultern, beugte sich vor und presste die Lippen auf die ihren.

Was von ihm ausgehend als sanfter Begrüßungskuss gedacht war, dehnte sich zu einer innigeren Liebkosung aus. Kris schlang die Arme um ihn und zog ihn an sich heran.

Für einen kurzen Moment vergaß Groot, dass er im Büro war, ebenso wie das Präsidium. Sogar der Umstand, dass sie sich in Norden, Ostfriesland, oder gar auf dem Planeten Erde aufhielten, rückte aus dem Fokus seines Bewusstseins. Wichtig waren nur die Weichheit ihrer Lippen und die Wärme ihrer Berührung … und die Tatsache, dass er sich beidem genüsslich hingab.

Er war etwas atemlos, als sie sich voneinander trennten. »Womit habe ich diese Ehre verdient?«

Kris wiegte sanft den Kopf. »Na ja, gestern Abend konnten wir nichts mehr zusammen unternehmen. Ich habe zweimal bei dir durchgerufen, aber du warst noch nicht zu Hause. Ist wohl spät geworden, wie?«

Er nickte. »Kann man wohl sagen. Ich lag erst um kurz vor zwei in den Federn.«

»Na ja«, nahm sie ihren Faden wieder auf. »Da habe ich mir halt gedacht, ich überrasche dich heute Morgen im Büro mit frischem Kaffee und ein paar belegten Scheiben von dem Brot, das ich immer backe.«

Axel schielte an ihr vorbei und entdeckte auf einem der beiden Schreibtische, die den Raum dominierten, einen Teller, auf dem die versprochenen Köstlichkeiten ausgebreitet lagen.

»Du bist die Beste«, rief er begeistert und bedankte sich mit einer Fortsetzung des Begrüßungskusses. Ein leises, aber unüber­hörbares Räuspern vom Eingang her ließ sie zusammenfahren. Sie wandten sich in die Richtung, aus der der Laut gekommen war.

Hilka Martens lehnte sich, versehen mit dem wohl breitesten Grinsen, das Groot jemals gesehen hatte, an den Türrahmen und wirkte dabei so zufrieden wie eine Katze, die die Maus endlich in die Pfoten bekommen hat. »Guten Morgen allesamt.«

Ihre Stimme trieft förmlich vor Selbstzufriedenheit, dachte Axel ärgerlich.

»Guten Morgen«, sagte er und fühlte sich so stocksteif wie einer jener englischen Butler aus einem furchtbar klischeebehafteten Kriminalfilm längst vergangener Tage.

Die Kommissarin nickte Kris Willers zu. »Ah, es gibt frischen Kaffee und lecker Schnittchen. Darf man sich bedienen, oder …?«

»Nein, nein, greif ruhig zu«, erwiderte die Gerichtsmedizinerin schnell. »Ich hab genug gemacht.«

Mit spitzen Fingern griff die Martens nach einer mit Ei belegten Scheibe, biss herzhaft hinein und holte die Kanne aus der Maschi­ne, um ihnen allen einzugießen.

»Sie sehen ja aus wie das blühende Leben, Frau Kollegin«, wechselte Groot das Thema, als er einen ersten Schluck intus hatte und das Koffein fast sofort seine belebende Wirkung freisetzte.

»Ich habe ja auch sehr gut geschlafen«, entgegnete Hilka Martens mit vollem Mund. »Nicht viel, aber sehr tief. Mein autogenes Training hilft, schnell abzuschalten und runterzukom­men.«

Sie musterte ihn eingehend. »Sollten Sie vielleicht auch mal versuchen, Herr Kollege. Ich kann Ihnen bestimmt ein paar Tipps geben, wenn Sie möchten.«

Groot ließ sich auf dem Besucherstuhl vor den Schreibtischen nieder und biss in ein Schinkenschnittchen. Sein Blick glitt zwischen den Frauen hin und her. Sollte er auf dieses belanglose Geplänkel eingehen oder besser den Fall ansprechen? Er entschied sich für Letzteres. »Also, was hat Ihr Exkurs ergeben? Ist es das Fahrzeug, das wir suchen?«

Hilka Martens stellte die Kaffeetasse ab und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie kramte sowohl ihre Brille als auch den Notiz­block hervor. »Im Wagen wurden zwei Pistolen sichergestellt. Eine Walther PPK und eine Waffe, die bislang noch nicht genau benannt werden konnte. Allerdings haben beide wohl dasselbe Kaliber und das könnte mit den Durchmessern der Wunden übereinstimmen, die an den Toten festgestellt wurden.« Die Kommissarin nickte Kris Willers zu. »Um das genau festzulegen, benötigen wir noch genaue Untersuchungen von deiner Seite.«

Die Gerichtsmedizinerin, die am verwaisten Schreibtisch der versetzten und mittlerweile legendären Kollegin Rickmers saß, erwiderte das Nicken. »Geht klar, ich werde mich nachher an die Arbeit machen.«

»Was ist mit dem Wagen?«, fragte Axel, der sich ein wenig in den Hintergrund gedrängt fühlte. Er nahm ein Käseschnittchen und biss herzhaft ab.

»Ah, sehr gut«, erwiderte die Martens und lachte kurz auf. »Sie hätten Michaelis sehen sollen. Der war regelrecht verliebt in die Karre.«

»Bleiben Sie bitte sachlich, okay?«, forderte er, vielleicht etwas zu barsch, denn die Züge der Kommissarin verhärteten sich. »Bitte«, fügte er schnell hinzu, um keinen Unfrieden aufkommen zu lassen.

Wir müssen uns eh nochmal darüber unterhalten, wieso wir uns auf einen Trainingskampf eingelassen haben, der aus dem Ruder lief.

»Okay, ein metallicblauer BMW der 3er-Klasse, amtliches Kennzeichen aus Aurich.«

»Sehr gut«, unterbrach Groot begeistert. »Wir führen eine Anfrage durch und finden heraus, wem das Gefährt gehört.«

»Habe ich schon von unterwegs erledigt«, erklärte Hilka Martens. Sie klang selbstzufrieden und schenkte ihrem Vorge­setzten ein entsprechendes Lächeln. Gleichzeitig schwenkte sie den Notizblock. »Name und Adresse des Halters habe ich bereits aufgeschrieben.«

»Hätte ich mir eigentlich denken können«, grummelte er. »Und? Wollen Sie mich unwissend sterben lassen?«

Die Kommissarin überging die Frage. Sie schob die Brille hoch und las mit ruhiger Stimme vor. »Der Wagen läuft auf den Namen André Hallmann. Verheiratet, zwei Kinder. Er wohnt in der Westermarsch II.« Hilka Martens legte die Stirn in Falten. »Allerdings erst seit knapp anderthalb Jahren. Ansonsten war nicht viel herauszubekommen.«

Axel richtete sich in seinem Stuhl auf. »Keine Vorstrafen oder Ähnliches?«

»Nichts«, lautete die Antwort.

Sie klappte den Notizblock zu und nahm die Brille ab. »Hall­mann ist in dieser Hinsicht so unbefleckt wie ein Neugebo­renes.«

Kris Willers lachte auf. »Entzückender Vergleich.«

Groot erhob sich und durchwanderte den Raum. Er brauchte Bewegung, weil er fühlte, wie neben einer gewissen Frustration Unruhe in ihm aufstieg. »Wir haben drei ermordete Männer, von denen wir bislang zwei namentlich kennen«, rekapitulierte er.

»Bernd Singer, ein ehemaliger Polizeibeamter aus Aurich, der laut Ludger Vogt einige Jahre in Norden arbeitete, ehe man ihn versetzte. Bevor er seinen Dienst quittierte, wurde er wegen seines zweifelhaften Rufes bekannt.«

Er holte tief Luft und ließ sie langsam ausströmen, wodurch Hilka Martens die Gelegenheit erhielt, die Überlegungen fortzu­setzen.

»Die beiden wurden, gemeinsam mit einem uns bislang Unbekannten, von einem abendlichen Spaziergänger ermordet aufgefunden.«

Kris...